Выбрать главу

Der Büffel sah ihn für einen Augenblick abschätzend an und polterte dann los: »Passen wir nicht, Mister!«

»Warum nicht?« fragte Jacob höflich.

»Weil wir uns nicht mit feigen Landratten an einen Tisch setzen. Und feige seid ihr beiden, sonst würdet ihr nicht einem Kampf auszuweichen versuchen.«

Bei diesen Worten wurde Jacob klar, daß sich ein Streit kaum würde vermeiden lassen. Rumpole schien auf eine Auseinandersetzung geradezu wild zu sein und glaubte, in den beiden Deutschen willige Opfer gefunden zu haben.

»Wir wollten nur höflich sein«, sagte Martin, der jetzt nicht mehr ganz so höflich klang wie eben. »Aber wenn Sie einen Kampf wollen, Mr. Rumpole, sollen Sie ihn haben. Allerdings finde ich vier gegen zwei ein wenig unfair.«

Ein kleiner untersetzter Mann mit leuchtend rotem Haar, Frederick Schulze, bahnte sich einen Weg zu dem Tisch und fragte, was los sei.

»Dieser Mr. Rumpole hier sucht einen Kampf«, antwortete Martin. »Ich wollte ihm gerade erklären, daß ich nichts dagegen habe, aber vier Männer gegen zwei ein wenig ungerecht finde.«

»Das stimmt allerdings«, befand der Inhaber des Hauses. »Wenn zwei Männer einen ehrlichen Faustkampf gegeneinander austragen, ist dagegen nichts einzuwenden. Nur sollte das nicht hier drinnen geschehen, sondern draußen auf dem Hof.«

Der Vorschlag fand begeisterte Zustimmung, und schon wurden die ersten Wetten abgeschlossen, bei denen der Matrose der eindeutige Favorit war. Offenbar waren er und seine Fäuste stadtbekannt.

Ehe Jacob und Martin sich versahen, fanden sie sich auf dem Hinterhof wieder, umringt von einer johlenden Menge. Auch Schulze war mit hinausgekommen und nahm die Position eines Kampfrichters ein.

Die Kontrahenten entblößten ihre Oberkörper. Auf Rumpoles muskelbepackten Armen tanzten weitere Tätowierungen, während seine Brust und sein Rücken seinem Gesicht nacheiferten und so dicht mit Haaren bedeckt waren, als sei der Matrose tatsächlich ein Büffel, der nur von einem Klabautermann in einen Menschen verwandelt worden war.

Als Rumpole seine Muskeln spielen ließ, erntete er begeisterte Zurufe seiner Freunde und der übrigen Zuschauer. Einige schlossen noch rasch letzte Wetten auf ihn ab.

Martin enthielt sich solcher Schaustücke. Er wollte die Sache nur schnell hinter sich bringen, weil sein Magen fast lauter knurrte, als die Menge johlte.

Schulze erläuterte kurz die Kampfregeln, wonach so gut wie alles erlaubt war, wenn es nur mit den bloßen Händen stattfand. Dann trat er zur Seite, und der menschliche Büffel rannte auch schon auf seinen Gegner los.

Martin ließ ihn dicht an sich herankommen, machte dann einen schnellen Schritt zur Seite und streckte gleichzeitig einen Fuß aus, über den Rumpole stolperte. Er wäre zu Boden gestürzt, hätte ihn nicht die Menge aufgefangen.

Wütend drehte er sich zu Martin herum, der ihm jetzt wieder in derselben Entfernung gegenüberstand wie zu Beginn des Kampfes. »Kannst du auch kämpfen, Dutch, oder nur davonrennen?«

Als »Dutch« bezeichneten die Amerikaner abfällig jeden Deutschsprachigen, obwohl es korrekterweise einen Holländer meinte. Rumpole gebrauchte den Ausdruck als bewußte Provokation, aber Martin blieb trotzdem ruhig.

»Vor dummen Ochsen nimmt man am besten Reißaus. Oder man prügelt etwas Verstand in ihr kleines Gehirn.«

Martins Antwort erheiterte die umstehenden Menschen und verdüsterte Rumpoles Gesichtsausdruck noch mehr.

»Warte nur, du feiger Hund!« stieß er hervor und stürmte erneut auf den Deutschen los.

Der blieb diesmal seelenruhig stehen und wandte eine ungewöhnliche Kampftechnik an, die Jacob schon bestaunt hatte, als sie sich in Hamburg beim gemeinsamen Kampf gegen eine Bande von Straßendieben kennengelernt hatten. Er streckte beide Arme lang aus, ballte die Hände zu Fäusten und drehte sich dann um seine eigene Achse. Erst traf seine rechte Faust den Angreifer am Hinterkopf und brachte ihn ins Wanken, dann warf Martins Linke ihn zu Boden.

Dort lag Rumpole zwanzig Sekunden reglos auf dem Bauch, bis er wieder zu sich kam und sich ächzend und fluchend erhob, Bart und Brusthaar staubbedeckt.

»Was ist, Rübezahl?« fragte Martin. »Genügt dir der Kampf?«

Rumpoles einzige Antwort war ein wütendes Schnauben, das ebenfalls an einen Büffel erinnerte. Wieder näherte er sich dem Deutschen, aber jetzt war er vorsichtig geworden, kam langsam Schritt für Schritt auf den anderen zu und hielt seine Fäuste wie einen Schutzschild vor sich.

Doch diese scheinbare Schwerfälligkeit täuschte. Als er Martin fast erreicht hatte, kam eine unerwartete Schnelligkeit in seine Bewegungen. Er schoß seine Fäuste auf den überraschten Deutschen ab und konnte einen rechten Schwinger an dessen Kinn landen.

Martins Unterlippe platzte auf, und Blut rann an ihr herunter, während der Bauernsohn zurücktaumelte. Bevor er wieder ganz zu sich kam, streckte ihn ein zweiter Faustschlag zu Boden.

Rumpole gönnte ihm keine Sekunde Ruhe und warf sich auf ihn, um ihn mit einem Trommelfeuer seiner Fäuste endgültig außer Gefecht zu setzen.

Doch mit einer geschickten Drehung seines Oberkörpers brachte Martin den Widersacher zu Fall und setzte sich rittlings auf ihn. Was Rumpole dem Deutschen zugedacht hatte, widerfuhr ihm jetzt selbst: Eine Serie von Faustschlägen prasselte auf ihn herab.

Als sich Rumpoles Niederlage abzeichnete, sprang einer seiner Gefährten vor. Es war der andere Mann mit Tätowierungen auf den Handrücken, ein schmächtiger, hagerer Kerl mit einem Bart, der nicht imposant, sondern nur schmierig wirkte. Er verließ sich nicht auf seine Fäuste. Ein Messer blitzte in seiner Rechten auf, und die Klinge zielte auf Martins Rücken.

Jacob reagierte geistesgegenwärtig und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Kampfplatz. Seine rechte Faust traf den Matrosen mit ganzer Wucht und streckte ihn nieder. Als der Hagere keine Anstalten traf aufzustehen, griff Jacob nach dem Messer und zerbrach die Klinge unter seiner Stiefelsohle.

Derweil hatte Martin seinen stark behaarten Gegner endgültig außer Gefecht gesetzt. Röchelnd lag Rumpole auf dem Boden und färbte mit dem Blut, das aus seinem aufgeplatzten Gesicht lief, die Erde unter sich rot.

»Tut mir leid, daß es soweit kommen mußte«, keuchte Martin, als er sich erhob. »Aber du hast es nicht anders gewollt, Freund.«

Langsam drehte Rumpole seinen Kopf und sah den Deutschen haßerfüllt an.

»Ich... bin... nicht... dein Freund«, flüsterte er kaum hörbar, wobei das Sprechen ihm große Mühe bereitete. »Du. wirst. hierfür. noch bezahlen!«

*

Als der Kampf zu Ende war, löste sich die Menge allmählich auf. Ein großer schlanker Mann, der das Geschehen aufmerksam verfolgt hatte, schritt durch die Straßen von Pittsburgh dem Hafenviertel zu, wo sein Geschäft lag, die »Alexander Marquand Freight Agency«.

Alec Marquand ging die Auseinandersetzung nicht aus dem Kopf. Männer, die sich durchzusetzen verstanden, auch gegen rohe Gewalt, beeindruckten ihn. Seltsamerweise dachte er dabei mehr an den Freund des deutschen Kämpfers, der den Messerhelden ausgeschaltet hatte. Vielleicht lag das daran, daß dieser Mann, wie Marquand, einen goldenen Ring im rechten Ohr trug. Es war Marquands Ehering, den er sich durchs Ohrläppchen hatte ziehen lassen, weil er das Gefühl haßte, daß etwas an seinen Fingern saß. Es störte ihn beim schnellen Ziehen. Und schnelles Ziehen war bei den Geschäften, die er betrieb, manchmal von Vorteil.

Die Sonne ging hinter den Häusern im Westen unter, als Marquand die kleine Gasse erreichte, in der sein Haus lag. Es war spät geworden, weil sich Marquand, nachdem er in Schulzes Restaurant mit einem Geschäftspartner zu Abend gegessen hatte, noch den Kampf angesehen hatte. Oben im Salon brannte Licht, und er bemerkte den schattenhaften Umriß seiner Frau Vivian hinter den Vorhängen. Er wollte noch ein paar Schreibarbeiten im Büro erledigen, bevor er zu ihr hinaufging und sich in ihren Armen von den Anstrengungen des Tages erholte.