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»Ein Glück, daß wir Pelle nicht mitgenommen haben«, sagte er. »Dem würde das hier nicht gefallen.«

Bootsmann warf vom Bootshaus oben einen letzten forschenden Blick auf den Kahn und die Kinder. Aber als er sah, daß sie seine Hilfe nicht brauchten, gähnte er und ließ seinen Kopf auf die Vorderpfoten sinken. Jetzt wollte er schlafen.

Und wenn es stimmte, was Teddy und Freddy behaupteten, daß Bootsmann wie ein Mensch denken und fühlen konnte, dann überlegte er vermutlich, bevor er in Schlaf fiel, was Tjorven daheim wohl tat und ob sie schon wach war.

Tjorven war wach. Sehr wach. Als sie merkte, daß Bootsmann nicht wie sonst neben ihrem Bett lag, begann sie nachzudenken. Und als sie eine Weile nachgedacht hatte, wurde ihr klar, was geschehen war, und da wurde sie böse, ganz wie Freddy es vorausgesehen hatte.

Tjorven stieg mit gerunzelten Augenbrauen aus dem Bett. Bootsmann war ganz allein ihr Hund, niemand hatte das Recht, mit ihm aufs Meer zu fahren. Aber Teddy und Freddy taten das andauernd, ohne überhaupt zu fragen. So konnte das einfach nicht weitergehen! Tjorven ging spornstreichs ins Schlafzimmer, um sich zu beschweren. Ihre Eltern schliefen, aber Tjorven marschierte ohne Erbarmen ans Bett ihres Vaters und rüttelte ihn.

»Papa, weißt du was«, sagte sie aufgebracht, »Teddy und Freddy haben Bootsmann mit auf die Schären genommen.«

Nisse öffnete widerwillig ein Auge und warf einen Blick auf den Wecker. »Mußt du morgens um sechs Uhr kommen und mir das erzählen?«

»Ja, früher konnte ich nicht kommen«, sagte Tjorven. »Ich hab es ja jetzt erst gemerkt.«

Ihre Mutter bewegte sich schlaftrunken in dem anderen Bett.

»Mach nicht solchen Krach, Tjorven«, murmelte sie. Es war bald Zeit für Märta, aufzustehen und einen neuen, arbeitsreichen Tag zu beginnen. Diese letzte halbe Stunde, bevor der Wecker klingelte, war für sie so kostbar wie Gold, aber das begriff Tjorven nicht.

»Ich mach keinen Krach, ich bin nur böse«, sagte sie.

Niemand würde in einem Zimmer schlafen können, in dem Tjorven böse war, es sei denn, er war stocktaub. Märta merkte, wie grausam hellwach sie wurde, und sie sagte ungeduldig:

»Warum machst du so ein Theater? Bootsmann darf doch wohl auch mal ein bißchen Spaß haben.«

Jetzt ging es aber erst richtig los.

»Und ich?« rief Tjorven. »Soll ich etwa nie ein bißchen Spaß haben? Pfui, ist das ungerecht!«

Nisse stöhnte und bohrte den Kopf in das Kissen.

»Geh raus, Tjorven! Geh woanders hin, wenn du böse sein mußt! Wir wollen das nicht mitanhören.«

Tjorven stand stumm da. Sie schwieg eine Weile, und ihre Eltern hatten schon fast die Hoffnung, daß diese selige Stille anhalten würde. Sie bemerkten nicht, daß Tjorven nur einen neuen Anlauf nahm. »O ja, das ist fein«, schrie sie schließlich. »Aber ich geh schon. Ich gehe und komme nie wieder zurück. Ich will aber hinterher kein Gejammer hören, wenn ihr keine Tjorven mehr habt.«

Nun sah Märta ein, daß dies eine ernste Angelegenheit war, und sie streckte Tjorven versöhnlich die Hand hin.

»Du willst doch nicht etwa ganz und gar verschwinden, Hummelchen?«

»Doch, das ist sicher das beste«, sagte Tjorven. »Dann könnt ihr immerzu schlafen und schlafen und schlafen.«

Märta erklärte ihr, daß sie ihre liebe kleine Tjorven um jeden Preis behalten wollten, nur vielleicht nicht gerade im Schlafzimmer um sechs Uhr morgens. Aber Tjorven hörte gar nicht hin. Sie ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.

Im bloßen Nachthemd lief sie ins Freie.

»Immerzu schlafen und schlafen«, knurrte sie, und Tränen des Zorns standen in ihren Augen. Aber nach und nach wurde ihr klar, daß sie zu früh aufgewacht war. Dieser Tag wirkte so neu. Sie spürte es an der Luft und an dem betauten Gras, das ihre nackten Füße kühlte, und sie konnte es an der Sonne sehen, die nicht ganz dort stand, wo sie sollte. Nur die Möwen waren wach und kreischten wie gewöhnlich. Eine davon saß auf der Spitze des Fahnenmastes und sah aus, als gehörte ihr ganz Saltkrokan.

So übermütig war Tjorven nicht, im Augenblick nicht. Sie stand nachdenklich da und zupfte mit den Zehen Grashalme aus. Dies war eine finstere Sache. Sie ärgerte sich schon, daß sie eben so kindisch gewesen war. So von zu Hause wegzulaufen, das taten ja nur kleine Kinder, und das wußten Mama und Papa ebensogut wie sie selber. Aber es wäre so schmachvoll, jetzt zurückzugehen. Sie konnte das nicht so ohne weiteres tun. Es mußte eine ehrenhafte Art und Weise geben, um aus dieser Klemme herauszukommen. Sie dachte angestrengt nach und rupfte viele Grashalme aus, bis sie plötzlich wußte, was sie machen sollte. Da rannte sie zum offenen Schlafzimmerfenster und steckte den Kopf hinein. Ihre Eltern waren dabei, sich anzuziehen, und waren so wach, wie sie es sich nur wünschen konnte.

»Ich gehe zu Söderman in Stellung«, sagte Tjorven, und sie fand selber, daß das ein guter Einfall sei. Nun mußte es Mama und Papa klarwerden, daß sie das die ganze Zeit gemeint hatte und nicht irgendwas Kindisches. Söderman wohnte allein in seiner Kate unten am Wasser. Und er klagte ständig darüber, wie schwer er es habe so ohne Hilfe im Haushalt.

»Kannst du nicht zu mir in Stellung kommen, Tjorven?« hatte er einmal gesagt. Aber da hatte Tjorven gerade keine Zeit gehabt. Wie gut, daß ihr das jetzt eingefallen war. Eine Stellung im Haushalt, die brauchte man nicht so furchtbar lange zu behalten. Später konnte man zu Mama und Papa nach Hause gehen und wieder ihre Tjorven sein, als wäre nichts gewesen.

Nisse streckte seine väterliche Hand durchs Fenster und klopfte Tjorven auf die Wange.

»Dann bist du also nicht mehr böse, Hummelchen?«

Tjorven schüttelte verlegen den Kopf.

»Nee.«

»Das finde ich aber schön«, sagte Nisse. »Es hat keinen Sinn, böse zu werden, denn siehst du, man wird so jähzornig davon.« Da mußte Tjorven ihm recht geben.

»Glaubst du, Söderman will dich als Hausangestellte haben?« fragte Märta. »Er hat ja Stina.«

Daran hatte Tjorven nicht gedacht. Es war im letzten Winter gewesen, als Söderman sie gefragt hatte. Da hatte es Stina nicht gegeben, da wohnte sie in der Stadt bei ihrer Mama. Tjorven überlegte, aber nicht lange.

»Hausangestellte müssen stark sein«, sagte sie, »und das bin ich.« Dann lief sie los, um Söderman so schnell wie möglich von seinem Glück wissen zu lassen. Aber ihre Mutter rief sie zurück.

»Hausangestellte können nicht im Nachthemd arbeiten«, sagte sie. Und das sah Tjorven ein.

Söderman saß hinter seiner Kate und entwirrte seine Strömlingsnetze, als Tjorven angelaufen kam.

»Die müssen stark sein, tralala«, sang sie. »Ganz infernalisch stark, tralala …« Sie brach ab, denn sie entdeckte Söderman. »Söderman, weißt du was«, sagte Tjorven, »rate mal, wer heute dein Geschirr abwäscht?«

Bevor Söderman noch mit Raten anfangen konnte, tauchte in dem offenen Fenster hinter ihm ein strubbeliger Kopf auf.

»Ich«, sagte Stina.

»Nee«, versicherte Tjorven, »du bist nicht stark genug.«

Es dauerte eine Weile, bis Stina davon überzeugt war, aber zuletzt mußte sie sich widerwillig damit abfinden. Tjorven hatte nur verschwommene Vorstellungen von Hausangestellten, so was hatte noch nie seinen Fuß auf Saltkrokan gesetzt. Ihr schwebte vor, daß es starke, eisenharte Geschöpfe seien, die ungefähr vorgingen wie ein Eisbrecher, der im Winter die Fahrrinne für die Dampfer aufbricht. Und mit ungefähr gleicher Kraft machte Tjorven sich ans Abwaschen in Södermans Küche. »Ein bißchen darf man kaputtmachen«, versicherte sie, als Stina wegen ein paar Tellern jammerte, die auf den Fußboden gefallen waren.

Tjorven goß großzügig Spülmittel in die Abwaschwanne, so daß sich der herrlichste Schaum bildete. Sie wusch mit Schwung ab und sang, daß es bis zu Söderman hinaustönte, während Stina ziemlich übelgelaunt auf einem Stuhl saß und zuschaute. Sie war jetzt die Frau des Hauses, »denn die brauchen nicht so stark zu sein«, hatte Tjorven erklärt.