Litsi lächelte.»Hab ich nicht direkt. Aber ich habe jemand in Frankreich gefragt, der sich auskennt… der mir sagen konnte, was in der Schußwaffenbranche läuft. Mr. Mohammed ist das Resultat. Geben Sie sich damit zufrieden.«
«Okay.«
«Sie heißen Mr. Smith«, sagte er.»Ich heiße Mr. Jones.«
«Umwerfend originell.«
Das Marylebone Plaza Hotel lag geographisch etwa drei Meilen vom Eaton Square entfernt und ökonomisch in einer anderen Welt. Das Marylebone Plaza war offen gesagt eine öde Absteige für mittellose Reisende, riesig, unpersönlich, eine Zuflucht für die Namenlosen. Ich war schon öfters daran vorbeigefahren, aber noch nie durch seine Tür getreten, und Litsi offensichtlich auch noch nicht. Wir überquerten jedenfalls den harten, grau gesprenkelten Fußboden der Halle und nahmen einen Fahrstuhl in den elften Stock.
Die Gänge oben waren eng, aber mit Teppich ausgelegt, die Beleuchtung spärlich. Wir schauten nach den Zimmernummern, fanden elfhundertzwölf und klopften an.
Es öffnete uns ein dunkelhäutiger Mann in einem feinen Anzug mit weißem Hemd, goldenen Manschettenknöpfen und ausdrucksloser Miene.
«Mr. Jones und Mr. Smith«, sagte Litsi.
Der Mann machte die Tür weiter auf und bedeutete uns einzutreten, und in dem Zimmer sahen wir einen zweiten, ähnlich gekleideten Mann, nur daß er zusätzlich noch einen massiven Goldring mit vier über Eck angeordneten Diamanten trug.
«Mohammed«, sagte er und streckte zur Begrüßung die Hand mit dem Ring aus. Er nickte über unsere Schultern seinem Freund zu, der schweigend zur Tür hinausging und sie hinter sich schloß.
Mohammed, vermutlich irgendwo zwischen Litsis Alter und meinem, hatte dunkle Augen, olivfarbene Haut und einen dicken, dunklen Schnurrbart. Der kostbare Ring fand ein Echo im auf dem Bett liegenden Lederkoffer und in der Uhr an seinem Handgelenk, die aussah wie aneinandergereihte Goldklumpen.
Er war guter Laune und entschuldigte sich für die Verabredung an einem» Ort, wo uns wohl niemand kennt.«
«Ich handle legal mit Waffen«, versicherte er uns.»Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen möchten, sofern Sie nicht weitererzählen, von wem Sie’s haben.«
Er entschuldigte sich nochmals dafür, daß der Raum nur mit einem einzigen Stuhl ausgestattet war, und bot ihn Litsi an. Ich lehnte mich an die Tischkante, Mohammed setzte sich auf das Bett. Rötliche Vorhänge waren vor dem Fenster, ein braun gemusterter Teppich auf dem Fußboden, der Bettbezug aus gestreifter Baumwolle, alles sauber und in gutem Zustand.
«Ich reise in einer Stunde ab«, sagte er, auf die Goldklumpen schauend.»Sie wollten sich nach Plastikwaffen erkundigen. Bitte fangen Sie an.«
«Ehm. «sagte Litsi.
«Wer stellt sie her?«fragte ich.
Mohammed richtete seinen dunklen Blick auf mich.»Die bekannteste«, erwiderte er direkt,»wird von Glock in Österreich hergestellt. Die Glock 17. «Er griff ohne Eile nach dem Koffer und ließ die Schlösser aufschnappen.»Ich habe Ihnen eine mitgebracht.«
Sein gebildetes Englisch wies einen Akzent auf, den ich nicht genau bestimmen konnte. Irgendwie arabisch, dachte ich. Eindeutig mediterran, nicht italienisch, französisch vielleicht.
«Die Glock 17«, sagte er,»besteht weitgehend aus Kunststoff, hat aber auch Metallteile. Künftige Waffen dieser Art können ganz aus Kunststoff gefertigt werden. Es handelt sich darum, die geeignete Materialformel zu finden.«
Er holte einen eleganten schwarzen Kasten aus dem Koffer.
«Diese Pistole ist mein rechtmäßiges Eigentum«, sagte er.»Trotz der Umstände unserer Zusammenkunft bin ich ein angesehener Händler.«
Wir versicherten ihm, daß wir nichts anderes vermutet hatten. Er nickte befriedigt und nahm den Deckel des Kastens herunter. Drinnen lag, wie ein Spielzeug in eine Hohlform gebettet, eine schwarze Pistole, dazu ein Ladestreifen und achtzehn goldene Patronen, die platten Böden nach oben, die Spitzen unsichtbar, säuberlich angeordnet in drei waagerechten Sechserreihen.
Mohammed nahm die Waffe aus dem Kasten.
«Diese Pistole«, sagte er,»hat zahlreiche Vorzüge. Sie ist leicht, sie ist billiger und einfacher herzustellen als jede Ganzmetallwaffe, und sie ist auch präziser.«
Er ließ die Informationen nach wahrer Kaufmannsart auf uns einwirken.
«Sie ist zerlegbar. «Er zeigte es uns, indem er den ganzen Verschluß der Pistole abzog, so daß darunter ein Metallrohr sichtbar wurde.»Das ist der metallene Lauf. «Er nahm ihn heraus.»Auch die Schließfeder ist aus Metall. Ebenso die Patronen. Das Griffstück und der Ladestreifen bestehen aus Plastik. Die Teile sind ganz leicht wieder in eins zu fügen. «Er setzte die Pistole rasch zusammen und ließ ihren Verschluß einrasten.»Außerordentlich leicht, wie Sie sehen. Leute, die diese Waffe benutzen, darunter auch einige Polizeikräfte, betrachten sie als großen Fortschritt, als den Vorläufer eines ganz neuen Handfeuerwaffenkonzepts.«
«Soll sie in Amerika nicht verboten werden?«sagte Litsi.
«Doch. «Mohammed zuckte die Achseln.»Änderungsantrag 4194 zu Artikel 18 erstrebt ein Einfuhr-, Produktions- und Verkaufsverbot für Waffen dieser Art, die nach dem 1. Januar 1986 gebaut worden sind. Und zwar, weil das Plastik nicht mit Röntgensuchgeräten entdeckt werden kann. Man befürchtet, daß Terroristen die Waffen durch Flughafenkontrollen schmuggeln und in Regierungsgebäude einschleusen.«
«Täten sie das denn nicht?«sagte ich.
«Mag sein. «Er zuckte die Achseln.»Ungefähr zwei Millionen Privatleute in den USA besitzen Handfeuerwaffen«, sagte er.»Sie halten es für ihr gutes Recht, Waffen zu tragen. Diese Pistole von Glock ist der Schritt in die Zukunft. Das führt womöglich zu einer breiten Entwicklung von Plastikdetektoren… und vielleicht dazu, daß jedes Handgepäck in Flugzeugen verboten wird außer Damenhandtaschen und flachen Aktenmappen, die von Hand durchsucht werden können. «Er blickte von mir zu Litsi.»Haben Sie mit Terrorismus zu tun?«
«Nein«, sagte Litsi.»Nicht direkt.«
Mohammed schien erleichtert.»Diese Waffe ist nicht für Terroristen erfunden worden«, sagte er.»Es ist ohne Einschränkung eine gute Pistole, mit allen Vorzügen.«
«Wir glauben Ihnen das «sagte ich.»Wie rentabel ist sie?«
«Für wen?«
«Für den Hersteller.«»Ah. «Er räusperte sich.»Das kommt darauf an. «Er überlegte.»Sie kostet weniger in der Herstellung und ist dadurch billiger im Verkauf als Metallwaffen. Insgesamt ist der Unterschied in der Gewinnspanne vielleicht nicht so groß, aber der Bruttogewinn hängt natürlich von der verkauften Stückzahl ab. «Er lächelte vergnügt.»Man rechnet damit, daß beispielsweise die zwei Millionen Leute in den USA, die schon Waffen besitzen, auf das neue Produkt werden umsteigen wollen. Das Neue ist besser, hat mehr Prestige und so weiter. Die Polizei dort hätte sie auch gern. Davon abgesehen dürstet die Welt nach brauchbaren Waffen. Amerikanische Privatleute besitzen sie ja meist aus historischen Gründen, zu Sport und Spiel oder des Machtgefühls wegen, nicht, weil sie Leute umbringen wollen. Aber vielerorts ist Töten der Zweck. Töten, Sicherheit und Abwehr. Der Markt ist weit offen für wirklich billige, gute, zuverlässige neue Pistolen. Zumindest eine Zeitlang, bis die Nachfrage gedeckt ist, könnten die Hersteller rasch zu viel ehrlichem Geld kommen.«
Litsi und ich hörten respektvoll zu.
«Wie steht’s mit unehrlichem Geld?«fragte ich.
Er zögerte nur kurz.»Es kommt darauf an, von wem wir reden.«
«Wir reden immer noch von dem Hersteller«, sagte ich.
«Aha. Eine Aktiengesellschaft?«
«Ein Privatunternehmen mit einem einzigen Mann an der Spitze.«
Er lächelte voll welterfahrenem Zynismus.
«So jemand kann seine eigenen Millionen drucken.«
«Inwiefern?«fragte ich.
«Die einfachste Methode«, sagte er,»ist, die Ware in zwei Teilen zu liefern. «Er nahm die Plastikpistole noch einmal auseinander.»Sagen wir, Sie packen alle Bestandteile in einen Kasten wie diesen und lassen nur den Lauf weg. Einen Lauf etwa aus einem Spezialplastik, das von der Reibungshitze des durchgehenden Geschosses weder schmilzt noch verbogen wird.«