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Am Samstagabend fand ein großes florentinisches Festmahl statt, eigens kreiert von einem Meisterkoch aus Rom, und am Sonntag wurden Fahrten zu den im Seengebiet gelegenen Häusern von Wordsworth, Ruskin und (auf Wunsch) Beatrix Potter veranstaltet. Abschließend gab es Nachmittagstee rund um den Kamin in der Großen Halle, und die Gesellschaft wurde sich auflösen.

Ich war selten unsicher, was mich oder das von mir gewählte Leben anging, aber als ich den Prospekt weglegte, kam ich mir hoffnungslos inkompetent vor.

Ich wußte so gut wie nichts über die italienische Renaissance und hätte da Vinci nicht auf hundert Jahre genau datieren können. Ich wußte, daß er die Mona Lisa gemalt und Hubschrauber und U-Boote entworfen hatte, aber das war so ziemlich alles. Über Botticelli, Giorgione und Raphael wußte ich genausowenig. Wenn Danielle ein tiefschürfendes Interesse an der Kunst hatte, würde sie dann je zu einem Mann zurückkehren, dessen Arbeit körperlich, banausisch und obendrein gefährlich war? Zu einem Mann, der in seinen Teenagerjahren Biologie und Chemie gemocht hatte und nicht studieren wollte. Zu jemandem, der es unbedingt vermieden hätte, dorthin zu gehen, wohin sie voller Lust gegangen war.

Ich zitterte. Ich konnte es nicht ertragen, sie zu verlieren, weder an tote Maler noch an einen lebenden Prinzen.

Die Zeit verstrich. Ich las die weltweiten Flugpläne und sah, daß es viele Orte gab, von denen ich noch nie gehört hatte, wo täglich, stündlich Leute ein- und ausflogen. Ich wußte viel zu vieles nicht.

Schließlich, um kurz nach acht, kam der gleichmütige Dawson wieder, bat mich nach oben, und ich folgte ihm zu der unbekannten Tür von Monsieur de Brescous privatem Wohnzimmer.

«Mr. Fielding, Sir«, kündigte Dawson mich an, und ich betrat einen Raum mit goldverbrämten Vorhängen, dunkelgrünen Wänden und dunkelroten Ledersesseln.

Roland de Brescou saß wie gewohnt in seinem Rollstuhl, und auf einen Blick war zu erkennen, daß er unter dem gleichen schweren Schock stand, den die Prinzessin erlitten hatte. Er sah stets hinfällig aus, schien jetzt aber dem Tod näher denn je; die blasse, graugelbe Haut straff gespannt über den Wangenknochen, die Augen starr und verstört. Vor langer Zeit war er wohl ein gutaussehender Mann gewesen, und ein edler Kopf mit weißem Haar, eine angeborene aristokratische Würde war ihm geblieben. Er trug wie immer einen dunklen Anzug mit Krawatte, machte keine Konzessionen an seine Krankheit. Alt und schwach mochte er sein, aber dennoch sein eigener Herr, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Seit meiner Verlobung mit Danielle war ich ihm einige Male begegnet, doch er war, wenn auch unfehlbar höflich, stets einsiedlerisch und ebenso zurückhaltend wie Prinzessin Casilia.

«Treten Sie ein«, sagte er, heiserer als sonst, mit seiner immer überraschend kräftigen Stimme.»Guten Abend, Kit. «Der französische Einschlag in seinem Englisch war so unauffällig wie bei der Prinzessin.

«Guten Abend, Monsieur«, sagte ich mit einer kleinen Verbeugung, denn er gab einem nicht gern die Hand; seine war so dünn, daß ein Händedruck ihm weh tat.

Die Prinzessin saß in einem Sessel. Sie hob müde die Finger zum Gruß, und als Dawson sich zurückzog und die Tür hinter mir schloß, sagte sie entschuldigend:»Wir haben Sie so lange warten lassen.«

«Darauf hatten Sie mich vorbereitet.«

Mr. Greening war, wenn ich nicht irrte, der Mann, der auf der einen Zimmerseite an der grünen Wand lehnte, die Hände in den Taschen, und auf seinen Fersen wippte. Mr. Greening, in Smoking und schwarzer Fliege, war kahl, dickbäuchig, und irgendwo Ende Fünfzig. Er betrachtete mich mit klugen Augen, taxierte mein Alter (einunddreißig), meine Größe (einsachtundsiebzig), meine Kleidung (grauer Konfektionsanzug) und womöglich mein Einkommen. Er sah aus wie jemand, der gewohnt ist, schnell zu urteilen, und nicht glaubt, was man ihm erzählt.

«Der Jockey«, sagte er in einem von Eton geprägten Tonfall.»Stark und kühn.«

Er war ironisch, was mich nicht störte. Ich lächelte ein wenig, ging die naheliegenden Kategorien durch und stieß auf eine Möglichkeit.

«Der Anwalt?«tippte ich.»Scharfsinnig?«

Er lachte und löste sich von der Tapete.»Gerald Greening«, sagte er nickend.»Rechtsanwalt. Wären Sie so freundlich, uns als Zeuge ein Dokument zu unterschreiben?«

Dazu war ich selbstverständlich bereit, obwohl es mich erstaunte, daß die Prinzessin mich nur deswegen so lange hatte warten lassen, aber das sprach ich nicht aus. Gerald Greening nahm ein Klemmbrett vom Couchtisch, schlug ein Blatt Papier zurück und bot Roland de Brescou einen Füllhalter an, um die zweite Seite zu unterzeichnen.

Mit einem zittrigen Schnörkel setzte der alte Mann seinen Namen neben ein rundes rotes Siegel.

«Jetzt Sie, Mr. Fielding. «Der Füller und das Klemmbrett kamen zu mir, und ich unterschrieb, wo er es mir sagte, indem ich das Brett mit dem linken Unterarm abstützte.

Die zweiseitige Urkunde, sah ich, war nicht auf der Maschine getippt, sondern in sauberen schwarzen Lettern handgeschrieben. Roland de Brescous Name und meiner zeigten die gleiche schwarze Tinte. Die Adresse und Berufsbezeichnung, die Gerald Greening ergänzend unter seine eigene Unterschrift setzte, stimmten mit der Handschrift des Textes überein.

Ein Schnellschuß, dachte ich. Morgen konnte es zu spät sein.

«Es ist zwar nicht erforderlich, daß Sie den Inhalt des von Ihnen bestätigten Dokuments kennen«, sagte Greening mir beiläufig,»aber Prinzessin Casilia besteht darauf, daß ich Sie einweihe.«

«Nehmen Sie Platz, Kit«, sagte die Prinzessin.»Es wird dauern.«

Ich setzte mich in einen der Ledersessel und warf einen Blick auf Roland de Brescou, der skeptisch dreinsah, als fände er es unergiebig, mich zu informieren. Er hat sicher recht, dachte ich, aber ich war unbestreitbar neugierig.

«Schlicht ausgedrückt«, sagte Greening, immer noch stehend,»besagt die Urkunde, daß Monsieur de Brescou, ungeachtet früherer und anderslautender Vereinbarungen, keine geschäftlichen Entscheidungen treffen darf ohne das Wissen, die Zustimmung und die beglaubigten Unterschriften von Prinzessin Casilia, Prinz Litsi«- er gab ihm mindestens die Hälfte seines vollen Namens —»und Miss Danielle de Brescou.«

Ich hörte verdutzt zu. Wenn Roland de Brescou doch voll geschäftsfähig war, weshalb sollte er dann so plötzlich die Verantwortung abtreten?

«Das ist eine einstweilige Regelung«, fuhr Gerald Greening fort.»Man könnte sagen, ein Sandsackbehelf, um das Wasser zurückzuhalten, während wir den Deich bauen. «Er schien zufrieden mit dem Vergleich, und es kam mir vor, als hätte er ihn schon öfter gebraucht.

«Und, ehm«, sagte ich,»besteht die Flutwelle aus etwas Bestimmtem?«Aber das mußte sie wohl, wenn sie die Prinzessin derart aus der Fassung gebracht hatte.

Gerald Greening drehte eine Runde durch das Zimmer, die Hände mitsamt Klemmbrett hinter seinem Rücken verschränkt. Ein ruheloser Geist in einem ruhelosen Körper, dachte ich und bekam Einzelheiten über die de Brescous zu hören, die weder die Prinzessin noch ihr Mann mir jemals selbst erzählt hätten.

«Sie müssen wissen«, sagte Greening belehrend,»daß Monsieur de Brescous Wurzeln in das Ancien regime zurückreichen, die Zeit vor der Revolution. Seine Familie ist alter Adel, auch wenn er selbst keinen Titel trägt. Man muß unbedingt verstehen, daß für ihn die persönliche und die Familienehre von größter Bedeutung sind.«

«Ja«, sagte ich.»Das verstehe ich.«