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Er starrte sie ungläubig an. »Ich - dir?«

Das Erstaunen auf seinem Gesicht verwandelte sich in Belustigung, und er begann zu lachen. »Ich gehöre niemandem«, sagte er zwischendurch. »Ich bin doch kein Niggersklave!« Er lachte so sehr, daß er sich über das Treppengeländer bog.

In Jeanettes Augen traten Tränen, und sie verpaßte dem Mann eine schallende Ohrfeige.

Schlagartig erstarb sein Gelächter. Quidors Gesicht wirkte ausdruckslos, aber in seinen Augen glomm ein gefährliches Feuer. Er wischte sich mit der Hand über die Wange, die Jeanettes Hand gespürt hatte.

»Niemand schlägt mich, schon gar nicht eine Frau«, sagte er leise.

Seine Faust krachte wuchtig unter Jeanettes Kinn und schleuderte sie über das Promenadendeck. Wie ein verwundetes Tier kauerte sie auf allen vieren auf den Planken und bedachte Quidor mit einem unergründlichen Blick. Blut tropfte aus ihrem Mund.

»Du verdammtes Miststück«, fluchte Quidor. »Sieh mich nicht so an, sonst werde ich.«

Ein gewaltiger Ruck, der durch das ganze Schiff ging, hinderte ihn am Weitersprechen. Er verlor den Halt, stürzte von der Treppe, rollte über die Planken und blieb ganz in Jeanettes Nähe liegen.

Überall auf der ONTARIO wurden Männer von den Füßen gerissen oder konnten sich nur mit Mühe irgendwo festhalten. Kisten stürzten um und Fässer, die durch den Frachtraum polterten oder über das Hauptdeck rollten. Das Schiff knarrte und ächzte wie unter einem gewaltigen Druck. Einer der Heizer fiel gegen die offene Feuerbüchse und zog sich schwere Verbrennungen an der Schulter zu.

Dann herrschte plötzlich Ruhe, nur unterbrochen von den Schreien und Flüchen der Besatzung. Die ONTARIO bewegte sich nicht mehr, schien mitten in dem reißenden Strom zu stehen.

»Eine Untiefe!« hörte Quidor einen der Männer auf dem Hauptdeck rufen. »Das Schiff ist auf eine Untiefe gelaufen!«

*

Benommen stand Max Quidor auf, ohne die Frau, die ganz in seiner Nähe lag, auch nur eines Blickes zu würdigen.

Die hinter der ONTARIO über dem Ohio aufsteigende Sonne, deren länglich verzerrtes Spiegelbild auf dem Fluß glitzerte, leuchtete bereits hell genug, um ihn die Lage erkennen zu lassen. Die Untiefe befand sich etwa in der Mitte des Flusses. In weiter Entfernung von beiden Ufern war der Dampfer gestrandet, wahrscheinlich auf einer Sandbank. Als Quidor zum Geländer lief und nach unten ins Wasser sah, glaubte er einen bräunlichen Schimmer unter dem Rumpf der ONTARIO zu sehen.

Er hetzte den Brückenaufgang hinauf und lief zum Ruderhaus, wo ihn ein konsternierter Dan Massey erwartete. Die geröteten Schweinsäuglein in Masseys aufgeschwemmtem Gesicht blickten Quidor in hündischer Ergebenheit an, als könnte der ehemalige Dampferkapitän dadurch der befürchteten Standpauke entgehen.

»Was ist passiert?« fragte Quidor im messerscharfen Tonfall.

»Das Schiff ist auf eine Sandbank gelaufen«, antwortete Massey leise und zögerlich.

»Idiot, das weiß ich selbst! Wie konnte das geschehen? Sie haben mir doch erzählt, daß Sie den Fluß gut kennen. So gut, daß Sie auch bei Nacht ein Schiff um die Untiefen steuern könnten!«

Quidor trat einen Schritt auf Massey zu, und der wich in eine Ecke zurück. Er sah aus wie ein Tier, das in eine Falle getreten war und jetzt dem Trapper gegenüberstand, der sein Gewehr schußbereit machte.

»Ich. ich habe nicht mehr an diese Stelle gedacht. Es ist drei Jahre her, daß ich zuletzt ein Schiff über den Ohio gesteuert habe. Wenn es schon richtig hell gewesen wäre, hätte ich die Sandbank bestimmt bemerkt.«

Diese Eröffnung bewahrte Massey nicht vor seiner Strafe, sondern machte Quidor nur noch wütender. Wie ein vom Blutgeruch erregtes Raubtier fiel er über den ehemaligen Dampferkapitän her und prügelte auf ihn ein, bis Massey nur noch ein wimmerndes, blutendes Bündel war, das vor ihm am Boden lag.

Toms Erscheinen im Ruderhaus ließ Quidor von seinem Opfer ablassen.

»Boß, wir sitzen fest. Was sollen wir jetzt tun?«

»Frag unseren Kapitän«, sagte Quidor verächtlich und zeigte auf Massey. »Für solche Fälle haben wir ihn schließlich engagiert.«

Der Flußschiffer reagierte nicht, sondern wimmerte mit zu Boden gewandtem Gesicht vor sich hin. Quidor rammte ihm die Stiefelspitze in den Bauch.

»Steh auf, Saufkopf, und tu etwas, um die ONTARIO wieder flottzumachen!«

Vor Angst fast schlotternd, zog sich Massey an einem kleinen Bord hoch. Die Augen in dem blutig geschlagenen Gesicht wagten kaum, Quidor anzusehen.

»Wenn wir rückwärts fahren, können wir vielleicht von der Sandbank runterkommen«, meinte er blutspuckend.

»Dann versuch es, verdammt!« fuhr ihn Quidor an.

Der Mann aus New York dachte daran, daß die Entführung der ONTARIO sicher schon längst entdeckt war. Wahrscheinlich wurde der Dampfer verfolgt. Jede Minute, die er auf der Sandbank festsaß, brachte die Verfolger näher.

Massey streckte seine zitternde Hand nach dem Maschinentelegrafen aus und legte sie um den Befehlshebel, den er von »Voll voraus« auf »Stopp« zurückgezogen hatte, als der Rumpf der ONTARIO über die Untiefe schrammte. Jetzt zog er den Hebel weiter nach hinten, bis er auf »Langsam zurück« stand.

Das Schaufelrad drehte sich wieder, jetzt in umgekehrter Richtung, und ein neuerlicher Ruck ging durch das Schiff, nicht so stark wie vor wenigen Minuten. Aber dabei blieb es auch. Die ONTARIO bewegte sich keinen Zoll von der Sandbank weg.

»Versuch es mit mehr Kraft!« verlangte Quidor von Massey.

Der verängstigte Mann dachte an das Schiff, das er vor drei Jahren an den Fluß verloren hatte. Er wollte so etwas nicht noch einmal erleben, wollte nicht noch einmal für den Tod vieler Menschen verantwortlich gemacht werden.

»Das ist sehr gefährlich«, sagte er deshalb. »Es könnte das Schiff zerreißen.«

»Wir müssen es versuchen!« sagte Quidor in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

Zögernd legte Massey den Befehlshebel um, bis er auf »Halb zurück« stand.

Wieder ging ein Ruck durch das Schiff, und wieder geschah sonst nichts.

»Versuch es mit voller Kraft zurück!« verlangte Quidor.

Massey schüttelte den Kopf. »Nein, das können wir nicht! Der Druck im Kessel könnte zu groß werden, und dann fliegt das ganze Schiff in die Luft.«

»Du erbärmlicher Feigling! Tu endlich, was ich dir befehle!«

Massey sah ihn an und schüttelte stumm den Kopf.

»Dann tu' ich es selbst«, stieß Quidor wütend hervor und wollte nach dem Befehlshebel greifen.

Aber der Flußschiffer stellte sich schützend vor den Maschinentelegraf. »Nein, Mr. Quidor, das dürfen Sie nicht tun! Sie werden uns alle töten!«

Quidor gab Tom ein Zeichen. Der Leibwächter zog Massey beiseite und schleuderte ihn so weit aus dem Ruderhaus heraus, daß er mit Kopf und Schultern auf die obersten Stufen des schmalen Treppenaufgangs fiel.

Entschlossen griff Quidor nach dem Befehlshebel und genoß für eine Sekunde das Gefühl der Macht über die gewaltige Schiffsmaschine. Er zog den Hebel ganz zu sich heran auf »Voll zurück«.

Er spürte unter seinen Füßen die Kraft, die er mit dieser kleinen Bewegung freigesetzt hatte. Das ganze Schiff vibrierte, als das Schaufelrad sich schneller und schneller drehte, das Wasser verdrängte und die ONTARIO aus der tückischen Falle zu ziehen versuchte.

Der Quittungsanzeiger, der die Schiffsbewegung auf dem Maschinentelegrafen bestätigte, zitterte, aber er verharrte weiterhin genau in der Mitte der Anzeigetafel, auf »Stopp«.

So wie die ONTARIO auf der Sandbank blieb, bebend und ächzend, als stände sie kurz vor dem Zusammenbruch.

»Hören Sie auf!« schrie Massey. »Gleich fliegt der Kahn in die Luft!«

Quidors Hand schwebte über dem Befehlshebel, griff plötzlich zu und schob ihn ruckartig auf »Stopp«.

Der Dampfer beruhigte sich allmählich. Das Schaufelrad stellte sein sinnloses Wühlen im schlammigen Wasser ein. Das Vibrieren und Ächzen erstarb.