»Akzeptiert«, gab sie nach. »Und was wollen wir jetzt unternehmen, um Spooky zu helfen? Von Aphros will ich gar nicht erst reden – den scheinst du schon abgeschrieben zu haben.«
»Falsch!« korrigierte Giri. »Wenn einer von uns Aussichten hat, sich ohne Hilfe durchzuschlagen, dann Aphros! Und was Spooky angeht – wir müssen erst einmal feststellen, wohin er überhaupt verschleppt wird.«
Die beiden Wachen hatten zusammen mit ihrem Gefangenen gerade den Palast verlassen. Unnachsichtig schleppten die beiden Wächter Spooky mit sich. Nach einer halben Stunde Marsch hatten die drei Männer ihr Ziel erreicht.
Eine über fünfzig Meter lange Galeere lag im Hafenbecken, die offenkundig zum baldigen Auslaufen bestimmt war. Deutlich konnte Giri auf den Sondenbildern die Bänke sehen. Auf dem von Spritzwasser, Blut und Schweiß verfärbten Holz saßen mehr als zweihundert Halbnackte; Spuren von Peitschenhieben waren auf der sonnengebräunten Haut zu erkennen. Als die Sonde etwas tiefer ging, wurden auch die bronzenen Ketten sichtbar, mit denen die Männer an die Riemen und die Bordwand des Schiffes gefesselt waren. Schlösser waren nicht zu sehen. Sollte die Galeere gerammt werden oder auf ein Riff laufen, dann waren die Männer unrettbar verloren. Nur die auf und ab marschierenden Bewaffneten hatten dann noch eine Chance. Offenbar hatten sie die Aufgabe, die Sklaven zu bewachen und für das Leben des Kapitäns zu kämpfen.
Langsam ließ der Morcone die Sonde über die Bänke schweben; mit einem leisen Seufzer der Erleichterung registrierte er die Tatsache, daß alle Bänke vollständig besetzt waren. Außerdem schienen die Ruderer leidlich bei Kräften zu sein.
Giris Hoffnung bestätigte sich: Offenbar wurde er als Reserve betrachtet – ein Wächter öffnete ein Luk auf dem Steg zwischen den Ruderbänken. Spooky wurde unsanft in die Öffnung befördert, dann wurde das Luk wieder geschlossen.
»Glück gehabt!« seufzte Giri halblaut. »Solange kein Ruderer umfällt, besteht keine Gefahr, daß er an Entkräftung zugrunde geht.«
Zwar war der Aufenthaltsort des Terraners nicht bequem, aber noch lebte Spooky, und war die Galeere erst einmal ausgelaufen, waren auch die Aussichten besser, ihn von dort zu befreien.
Unablässig hielt Giri die Sonde über dem Schiff.
Kommandos erklangen, und einige Hafenarbeiter machten die Trossen los, die das Schiff am Kai hielten und nun an Deck säuberlich aufgerollt wurden. Vier Männer setzten das einzige Segel; das etwas kümmerlich wirkende Tuch war an einem gleichfalls kümmerlichen Mast in der Mitte des Schiffes befestigt. Sehr langsam zog es die Galeere aus dem Hafen. Sobald das Schiff weit genug vom Kai abgelegt hatte, mußten die Ruderer ihre Arbeit beginnen. In gleichmäßigem Takt tauchten die Blätter in das schmutzige Wasser; der kräftige Ebbstrom tat ein weiteres – nach weniger als einer Stunde hatte das Schiff das offene Meer erreicht.
Giri rechnete kurz vor: »Vor der Dämmerung werden wir nicht eingreifen können! Das wird erst in zwei bis drei Stunden der Fall sein.«
Sirghia nickte zustimmend. »Außerdem haben wir dann erst die Sicherheit, daß die Galeere außerhalb der Sichtweite der Stadt ist«, bemerkte sie. »Wir können schlecht vor den Augen der Makarer eine ihrer Galeeren überfallen.«
Giri lachte eher bitter als heiter. »Zwei Morconen gegen eine Galeere! Einer von uns muß in jedem Fall an Bord bleiben, um das Schiff zu steuern! Traust du dir zu, mit den Bewaffneten auf der Galeere fertig zu werden?«
»Das kommt auf die Mittel an, die ich einsetzen darf«, gab Sirghia kühl zurück. »Eine kleine Narko-Bombe kann Wunder wirken!«
»Ausgeschlossen!« wehrte Giri ab. »Wirf einmal einen Blick auf das Tiefenradar – der Meeresboden rund um die Hauptstadt ist außerordentlich flach. Zudem gibt es mehr als zehn gefährliche Riffe pro Quadratkilometer – wenn wir die Männer an Bord des Schiffes betäuben, wird die Galeere steuerlos umhertreiben. Wenn dann das Schiff eines der Riffe rammt, sind wir schuldig am Tod einiger hundert Männer!«
»Handstrahler scheiden ebenfalls aus«, überlegte Sirghia laut. »Erstens sind die Soldaten auf der Galeere ebenfalls mit Strahlwaffen ausgerüstet. Und zweitens kann jeder Fehlschuß das Schiff in Flammen aufgehen lassen! Bordwaffen sind ohnedies zu gewaltig! Was bleibt uns dann überhaupt noch?«
Über sich hörte er das Ächzen, mit denen sich die Ruder in ihren Halterungen drehten; dazwischen mischte sich das dumpfe »Tam-Tam « der Pauke, die den Takt angab. Jedesmal, wenn der Klöppel auf das Fell der Trommel donnerte, zuckte Spooky unwillkürlich zusammen. Gelegentlich war ein unterdrücktes Fluchen zu hören, dem meist kurze Zeit später das Schmatzen eines Peitschenhiebes und ein gequältes Stöhnen folgten. Das leise Klirren erkannte der Terraner als das Geräusch der patrouillierenden Soldaten an Deck.
Die eingepferchten Männer verhielten sich ruhig; nur wenn zwei Körper gegeneinanderstießen und die Peitschenwunden berührt wurden, wurde ein unterdrückter Schmerzlaut hörbar. »Giri!« seufzte Spooky kaum hörbar. »Beeile dich!«
Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren; er wußte nicht, ob er nur eine oder schon mehrere Stunden unter Deck verbracht hatte. Angespannt lauschte er nach oben; jedesmal, wenn der unerbittliche Taktschlag der Pauke aufhörte, erwartete er, an Deck geholt und angekettet zu werden.
Zweimal hatte das Rudern gestoppt; jedesmal war ein Mann aus der Bilge geholt worden – als Ersatz für einen anderen, dessen Körper Minuten vorher mit lautem Klatschen über Bord geworfen worden war. Spooky hatte zweimal Glück gehabt – bei solchen Gelegenheiten drängten sich die Gefangenen in die Ecken, die von der Luke weit entfernt waren. Da der Terraner mit den anderen körperlich nicht konkurrieren konnte, hatte er beide Male dicht an der Luke gelegen. Und beide Male hatte sich der Soldat für die andere Seite entschieden und von dort einen Unglücklichen fortgezerrt.
»Ein Schiff!« flüsterte eine rauhe Stimme neben dem Terraner.
Mühsam drehte sich Spooky in dem Gewirr von Armen und Beinen herum; hinter ihm klaffte ein schmaler Spalt in der Bordwand, der beim nächsten Sturm das Ende der Galeere bedeuten würde. Jetzt reichte er aus, um den Terraner einen stark eingeschränkten Blick auf die Umgebung zu ermöglichen. Seine Augen brauchten einige Zeit, bis sie sich von dem Dunkel des Kielraums auf die Helligkeit draußen umgestellt hatten, dann sah auch Spooky das Schiff – ebenfalls eine Galeere, nur wesentlich größer und dickbauchiger als das Schiff, auf dem er sich befand.
Vermutlich ein Kauffahrteischiff, überlegte Spooky.
Nur sehr schwach erinnerte der Terraner sich an das Aussehen der Flagge, die auf seiner Galeere gesetzt war – eine verwirrende Kombination blauer und roter Vielecke. Die Flagge des Kauffahrers sah wesentlich anders aus – dort herrschte Weiß vor, das von Silber durchbrochen war.
»Freund oder Feind?« flüsterte Spooky seinem Nebenmann ins Ohr.
Schwach konnte der Terraner sehen, wie der Angesprochene verwundert den Kopf schüttelte.
»Feind!« sagte der Mann. »Alle anderen Schiffe auf dem Meer sind unsere Gegner!«
Spooky schluckte heftig. Konzentriert spähte er aus dem engen Ritz. Die Bugwelle der feindlichen Galeere war dem erkennbaren vorderen Ende des Schiffes stets um einige Schritte voraus. Spooky überlegte sekundenlang, dann fand er eine Erklärung – die Galeere mußte mit einem Rammsporn ausgerüstet sein. Er hielt den Atem an, als sehe er schon den Sporn die Bordwand aufreißen und das grünliche Wasser ins Schiffsinnere schießen.
Was ziemlich bald der Fall sein wird, ergänzte Spooky in Gedanken. Bei diesen Schwerkraftbedingungen war schon ein einfacher Spaziergang eine ausgemachte Strapaze; der Galeerendienst würde ihm binnen weniger Tage den Rest geben.
7.
»So also ist die Lage«, sagte die Androidin, nachdem Aphros seinen Bericht abgeschlossen hatte. »Das ändert natürlich einiges!«