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»Mon Dieu!« rief Flambeau lachend.

»Da sind Buchstaben und Zeichen in einer Sprache, die ich nicht kenne; aber ich weiß, daß sie für böse Worte stehen«, fuhr der Priester fort, dessen Stimme leiser und leiser wurde. »Die Linien laufen absichtlich falsch – wie Schlangen, die sich zur Flucht krümmen.«

»Wovon zum Teufel sprechen Sie eigentlich?« fragte der Doktor mit lautem Lachen.

Flambeau gab ihm ruhig zur Antwort: »Den Father überkommt manchmal diese mystische Wolke«, sagte er; »aber ich kann Ihnen versichern, daß ich ihn nie so gesehen habe, wenn da nicht etwas Böses in der Nähe war.«

»Ach Quatsch!« sagte der Wissenschaftler.

»Sehen Sie doch nur«, rief Father Brown und hielt das gekrümmte Messer auf Armeslänge, als ob es eine glitzernde Schlange wäre. »Sehen Sie die falsche Form denn nicht? Sehen Sie nicht, daß es keinen gesunden und einfachen Zweck hat? Es hat keine Spitze wie ein Speer. Es schneidet nicht wie eine Sense. Es sieht nicht aus wie eine Waffe. Es sieht aus wie ein Foltergerät.«

»Na schön, da Sie es nicht zu mögen scheinen«, sagte der fröhliche Harris, »sollten wir es lieber seinem Besitzer zurückbringen. Sind wir denn noch nicht am Ende dieses verdammten Gewächshauses? Dies Haus hat die falsche Form, wenn Sie wollen.«

»Sie verstehen nicht«, sagte Father Brown und schüttelte den Kopf. »Die Form dieses Hauses ist sonderbar – sogar lächerlich. Aber da ist nichts Falsches an ihm.«

Während sie redeten, kamen sie um die gläserne Rundung, die das Gewächshaus abschloß, eine ununterbrochene Rundung, denn da waren weder Tür noch Fenster, durch die man an jenem Ende hätte eintreten können. Doch das Glas war klar, und die Sonne schien noch hell, obwohl sie bereits unterzugehen begann; und sie konnten nicht nur die flammenden Blüten im Innern sehen, sondern auch die zerbrechliche Gestalt des Dichters, der in einer braunen Samtjacke lässig auf dem Sofa lag, offenbar über einem Buch dösend. Er war ein blasser schlanker Mann mit lockerem braunem Haar und einer Bartkrause, die das Paradox seines Gesichts war, denn der Bart ließ ihn weniger männlich aussehen. Diese Züge waren allen dreien wohlbekannt; aber selbst wenn es nicht so gewesen wäre, dürfte angezweifelt werden, ob sie ausgerechnet dann auf Quinton geblickt hätten. Ihre Blicke waren auf ein anderes Objekt geheftet.

Mitten auf ihrem Weg stand unmittelbar außerhalb der Endrundung des gläsernen Baues ein großer Mann, dessen Gewandung in makellosem Weiß auf seine Füße wallte und dessen nackter brauner Schädel wie sein Gesicht und sein Nacken in der untergehenden Sonne schimmernder Bronze gleich glänzte. Er blickte durch das Glas auf den Schläfer und war bewegungsloser als ein Gebirge.

»Wer ist das?« rief Father Brown, der zurückfuhr und den Atem pfeifend einsog.

»Ach, das ist nur dieser Hindu-Schwindler«, knurrte Harris; »aber ich weiß nicht, was beim Teufel er hier tut.«

»Es sieht aus wie Hypnotismus«, sagte Flambeau und biß sich in den schwarzen Schnurrbart.

»Warum müßt Ihr unmedizinischen Kerle nur immer solchen Unfug über Hypnotismus schwatzen?« rief der Doktor. »Das sieht vielmehr nach Einbruch aus.«

»Auf jeden Fall wollen wir mit ihm sprechen«, sagte Flambeau, der immer für Handlung war. Ein langer Schritt brachte ihn zu der Stelle, wo der Inder stand. Er beugte sich aus seiner großen Höhe herab, die selbst die des Orientalen überragte, und sagte mit gelassener Unverschämtheit:

»Guten Abend, Sir. Was wünschen Sie?«

Ganz langsam, wie ein großes Schiff in den Hafen gleitet, wandte sich das große gelbe Gesicht und blickte schließlich über die weiße Schulter. Es überraschte sie zu sehen, daß die gelben Augenlider wie im Schlaf geschlossen waren. »Danke«, sagte das Gesicht in ausgezeichnetem Englisch. »Ich wünsche nichts.« Dann öffnete er die Lider halb, wie um einen Schlitz schillernden Augapfels zu zeigen, und wiederholte: »Ich wünsche nichts.« Dann öffnete er die Augen weit zu einem erschreckend starren Blick, sagte: »Ich wünsche nichts« und schritt raschelnd in den rasch dunkelnden Garten hinein.

»Christen sind bescheidener«, murmelte Father Brown; »sie wünschen sich was.«

»Was um alles in der Welt hat er da getan?« fragte Flambeau, runzelte seine schwarzen Brauen und senkte die Stimme.

»Mit Ihnen möchte ich lieber später reden«, sagte Father Brown.

Das Sonnenlicht war noch Wirklichkeit, aber es war das rote Licht des Abends, und die Masse der Gartenbäume und Büsche wurde vor ihm dunkler und dunkler. Sie umrundeten das Ende des Gewächshauses und schritten schweigend die andere Seite entlang, um wieder zur Vordertür zu gelangen. Als sie so dahinschritten, schienen sie etwas in der tieferen Ecke zwischen Arbeitszimmer und Haupthaus aufzuscheuchen, wie man einen Vogel aufscheucht; und wieder sahen sie den weißgewandeten Fakir aus dem Schatten gleiten und um die Ecke zur Vordertür hin schlüpfen. Zu ihrer Überraschung aber war er nicht allein gewesen. Sie fanden sich plötzlich durch das Auftauchen von Frau Quinton aufgehalten und gezwungen, ihre Verwirrung zu unterdrücken, wie sie mit ihrem schweren goldenen Haar und dem ehrlichen blassen Gesicht aus dem Zwielicht auf sie zukam. Sie sah ein wenig streng aus, war aber durchaus höflich.

»Guten Abend, Dr. Harris«, war alles, was sie sagte.

»Guten Abend, Frau Quinton«, sagte der kleine Doktor herzlich. »Ich wollte gerade hineingehen und Ihrem Mann sein Schlafmittel geben.«

»Ja«, sagte sie mit klarer Stimme. »Ich glaube, es ist die richtige Zeit.« Und sie lächelte sie an und verschwand rasch im Haus.

»Die Frau ist überfordert«, sagte Father Brown; »das ist die Art von Frauen, die zwanzig Jahre lang ihre Pflicht und dann etwas Schreckliches tun.«

Der kleine Arzt sah ihn zum erstenmal mit einem interessierten Blick an. »Haben Sie mal Medizin studiert?« fragte er.

»Sie müssen vom Geist einiges kennen und den Körper«, antwortete der Priester; »wir müssen vom Körper einiges kennen und den Geist.«

»Nun ja«, sagte der Doktor, »ich glaube, ich werde jetzt reingehen und Quinton sein Zeug geben.«

Sie waren um die Ecke der Vorderfront gebogen und näherten sich dem Vordereingang. Als sie in ihn einbogen, sahen sie den Mann in der weißen Robe zum drittenmal. Er kam so gerade auf die Eingangstür zu, daß er eigentlich nur aus dem gegenüberliegenden Arbeitszimmer gekommen sein konnte. Aber sie wußten, daß die Tür zum Arbeitszimmer verschlossen war.

Father Brown und Flambeau jedenfalls behielten diesen seltsamen Widerspruch für sich, und Dr. Harris war nicht der Mann, der seine Gedanken auf das Ungewöhnliche verschwendet. Er ließ den allgegenwärtigen Asiaten seinen Abgang nehmen und trat dann energisch in die Halle. Da fand er eine Gestalt vor, die er inzwischen ganz vergessen hatte. Der alberne Atkinson lungerte immer noch herum, summte und porkelte mit seinem knotigen Stock an den Dingen herum. Das Gesicht des Doktors zog sich vor Widerwillen und Entschlossenheit zusammen, und er flüsterte seinen Gefährten rasch zu: »Ich muß die Tür wieder abschließen, sonst kommt diese Ratte noch rein. Aber ich bin in zwei Minuten zurück.«

Er schloß die Tür schnell auf und schloß sie hinter sich wieder ab und blockierte so einen blinden Ansturm des jungen Mannes mit der Melone. Der junge Mann warf sich ungeduldig in einen Stuhl in der Halle. Flambeau betrachtete eine persische Illustration an der Wand; Father Brown, der sich in einem Zustand der Betäubung zu befinden schien, blickte starräugig auf die Tür. Nach etwa vier Minuten wurde die Tür wieder geöffnet. Diesmal war Atkinson schneller. Er sprang vorwärts, hielt die Tür für einen Augenblick auf und schrie: »Hör mal, Quinton, ich brauche – «

Vom anderen Ende des Arbeitszimmers kam die klare Stimme Quintons, in einer Mischung aus Gähnen und müde gellendem Lachen.