«Originalton?«fragte ich interessiert.
Litsi schüttelte den Kopf.»Er sagte es auf französisch.«
«Wir haben Beatrice gefragt«, warf die Prinzessin mit spröder, aufgesetzter Höflichkeit ein,»ob sie seit ihrer Ankunft hier am Sonntag mit Henri Nanterre gesprochen hat, aber sie sagt, sie weiß nicht, wo er sich aufhält.«
Ich sah Beatrice an, die unversöhnlich zurückstarrte. Man brauchte zwar nicht zu wissen, wo sich jemand aufhielt, wenn er eine Telefonnummer hatte, aber es schien sinnlos, sie von einer Ausflucht in eine direkte Lüge zu treiben, und etwas anderes hätten wir, nach ihrem Trotzgesicht zu urteilen, nicht bekommen.
Die Prinzessin sagte, ihr Mann habe den Wunsch geäußert, mich bei meiner Rückkehr zu sprechen; vielleicht könnte ich mich jetzt erst einmal mit ihm unterhalten. Ich spürte im Hinausgehen, wie sie alle wieder unter ihren Glasglocken erstarrten, und klopfte oben an Roland de Brescous Tür.
Er rief» herein«, bat mich Platz zu nehmen und fragte mit gut gespieltem Interesse nach meinem Erfolg bei den Rennen. Ich erwähnte Berninas Sieg, und er sagte abwesend:»Schön«, während er in Gedanken seine nächsten Worte zurechtlegte. Er kam mir nicht so gebrechlich vor wie am Freitag oder Samstag, aber auch nicht so entschlossen.
«Mein Rücktritt ist keine Sache, die von heute auf morgen geht«, sagte er,»und sobald ich irgendwelche konkreten Schritte unternehme, wird Henri Nanterre das erfahren. Gerald Greening ist der Auffassung, daß er dann unter Androhung immer weiterer Schikanen und niederträchtiger Gewalt verlangen wird, daß ich meine Absicht aufgebe. «Er schwieg.»Hat Litsi Ihnen von Nanterres Anruf erzählt?«
«Ja, Monsieur.«
«Die Pferde. Danielle. meine Frau. Litsi. Sie selbst… Ich kann euch nicht alle der Gefahr aussetzen. Gerald Greening rät mir jetzt zur Unterzeichnung des Vertrags; sobald Nanterre dann seine Schußwaffenzulassung bekommt, kann ich meinen Firmenanteil verkaufen. Das muß Nanterre hinnehmen. Ich werde es zur Bedingung machen, bevor ich unterschreibe. Jedermann wird sich denken können, daß ich wegen der Waffen verkauft habe. so bleibt vielleicht immerhin etwas von meinem Ruf erhalten. «Sein Mund zuckte gequält.»Mit dem denkbar größten Widerwillen unterschreibe ich diesen Vertrag, aber ich sehe keine andere Möglichkeit.«
Er schloß mit einer stummen Frage, als erbitte er meine Stellungnahme, und nach einer kurzen Pause gab ich sie ihm.
«Unterschreiben Sie nicht, Monsieur«, sagte ich.
Er betrachtete mich nachdenklich, mit dem Anflug eines Lächelns.
«Litsi war der Meinung, daß Sie das sagen würden«, sagte er.
«So? Und was hat Litsi selbst gesagt?«
«Was meinen Sie wohl?«
«Nicht unterschreiben«, sagte ich.
«Sie und Litsi. «Wieder das flüchtige Lächeln.»So verschieden. So ähnlich. Er hat Sie als — und das sind seine Worte, nicht meine — als einen >Teufelskerl mit Köpfchen< bezeichnet, und er sagte, ich solle Ihnen und ihm Zeit lassen, sich etwas auszudenken, wie man Nanterre ein für allemal abwehren kann. Er sagte, nur wenn Sie beide scheiterten und sich geschlagen gäben, solle ich ans Unterschreiben denken.«
«Und… waren Sie einverstanden?«
«Wenn Sie es auch möchten, bin ich einverstanden.«
Eine Verpflichtung zu aktivem Vorgehen war etwas ganz anderes, als sich auf Verteidigung zu beschränken, aber ich dachte an die Pferde, an die Prinzessin, an Danielle, und es war wirklich keine Frage.
«Ich möchte es«, sagte ich.
«Nun gut… aber hoffentlich gibt das kein Ende mit Schrecken.«
Ich sagte, wir würden unser Bestes tun, das zu verhindern, und fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn jeden Tag während John Grundys dienstfreier Stunden ein Wächter im Haus wäre.
«Ein Wächter?«fragte er stirnrunzelnd.
«Nicht in Ihren Räumen, Monsieur. Auf Rundgang. Sie würden ihn kaum bemerken, aber Sie bekämen ein Funksprechgerät, so daß Sie ihn notfalls rufen könnten. Und dürfen wir außerdem ein Telefon aufstellen, das Gespräche aufzeichnet?«
Er hob seine dünne Hand und ließ sie wieder auf die Armlehne des Rollstuhls sinken.
«Tun Sie, was Sie für richtig halten«, sagte er und dann, fast schelmisch lächelnd — das erste Mal, daß ich etwas von seiner helleren Seite zu sehen bekam —:»Hat Beatrice Sie schon aus dem Bambuszimmer verjagt?«
«Nein, Monsieur«, sagte ich fröhlich.
«Sie war heute morgen hier oben und hat verlangt, daß ich Sie woanders unterbringe«, sagte er, immer noch lächelnd.»Sie besteht auch darauf, daß ich Nanterre die Geschäfte nach seinem Gutdünken führen lasse, aber ich weiß ehrlich nicht, von welchem ihrer beiden Ziele sie am meisten besessen ist. Sie sprang innerhalb desselben Satzes von dem einen zum anderen. «Er schwieg.»Wenn Sie meine Schwester schaffen«, sagte er,»dürfte Nanterre ein leichtes sein.«
Bis Mitte des nächsten Vormittags hatte ich in der Stadt ein Tonbandtelefon gekauft, und der Wächter war eingeführt in der unkonventionellen Gestalt eines elastischen Zwanzigjährigen, der Karate schon in der Wiege gelernt hatte.
Beatrice äußerte wie zu erwarten ihr Mißfallen über sein Aussehen und seine Anwesenheit, zumal er sie auf einem Treppenabsatz beinah umgerannt hätte, als er bewies, daß er schneller vom Souterrain zur Mansarde laufen konnte als der Lift die gleiche Strecke fuhr.
Er sagte mir, er heiße (in dieser Woche) Sammy, und er war tief beeindruckt von der Prinzessin, die er zu ihrer stillen und wohlwollenden Belustigung mit» Königliche Hoheit «ansprach.
«Sind Sie auch sicher…?«meinte sie zögernd zu mir, als er außer Hörweite war.
«Er hat die allerbesten Referenzen«, versicherte ich ihr.»Sein Chef hat garantiert, er könnte jedem eine Pistole aus der Hand treten, bevor er zum Schuß kommt.«
Sammys ein wenig koboldhaftes Gemüt schien sie sehr aufzumuntern, und sie verkündete entschlossen, daß wir alle, natürlich auch Beatrice, zum Pferderennen nach Ascot fahren würden. Der Lunch dort sei schon bestellt, und Sammy werde ja ihren Mann beschützen. Sie legte die Fröhlichkeit an den Tag, die sich mitunter einstellt, wenn man etwas riskiert, und zumindest auf Litsi und Danielle wirkte das ansteckend.
Beatrice beklagte sich finsteren Blickes, sie halte nichts von Pferderennen. In ihrer Achtung war ich so tief gesunken wie der Marianen-Graben, seit sie erfaßt hatte, daß ich Berufsrennreiter war.
«Er arbeitet für euch«, hörte ich sie empört zur Prinzessin sagen.»Da finden sich doch wohl noch Zimmer in der Mansarde.«
Die» Mansarde «war zufällig eine unbenutzte Kinderzimmersuite, kalt und mit Staubdecken drapiert, wie ich bei meinen nächtlichen Streifengängen herausgefunden hatte. Das Zimmer, das ich realistischerweise für mich hätte erwarten können, lag neben dem Rosenzimmer und teilte das Bad mit ihm, aber es war ebenfalls in bleiche Tücher gehüllt.
«Ich wußte nicht, daß du kommen würdest, liebe Beatrice«, erinnerte sie die Prinzessin.»Und er ist Danielles Verlobter.«
«Aber wirklich…«
Sie kam dann widerwillig doch mit zum Pferderennen, vermutlich aus der Überlegung, daß sie ihren Bruder, selbst wenn es ihr noch einmal gelang, zu ihm vorzudringen, und selbst wenn sie ihn bis zur Erschöpfung traktierte, nicht dazu bringen konnte, den Vertrag zu unterschreiben, weil er ihn erstens nicht hatte (er war jetzt in Litsis Zimmer für den Fall, daß Beatrice die Bambussuite im Handstreich nahm) und weil zweitens seine drei Mitunterzeichner nicht in ähnlicher Weise bedrängt werden konnten. Litsi hatte ihr nach Nanterres Anruf und vor meiner Rückkehr aus Devon vorsorglich erklärt, das Vertragsformular sei nicht da.