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«Es tut mir leid«, sagte sie,»daß ich Ihnen Umstände mache.«

«Das tun Sie doch gar nicht.«

«Ich habe eben«, fuhr sie vorsichtig fort,»einen schweren Schock erlitten. Und ich kann es nicht erklären. «Sie brach ab und schüttelte den Kopf, bewegte verzagt die Hände. Mir schien trotz alledem, daß sie an einen Punkt gelangt war, wo ein gewisser Beistand willkommen sein könnte.

«Kann ich irgend etwas tun?«fragte ich neutral.

«Ich bin nicht sicher, wieviel ich verlangen darf.«

«Eine ganze Menge«, sagte ich ohne Umschweife.

Der Anflug eines Lächelns kehrte in ihre Augen zurück, verschwand aber rasch wieder.»Ich habe nachgedacht. «sagte sie.»Würden Sie, wenn wir in London sind, mit ins Haus kommen und warten, bis ich mit meinem Mann gesprochen habe?«

«Ja, natürlich.«

«Sie haben Zeit? Vielleicht… ein paar Stunden?«

«Immer«, versicherte ich ihr trocken. Danielle war zu Leonardo gefahren, und ohne sie wurde die Zeit lang. Ich unterdrückte das in mir aufsteigende Unglücksgefühl und fragte mich, was wohl die Prinzessin so erschüttert hatte. Monsieur de Brescous Gesundheit betraf es offenbar nicht. Vielleicht etwas Schlimmeres.

Während es draußen völlig dunkel wurde, fuhren wir etliche Kilometer schweigend weiter, die Prinzessin starrte wieder vor sich hin und seufzte, und ich hätte gern gewußt, was ich mit dem Kristallglas anfangen sollte.

Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte Thomas plötzlich:»Unter dem Aschenbecher an der Tür, Mr. Fielding, befindet sich ein Glashalter«, und ich begriff, daß er mein Dilemma im Rückspiegel mitbekommen hatte.

«Vielen Dank, Thomas«, sagte ich in den Spiegel und begegnete seinem amüsierten Blick.»Sehr aufmerksam.«

Ich klappte den Chromring hoch, der ähnlich aussah wie der Halter für einen Zahnputzbecher, und steckte das Glas hinein. Die Prinzessin blieb in unerfreuliche Vorstellungen versunken.

«Thomas«, sagte sie schließlich,»versuchen Sie bitte mal, ob Mrs. Jenkins noch im Haus ist? Wenn ja, möchte sie doch nachfragen, ob Mr. Gerald Greening heute abend vorbeikommen kann.«

«Ja, Madam«, sagte Thomas und drückte die Tasten des Autotelefons, auf das er im Fahren flüchtig herunterschaute.

Mrs. Jenkins arbeitete für die Prinzessin und Monsieur de Brescou als Sekretärin und persönliche Assistentin für alle Belange, eine junge, frisch verheiratete Frau, klein und blaß wie ein heimatloses Kind. Sie arbeitete nur werktags und machte pünktlich um fünf Feierabend, und nach meiner Uhr war es wenige Minuten davor. Thomas erwischte sie offenbar in der Tür und gab die Nachricht zur Zufriedenheit der Prinzessin durch. Sie sagte nicht, wer Gerald Greening war, sondern gab sich stumm wieder ihren grimmigen Gedanken hin.

Bis wir den Eaton Square erreichten, hatte sie sich körperlich völlig erholt und weitgehend auch seelisch. Trotzdem wirkte sie immer noch blaß und angegriffen und ließ sich von Thomas’ starker Hand aus dem Wagen helfen. Ich folgte ihr auf den Gehsteig, und sie betrachtete Thomas und mich einen Augenblick im Licht der Straßenlaternen.

«Tja«, sagte sie nachdenklich,»ich danke Ihnen beiden.«

Thomas sah immer so aus, als würde er bereitwillig für sie in den Tod gehen, statt sie nur vorsichtig zu den Rennen zu fahren, aber jetzt überquerte er weniger dramatisch den Gehsteig und schloß mit seinem Schlüsselbund die Haustür auf.

Sie und ich gingen hinein, während Thomas den Wagen wegbrachte, und stiegen die breite Treppe in den ersten Stock hinauf. Das Erdgeschoß des großen alten Hauses bestand aus Büros, einer Gästesuite, Bibliothek und einem Frühstückszimmer. Die Prinzessin und ihr Mann hielten sich vorwiegend oben auf; Gesellschafts-, Wohn- und Eßzimmer lagen im ersten Stock, Schlafzimmer in den drei Etagen darüber. Das Personal wohnte im Souterrain, und in neuerer Zeit hatte das Haus einen leistungsfähigen Lift erhalten, der Platz bot für Monsieur de Brescous Rollstuhl.

«Würden Sie im Wohnzimmer warten?«sagte sie.»Trinken Sie etwas. Wenn Sie Tee möchten, läuten Sie nach Dawson. «Die Gastgeberworte stellten sich ganz von selbst ein, doch ihre Augen waren ausdruckslos, und sie wirkte sehr müde.

«Ich komme schon zurecht«, sagte ich.

«Es kann aber lange dauern.«

«Ich werde hier sein.«

Sie nickte und ging die breite Treppe hinauf zum nächsten Stock, wo sie und ihr Mann jeder eine eigene Suite hatten und wo Roland de Brescou den größten Teil seiner Zeit verbrachte. Ich war nie dort oben gewesen, aber Danielle hatte seine Räumlichkeiten als ein Miniaturkrankenhaus beschrieben, nicht nur mit Schlaf- und Wohnzimmer, sondern einem Physiotherapieraum und einem zusätzlichen Zimmer für einen Pfleger.

«Was fehlt ihm?«hatte ich gefragt.

«Er hat irgendeine schreckliche Viruskrankheit. Was es genau ist, weiß ich nicht, aber keine Kinderlähmung. Die Beine haben ihm vor Jahren einfach den Dienst versagt. Darüber reden sie nicht viel, und du kennst sie ja, man kommt sich aufdringlich vor, wenn man fragt.«

Ich ging ins Wohnzimmer, das zum vertrauten Territorium für mich geworden war, und rief Dawson, den ziemlich erlauchten Butler an, um mir Tee kommen zu lassen.

«Sehr wohl, Sir «sagte er knapp.»Ist Prinzessin Casilia bei Ihnen?«

«Sie ist oben bei Monsieur de Brescou.«

Er sagte:»Ah«, und die Verbindung brach ab. Kurz darauf brachte er ein kleines Silbertablett mit Tee und Zitrone, aber ohne Milch, Zucker und Kekse.

«Hatten wir einen erfolgreichen Nachmittag, Sir?«fragte er, als er seine Last absetzte.

«Einen Sieg und einen dritten Platz.«

Er lächelte ein wenig, ein Mann von fast sechzig Jahren, genügsam und zufrieden mit seiner Arbeit.»Sehr erfreulich, Sir.«

«Ja.«

Er nickte und ging, und ich goß mir Tee ein und versuchte, nicht an Toast und Butter zu denken. Irgendwie hatte ich in der Winterpause im Februar drei Pfund zugenommen und rang deshalb jetzt mehr als sonst mit meinem Gewicht.

Das Wohnzimmer war komfortabel, mit geblümten Stoffen, Teppichen und warmem Lampenlicht, insgesamt freundlicher als der Satin und die Vergoldungen in dem sehr französischen Gesellschaftszimmer nebenan. Ich stellte den Fernseher an, um die Nachrichten zu sehen, schaltete ihn danach wieder aus und wanderte auf der Suche nach etwas Lesbarem umher. Flüchtig fragte ich mich auch, warum die Prinzessin gewollt hatte, daß ich warte, und was für eine Hilfe es eigentlich war, die sie meinte nicht verlangen zu können.

Der Lesestoff schien begrenzt auf ein Architekturmagazin in französischer Sprache und einen weltweiten Flugplan, und ich war im Begriff, mich für das zweite zu entscheiden, als ich auf einem Tischchen einen Faltprospekt über» Kunstseminare in anspruchsvollem Rahmen «entdeckte und mich mit Danielles Wochenende konfrontiert sah.

Ich setzte mich in einen Sessel und las die Broschüre von vorn bis hinten durch. Das Hotel, von dem auch Fotos abgebildet waren, wurde als aufwendig renoviertes Landhaus beschrieben, mit hinreißender Aussicht auf Wasserfälle und Seen, mit lodernden Kaminfeuern für die häusliche Gemütlichkeit.

Die Veranstaltungen wurden am Freitagabend um sechs mit einem Empfang eröffnet (der war also, während ich las, gerade im Gang), danach gab es Abendessen, danach ein Konzert mit Sonaten von Chopin im goldenen Gesellschaftszimmer.

Am Samstag begann das eigentliche Seminar. Der illustre Direktor der italienischen Gemäldeabteilung des Louvre hielt Vorträge über» Die Meister der italienischen Renaissance«. Am Morgen» Botticelli, Leonardo da Vinci, Raphaeclass="underline" Meisterwerke im Louvre«, und am Nachmittag» Giorgiones Ländliches Konzert und Tizians Laura Dianti: Das Cinquecento in Venedig«, alles untermalt von Dias zur Verdeutlichung von Stil und Technik. Diese Vorträge, hieß es in dem Prospekt, seien eine ganz besondere Ehre, denn der wahrscheinlich größte lebende Experte der italienischen Renaissancekunst spreche nur selten außerhalb Frankreichs.