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Er hatte aus Respekt vor der Prinzessin den Hut abgenommen und hielt ihn an seine Brust gedrückt; sein angegrautes blondes Haar war akkurat geschnitten und gebürstet. Er krümmte sich fast, so sehr wünschte er der Prinzessin zu gefallen, während er gleichzeitig ihren Jockey anschwärzte, und ich war mir nicht sicher, ob er ihr nicht das Zugeständnis abringen konnte, daß vielleicht in diesem einen Fall Kit Fielding ihr Pferd wohl doch zu hart angefaßt hatte.

Nun ja… sie würden keine Striemen bei Cascade entdecken, denn mit der Peitsche hatte ich ihn kaum berührt. Der andere Starter war zu nah gewesen; als ich den Arm hob, hatte ich festgestellt, daß ich eher ihn als Cascade treffen würde, wenn ich die Peitsche herunterbrachte. Maynard hatte sicher meinen erhobenen Arm gesehen, aber Beine, Füße, Handgelenke und Wut hatten die Sache erledigt. Vielleicht gab es Peitschennarben in Cascades Seele, falls er eine hatte, doch davon wäre dann auf seinem Haarkleid nichts zu sehen.

Maynard überlegte des längeren mit geschürzten Lippen, Kopfgeschüttel und schweifenden Augen, aber schließlich verbeugte er sich steif vor der reizend lächelnden Prinzessin, setzte sorgfältig seinen Hut wieder auf und stolzierte enttäuscht davon.

Erleichtert sah ich, wie die Prinzessin sich einer Gruppe von Freunden anschloß, während Dusty mit sichtlicher Mißbilligung die Schweißdecke wieder auflegte und den Pfleger, der Cascade am Zügel hielt, aufforderte, das Pferd in den Stall zu bringen. Cascade folgte ihm müde, mit hängendem Kopf, völlig verausgabt. Entschuldige, dachte ich, tut mir leid, alter Knabe. Beklag dich bei Litsi.

Die Prinzessin, dachte ich dankbar, als ich ihre Farben ablegte, um für das nächste Rennen in andere zu schlüpfen, hatte Maynards Einflüsterungen widerstanden und ihre Bedenken für sich behalten. Sie wußte, wie es zwischen mir und Maynard stand, weil Bobby ihr das im November mal gesagt hatte, und obwohl sie nie darauf zu sprechen gekommen war, hatte sie es offensichtlich nicht vergessen. Anscheinend mußte ich schon mehr tun, als ihr Pferd halb umzubringen, bevor sie mich meinem Feind auslieferte.

Ich ritt das nächste Rennen in dem vollen Bewußtsein, daß er auf der Tribüne saß: zwei atemlose Meilen über die Hürden, als Vierter durchs Ziel. Danach zog ich wieder die Farben der Prinzessin an und kehrte für die Hauptveranstaltung des Tages in den Führring zurück, ein 3-Meilen-Jagdrennen, das als Probelauf für das Grand National betrachtet wurde.

Ungewöhnlicherweise wartete die Prinzessin nicht schon im Ring, und ich sah eine Weile allein zu, wie ihr stämmiger Cotopaxi von seinem Pfleger herumgeführt wurde. Wie viele ihrer Pferde war er nach einem Berg benannt, und zu ihm paßte das ausgezeichnet, denn er war groß, hager und eckig, ein Dunkelfuchs mit grauen Flecken auf der Kruppe, die wie schmutziger Schnee aussahen. Als Achtjähriger entwickelte er sich zufriedenstellend zu voller, kompromißloser Stärke, und diesmal glaubte ich wirklich daran, daß ich in einem Monat endlich den ganz großen Sieg erreiten könnte.

Ich hatte schon fast jedes im Kalender aufgeführte Rennen gewonnen, bis auf das Grand National. Da war ich Zweiter, Dritter und Vierter geworden, aber noch nie Erster. Cotopaxi war in der Lage, das zu ändern, wenn wir Glück hatten.

Dusty kam herüber und unterbrach den angenehmen Tagtraum.

«Wo ist die Prinzessin?«sagte er.

«Ich weiß nicht.«

«Sie würde sich den alten Paxi doch nie entgehen lassen. «Klein, ziemlich alt, wettergegerbt und aus Gewohnheit mißtrauisch, sah er mich vorwurfsvoll an, als wüßte ich etwas, das ich nicht sagen wollte.

Dusty war von Berufs wegen auf mich angewiesen und ich auf ihn, aber wir hatten nie Geschmack aneinander gefunden. Er erinnerte mich gern daran, daß auch ein Cham-pi on-Jockey wie ich ohne die harte Arbeit der Pfleger, womit er natürlich sich meinte, nicht so oft siegen würde. Sein Verhalten mir gegenüber grenzte manchmal haarscharf an Unverschämtheit, und ich fand mich damit ab, weil er tatsächlich sein Handwerk verstand und mit den Pflegern im Grunde recht hatte; außerdem blieb mir kaum eine andere Wahl. Seit Wykeham nicht mehr zu den Rennen kam, hing das Wohlergehen der Pferde unterwegs ganz von Dusty ab, und das Wohlergehen der Pferde lag in meinem ureigenen Interesse.

«Cascade«, sagte Dusty finster,»kann kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen.«

«Er ist nicht lahm«, wandte ich ein.

«Es wird Wochen dauern, bis er das verwunden hat.«

Ich antwortete nicht. Ich sah mich nach der Prinzessin um, die noch immer nicht aufgetaucht war. Ich hätte zu gern erfahren, was Maynard ihr gesagt hatte, aber es sah aus, als müßte ich mich gedulden. Und es war merkwürdig, daß sie nicht zum Ring gekommen war. Fast alle Pferdebesitzer waren vor einem Rennen gern im Führring, und gerade für die Prinzessin war das ein fester Programmteil. Überdies war sie auf Cotopaxi besonders stolz und vernarrt in ihn und hatte den ganzen Winter von seinen Chancen beim Grand National gesprochen.

Die Minuten vertickten, das Zeichen zum Aufsitzen kam, und Dusty warf mich wie üblich gekonnt in den Sattel. Ich hoffte, während ich auf die Bahn ritt, daß nichts Ernstes geschehen war, und hatte beim Aufgalopp Zeit, zur Privatloge der Prinzessin hoch oben auf der Tribüne hinauf zuschauen, wo ich sie auf jeden Fall gemeinsam mit ihren Freunden zu sehen erwartete.

Der Balkon war jedoch leer, und das machte mir nun wirklich Sorgen. Wenn sie unverhofft die Rennbahn verlassen mußte, hätte sie mich bestimmt benachrichtigt, und ich war im Führring auch nicht gerade schwer zu finden gewesen. Nachrichten konnten allerdings verlorengehen, und eine Mitteilung wie:»Sagt Kit Fielding, daß Prinzessin Casilia nach Hause fährt«, wäre nicht als äußerst dringend eingestuft worden.

Ich ritt weiter zum Start in der Überzeugung, daß ich schon noch Genaueres erfahren würde, und hoffte nur, daß keine Hiobsbotschaft über ihren gebrechlichen, alten, an den Rollstuhl gefesselten Mann eingetroffen war, zu dem sie jeden Abend heimfuhr.

Cotopaxi bombardierte mich im Gegensatz zu Cascade regelrecht mit Informationen, hauptsächlich dahingehend, daß er sich gut fühlte, daß ihm die Kälte nichts ausmachte und daß er froh war, zum erstenmal seit Weihnachten wieder auf einer Rennbahn zu sein. Der Januar war verschneit gewesen, die erste Februarhälfte weit unter Null, und rennbegeisterte Pferde wie Cotopaxi langweilten sich leicht, wenn sie lange im Stall stehen mußten.

Wykeham rechnete im Gegensatz zu den meisten Tageszeitungen nicht damit, daß Cotopaxi in Newbury gewinnen würde.

«Er ist noch nicht in Hochform«, hatte er am Abend vorher am Telefon gesagt.»Er wird erst beim Grand National voll dasein. Geben Sie auf ihn acht, Kit, ja?«

Ich hatte gesagt, das würde ich tun, und nach Cascade war es mir doppelt ernst damit. Achtgeben auf Cotopaxi, auf der Hut sein vor Maynard Allardeck, Prinz Litsi unterm Turf begraben. Cotopaxi und ich gingen vorsichtig, konzentriert um das Geläuf, stellten uns auf jedes Hindernis genau ein, übersprangen sie alle glatt, freuten uns an der Präzision und verloren keine Zeit. Ich fuchtelte genügend mit der Peitsche, um den Eindruck eines voll ausgerittenen Finishs zu erwecken, und wir plazierten uns ehrenvoll als Dritte, so knapp hinter dem Sieger, daß es spannend blieb. Ein gutes Training für Cotopaxi, eine Bestätigung für Wykeham und die Verheißung kommenden Erfolgs für die Prinzessin.

Sie war während des Rennens nicht auf dem Balkon gewesen, und sie erschien auch nicht auf dem Absattelplatz. Dusty brummte unverständliches Zeug über ihre Abwesenheit, und ich erkundigte mich im Waageraum vergebens, ob sie etwas habe ausrichten lassen. Ich zog mich für das fünfte Rennen um, und danach, in Straßenkleidung, beschloß ich, für alle Fälle in ihre Loge hinaufzugehen, wie ich es nach jedem Renntag machte, um nachzufragen, ob die Kellnerin, die dort bediente, vielleicht wußte, was passiert war.