Die normale Telefonordnung in diesem Haus war einfach und kompliziert zugleich. Es gab nur eine Leitung, aber ein Dutzend verstreute Apparate.
Ankommende Telefongespräche läuteten nur in dreien davon: dem im Wohnzimmer, einem im Büro, wo tagsüber Mrs. Jenkins arbeitete, und einem im Souterrain. Wer immer in der Nähe eines dieser Apparate war, wenn ein Anruf kam, meldete sich und verständigte, falls es für jemand anders war, den Betreffenden über die Sprechanlage, so wie Dawson mich verständigt hatte, als Wykeham am Sonntag anrief. Durch diese Regelung sollte vermieden werden, daß sich bei jedem Klingeln sechs oder mehr Leute meldeten.
Von allen Gästezimmern und von den Räumen der Prinzessin und ihres Mannes aus konnte man direkt nach draußen telefonieren. Das Haus sei selten so voll wie im Augenblick, sagte Dawson, und das Telefon sei kaum jemals besetzt. Normalerweise klappe das System einwandfrei.
Ich erklärte, daß man, um das neue Telefon in Betrieb zu nehmen, lediglich den Stammapparat auszustöpseln und den neuen anzuschließen brauche.
«Wenn Sie auf diesen Knopf drücken«, ich deutete hin,»wird das ganze Gespräch aufgezeichnet. Drückt man auf den hier, kann jeder im Zimmer hören, was gesprochen wird.«
Ich schloß das simple Zauberkästchen an die Wohnzimmersteckdose an.»Solange wir alle im Haus sind, bleibt es am besten hier. Tagsüber, wenn, wie heute, alles ausgeflogen ist, kann man es in Mrs. Jenkins’ Büro verlegen und spät abends, falls Dawson nichts dagegen hat, ins Souterrain. Es spielt keine Rolle, wie viele Gespräche unnötig aufgezeichnet werden, die können wir löschen, aber jeder Anruf… könnten wir uns das zur Gewohnheit machen?«
Alle nickten.
«So ein unverschämter Mensch«, bemerkte Dawson.»Diese laute Stimme würde ich sofort wiedererkennen.«
«Es ist ein Jammer«, meinte Litsi, als Dawson und Sammy gegangen waren,»daß wir nicht irgendwie den Apparat von Beatrice anzapfen und aufzeichnen können, was sie sagt.«
«Wenn sie oben ist, so wie jetzt, können wir einfach den Hörer abnehmen und horchen.«
Wir nahmen den Hörer ab, doch niemand im Haus telefonierte. Wir konnten stundenlang warten und horchen, aber in der Zwischenzeit konnten dann keine Gespräche von auswärts ankommen. Bedauernd legte Litsi wieder auf und sagte, vielleicht hätten wir Glück, er werde es eben alle paar Minuten versuchen; doch bis Beatrice zum Abendessen erschien, hatten die Stichproben zu keinem Ergebnis geführt.
Ich hatte unterdessen mit Wykeham gesprochen und die Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter abgefragt; beides ging ziemlich schnell, und falls jemand unabsichtlich in die Anrufe hineingeplatzt war, hatte ich es nicht in der Leitung klicken gehört.
Beatrice kam, nach ihrer Bloody Mary dürstend, in einem schmeichelhaften weißen Kleid voller Sonnenblumen nach unten, und Litsi bemühte sich auf das freundlichste um sie, ohne sich in irgendeiner Weise von ihrem Mißmut beeindrucken zu lassen.
«Ich weiß, daß ihr mich nicht hierhaben wollt«, sagte sie unverblümt,»aber bis Roland auf der punktierten Linie unterschreibt, werde ich bleiben.«
Die Prinzessin kam zum Dinner herunter, aber Roland nicht, und als wir hinterher wieder ins Wohnzimmer gingen, dirigierte Litsi uns unauffällig so, daß ich schließlich neben das Telefon zu sitzen kam. Er lächelte über seine Kaffeetasse hinweg, und alle warteten.
Als es schließlich klingelte, schrak Beatrice zusammen.
Ich nahm den Hörer ab, drückte auf den Aufnahme- und den Konferenzknopf, und eine französische Stimme sprach laut in unsere Erwartungen hinein.
Kapitel 11
Litsi stand sofort auf, kam zu mir herüber und bedeutete mir, ihm den Hörer zu geben.
«Das ist nicht Nanterre«, sagte er.
Er nahm den Hörer, stellte die Konferenzschaltung ab und unterhielt sich privat auf französisch: »Oui… non… certainement… ce soir… oui… merci.«
Er legte auf, und beinahe sofort klingelte das Telefon wieder. Litsi nahm erneut den Hörer ab, schnitt ein Gesicht, drückte die Aufzeichnungs- und Konferenztasten und schob mir die Verantwortung zu.
«Er ist es«, meinte er knapp, und tatsächlich konnte jeder die vertraute, gebieterische Stimme hören, wenn sie auch Worte sagte, die mir völlig unverständlich waren.
«Sprechen Sie bitte englisch«, verlangte ich.
«Ich habe gesagt«, sagte Nanterre auf englisch,»ich möchte Prinz Litsi sprechen und man soll ihn unverzüglich an den Apparat holen.«
«Er ist nicht erreichbar«, sagte ich.»Ich könnte ihm etwas ausrichten.«
«Wer sind Sie denn?«sagte er.»Ich weiß, wer Sie sind. Sie sind der Jockey.«
«Ja.«
«Ich habe die Anweisung gegeben, daß Sie das Haus verlassen sollen.«
«Ich befolge Ihre Anweisungen nicht.«
«Das wird Ihnen leid tun.«
«Inwiefern?«fragte ich, aber er ließ sich nicht zu einer bestimmten Drohung verleiten; sehr wahrscheinlich deshalb, weil er sich noch keine genaue Strafe ausgedacht hatte.
«Mein Notar wird morgen früh um zehn vorbeikommen«, sagte er.»Man wird ihn wie zuvor in die Bibliothek führen. Roland de Brescou und Prinzessin Casilia begeben sich dorthin, wenn er eingetroffen ist. Prinz Litsi und Danielle de Brescou gehen ebenfalls runter. Alle werden das Formular unterzeichnen, das sich in der Aktenmappe des Notars befindet. Der Notar wird jede einzelne Unterschrift beglaubigen und das Dokument in seiner Aktentasche mitnehmen. Haben Sie verstanden?«
«Ich habe es verstanden«, sagte ich ruhig,»aber es wird nicht geschehen.«
«Es muß.«
«In der Aktenmappe ist kein Dokument.«
Das hielt ihn kaum eine Sekunde auf.»Mein Notar bringt ein Schriftstück des gleichen Wortlauts mit. Alle werden das Dokument des Notars unterzeichnen.«
«Dazu sind sie nicht bereit«, sagte ich.
«Ich habe sie gewarnt, was passiert, wenn das Dokument nicht unterschrieben wird.«
«Was passiert denn?«fragte ich.»Sie können Menschen nicht dazu bringen, daß sie gegen ihr Gewissen handeln.«
«Jedes Gewissen hat seinen Preis«, sagte er wütend und hängte augenblicklich ein. Das Telefon klickte ein paarmal, dann kam der Wählton, und ich legte den Hörer auf die Gabel, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Litsi schüttelte bedauernd den Kopf.»Jetzt ist er vorsichtig. Er hat nichts gesagt, was der Polizei als eine Drohung präsentiert werden könnte, die ihr Einschreiten erfordert.«
«Ihr solltet alle sein Papier unterschreiben«, sagte Beatrice bekümmert,»und aufhören, euch derart gegen die Ausweitung seines Unternehmens zu stellen.«
Niemand machte sich die Mühe, mit ihr zu diskutieren: Die Sache war schon zu oft durchgeackert worden. Statt dessen fragte Litsi die Prinzessin, ob sie etwas dagegen habe, wenn er und ich kurz wegführen. Sammy sei ja noch im Haus und könne nach dem Rechten sehen, bis John Grundy komme, und ich würde rechtzeitig zurücksein, um Danielle abzuholen.
Die Prinzessin erklärte sich mit dieser Regelung einverstanden, obwohl sie von dem Gedanken, wieder mit Beatrice allein zu sein, alles andere als hingerissen schien, und ich folgte Litsi mit Gewissensbissen, aber glücklich aus dem Zimmer.
«Wir nehmen ein Taxi«, sagte er,»zum Marylebone Plaza Hotel.«
«Da werden Sie doch nicht verkehren«, bemerkte ich mild.
«Wir treffen uns mit jemand. Er verkehrt dort.«
«Wer?«
«Jemand, der Ihnen etwas über Waffenhandel erzählen soll.«
«Ja?«sagte ich interessiert.»Und wer ist das?«
«Ich weiß es nicht genau. Wir gehen auf Zimmer elfhundertzwölf und unterhalten uns mit einem Mr. Mohammed. Das ist nicht sein richtiger Name, den möchte er uns lieber vorenthalten. Man hat mir gesagt, daß er uns helfen wird.«»Wie haben Sie ihn gefunden?«fragte ich.