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Nur eines störte in dieser exquisit geformten Landschaft. So geringfügig er aus dieser Höhe auch erscheinen mochte: Der graue Block des Teufelsfelsens wirkte wie ein Eindringling von einer anderen Welt. In der Tat berichtete die Sage, Jakkagala sei ein Bruchstück des kräuterbewachsenen himalajischen Berggipfels, das der Affengott Hanuman fallen ließ, als er mit Berg und Kräutern zugleich zu seinen verletzten Gefährten eilte, nachdem die Schlachten von Ramajana geschlagen waren.

Aus dieser Entfernung konnte man natürlich keine Einzelheiten von Kalidasas Narretei erkennen, mit Ausnahme einer dünnen Kontur, die die äußeren Mauern der Lustgärten umriss. Wer aber einmal mit dem Teufelsfelsen in Berührung gekommen war, der fand es unmöglich, ihn je wieder zu vergessen. Vor seinem geistigen Auge sah der Mahajanake Thero die gewaltigen Pranken des Löwen, die aus der senkrecht abstürzenden Wand des Felsens hervorragten, so deutlich, als stünde er zwischen ihnen. Weiter oben duckten sich die Festungsanlagen, auf denen — es fiel leicht, daran zu glauben — der fluchbeladene König bis auf den heutigen Tag wandelte.

Donner brach aus dem Himmel, wurde von Augenblick zu Augenblick lauter und erreichte schließlich eine solche Macht, dass selbst der Berg zu zittern begann. Wie eine unaufhörliche Serie von Explosionen rollte er quer über das Firmament und verlor sich schließlich im Osten. Noch viele Sekunden danach brach sich das Echo entlang des Horizonts. Niemand würde diesen Vorgang als Ankündigung der bevorstehenden Regen missdeuten; sie waren erst in drei Wochen fällig, und die Monsun-Kontrolle hatte sich noch nie um mehr als vierundzwanzig Stunden geirrt. Als die letzten Schallwellen verebbt waren, wandte sich der Mahajanake an seinen Begleiter.

»Das also hat man von festgelegten Einflugkorridoren«, sagte er mit mehr Erregung, als ein Priester sich hätte erlauben dürfen. »Haben wir Messdaten?«

Der junge Mönch sprach kurz in sein Armbandmikrofon und wartete auf eine Antwort.

»Ja. Die Spitze lag bei einhundertzwanzig, fünf Dezibel über dem bisherigen Rekord.«

»Schick die übliche Beschwerde an Kennedy- oder Gagarin-Kontrolle — wer auch immer dafür verantwortlich ist. Oder, noch besser: Schick sie an beide! Natürlich werden sie, wie üblich, nicht darauf reagieren.«

Während sein Blick den langsam zerfließenden Kondensstreifen am blauen Himmel entlangglitt, hatte Bodhidharma Mahajanake Thero — der fünfundachtzigste seines Namens — eine ganz und gar unmönchische Vision. Kalidasa hätte wahrscheinlich eine angemessene Therapie für Raumflug-Manager gehabt, die nur in Dollar pro Kilo Orbitalladung denken konnten … eine Therapie, die wahrscheinlich mit Aufspießen, eisenbehuften Elefanten oder kochendem Öl zu tun gehabt haben würde.

Vor zweitausend Jahren war das Leben so viel einfacher gewesen!

Der Ingenieur

Seine Freunde, deren Zahl von Jahr zu Jahr geringer wurde, nannten ihn Johan. Die Welt, wann immer sie sich seiner erinnerte, nannte ihn Radscha. Sein voller Name reflektierte fünfhundert Jahre menschlicher Geschichte: Johan Oliver de Alwis Sri Radschasinghe.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten sich die Touristen, die den Felsen besuchten, mit Kameras und Bandgeräten um ihn gedrängt. Aber inzwischen gab es eine neue Generation, die sich kaum noch an die Tage erinnerte, da sein Gesicht das bekannteste im gesamten Sonnensystem gewesen war. Er bedauerte den Ruhm der Vergangenheit nicht, denn er hatte ihm den Dank der gesamten Menschheit eingetragen. Freilich waren da auch Augenblicke des Bedauerns gewesen wegen der Fehler, die er gemacht hatte — und Sorge um die Menschenleben, die vergeudet worden waren und die mit ein wenig mehr Umsicht und Geduld hätten bewahrt werden können. In der historischen Perspektive war es jetzt natürlich einfach, zu erkennen, was hätte getan werden müssen, um die Auckland-Krise zu vermeiden, um die zaudernden Unterzeichner der Verträge von Samarkand zusammenzubringen. Indem er sich selbst die Schuld für die unvermeidbaren Fehler der Vergangenheit gab, beging er einen Akt der Kurzsichtigkeit. Und doch gab es Augenblicke, in denen das Gewissen ihn mehr schmerzte als das allmählich nachlassende Zwicken des patagonischen Karabinergeschosses.

Niemand hatte geglaubt, dass er so lange im Ruhestand bleiben werde. »Sie werden in sechs Monaten wieder zurück sein«, hatte Weltpräsident Chu zu ihm gesagt. »Macht ist gewohnheitsbildend.«

»Nicht für mich«, hatte er wahrheitsgemäß geantwortet.

In der Tat hatte sich ihm die Macht aufgedrängt; er hatte niemals nach ihr gestrebt. Und es war stets eine ganz besondere, begrenzte Spielart der Macht gewesen — beratend, nicht ausübend. Er war nur Sonderassistent (amtierender Botschafter) für Politische Angelegenheiten, dem Präsidenten und dem Konzil unmittelbar verantwortlich, mit einem Mitarbeiterstab von niemals mehr als zehn — elf, wenn man ARISTOTELES hinzurechnete (von seiner Konsole aus hatte er bis auf den heutigen Tag Zugriff zu Aris Prozessoren und Speichern, und mehrmals pro Jahr unterhielten sie sich miteinander). Aber am Ende hatte das Konzil seinen Rat stets angenommen, und die Welt hatte ihm gutgeschrieben, was an sich auf das Konto der unbesungenen, unbeachteten Bürokraten der Friedensabteilung hätte gehen sollen.

Sonderbotschafter Radschasinghe hatte sich stets im Rampenlicht befunden, während er von einem Krisenherd zum andern eilte, hier ein Ego massierend, dort eine Gefahr entschärfend und überall die Wahrheit mit vollendetem Geschick manipulierend. Geradeheraus gelogen hatte er niemals — das wäre verderblich gewesen! Ohne Aris unfehlbares Gedächtnis hätte er unweigerlich die Kontrolle über die Gespinste aus Halbwahrheiten verloren, die er manchmal, um der Menschheit den Frieden zu erhalten, zu spinnen gezwungen war. Als er begann, das Intrigenspiel um seiner selbst willen zu genießen, war es an der Zeit gewesen, seine Kündigung einzureichen.

Das war zwanzig Jahre her, und er hatte seinen Entschluss niemals bereut. Diejenigen, die geunkt hatten, dass die Langeweile vollbringen werde, was den Versuchungen der Macht nicht gelungen war, kannten den Mann nicht, noch verstanden sie seine Herkunft. Er kehrte zu den Feldern und Wäldern seiner Jugend zurück und wohnte nur einen Kilometer von dem mächtigen, brütenden Felsen entfernt, der seine Kindheit beherrscht hatte. Seine Villa befand sich in der Tat innerhalb des weiten Grabens, der die Lustgärten umlief, und die Springbrunnen, die Kalidasas Architekt entworfen hatte, plätscherten jetzt, nach zweitausend Jahren Stille, in Johans Garten. Das Wasser floss noch immer durch dieselben steinernen Leitungen. Nichts war geändert worden; nur dass die Zisternen hoch oben auf dem Felsen jetzt mit Hilfe elektrischer Pumpen anstatt durch Staffeln von Sklaven versorgt wurden.

Dieses geschichtsdurchtränkte Stück Land als seinen Wohnsitz zu erwerben, hatte ihn mit größerer Genugtuung erfüllt als irgendein Ereignis in seiner langen Karriere. Ein Traum hatte sich erfüllt, von dem er niemals geglaubt hatte, dass er zu verwirklichen sei. Bei dem Erwerb hatte er sein gesamtes diplomatisches Geschick einsetzen müssen, außerdem eine mindere Art von Erpressung gegenüber dem Ministerium für Archäologie. Später hatte es im Parlament ein paar Fragen gegeben; glücklicherweise waren sie von niemand beantwortet worden.