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»Sprachen Sie von den beiden Rumpoles?« hakte Jacob nach.

»Allerdings, Bartholomew Rumpole und sein Vetter Jack. Jack ist die giftige Natter, die sich hinter Barts breitem Rücken oder hinter seinem Messer versteckt. Ohne seinen Vetter wäre der Messerheld ein Nichts, und das weiß er wohl auch. Deshalb hält er Bart stets den Rücken frei. Ich wollte Sie vor den beiden warnen. Die Drohung, die Bart nach dem verlorenen Kampf ausgestoßen hat, sollten Sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die Rumpoles sind für ihre Rauflust, ihre Rachsucht und ihre Hinterhältigkeit bekannt.«

»Vielen Dank für die Warnung«, sagte Martin. »Aber wir wollen uns nicht lange in Pittsburgh aufhalten. Sobald wir ein Schiff finden, das uns auf dem Ohio mitnimmt, fahren wir weiter. Am besten schon morgen.«

»Da haben Sie Pech. Heute erst, kurz vor Ihrer Ankunft, ist der Passagierdampfer ELIZABETH abgefahren. Das nächste reguläre Passagierschiff geht erst wieder in drei Tagen ab. Aber viele Frachtschiffe nehmen auch Passagiere mit. Am besten erkundigen Sie sich morgen im Hafen.«

»Das werden wir tun«, meinte Martin, während er herzhaft in das Kotelett biß.

Jacob wollte es nicht so recht schmecken. Er mußte ständig an Schulzes Warnung denken und an Bart Rumpoles Drohung gegenüber Martin: Du wirst hierfür noch bezahlen!

*

Von der Detonation des Schusses aufgeschreckt, eilte Vivian Marquand die schmale Treppe hinunter in die Geschäftsräume der Freight Agency. Als der Pulverrauch in ihre Nase stieg, wußte sie, daß sie sich nicht getäuscht hatte. Es war ein Schuß gewesen. Sie kannte den Geruch von Pulver nur zu genau. Spätestens seit dem Sklavenaufstand auf der Marquand-Plantage hatte er sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis gebrannt, ebenso wie der Geruch von verbranntem Fleisch.

Ihre Füße verfingen sich in dem langen Kleid aus grünem Samt, und sie stürzte hin, rappelte sich wieder auf und lief weiter zum rückwärtigen Büro. Die Sorge um Alec trieb sie voran. Ihr Mann allein war ihr geblieben, nachdem der kleine, fünf Jahre alte George in den Flammen ums Leben gekommen war.

In dem Büro war der Pulvergeruch noch stärker. Erst sah Vivian Marquand niemanden, dann fiel ihr Blick auf ein Paar Stiefel, das hinter dem Schreibpult hervorragte. Entsetzen griff nach ihrem Herz, als sie um das Pult herumrannte.

Da lagen die beiden Männer. Die Frau begriff sofort, was sich abgespielt hatte. Sie hatte nicht nur einen Schuß gehört, sondern zwei gleichzeitig; daher die laute Detonation. Nur flüchtig sah sie Ross Bowman an. Ihr Blick ruhte auf Alec, der seitlich auf dem Clerk lag und dessen Hemd und Weste sich auf der Brust rot gefärbt hatten.

Vivian war eine schöne Frau von dreiunddreißig Jahren mit einem schmalen, makellosen Gesicht und flammendrotem Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt trug und das einen wundervollen Kontrast zu dem Grün ihres Kleides bot. Aber jetzt verunstaltete Todesangst ihr Gesicht. Die Angst, mit Alec auch das letzte verloren zu haben, was sie am Leben hielt.

Sie fiel neben ihm auf die Knie, als sie ein schwaches Röcheln zu hören glaubte. Sie hielt ihre Hand vor Alecs Mund und spürte seinen Atem. Alec lebte!

Fast war es ein Wunder. Bowmans Kugel war ihm mitten in die Brust gedrungen, und er hatte einiges an Blut verloren.

»Halte aus, Liebster«, flüsterte sie. »Ich hole den Arzt.«

Sie wollte aufstehen, als Alec röchelnd ein paar abgehackte Worte hervorbrachte: »Nicht, den Arzt, zu gefährlich. Leiche muß. erst verschwinden.«

Vivians Blick fiel auf den jungen Mann, dessen lockiges Haar jetzt wirr in sein Gesicht fiel. Seine Augen blickten so starr ins Nichts, wie es nur die Augen eines Toten taten. Sie hatte viele Leichen gesehen damals auf der Plantage, aber Bowmans Anblick ließ sie frösteln.

»Wie?« fragte sie. »Was soll ich tun?«

»Nach Mitternacht. wenn. Straßen leer. in den Fluß.«

»Und wenn jemand den Schuß gehört hat?«

»Glaube ich kaum. nur Lagerhäuser. um uns herum.«

»Aber du kannst nicht so lange auf den Arzt warten, nicht bis nach Mitternacht, Alec! Du verlierst zuviel Blut!«

»Ich muß warten. bis morgen früh. dann dem Arzt sagen. Unfall beim Waffenreinigen.«

»Aber deine Blutung!«

»Du mußt. sie stillen. mich verbinden.«

Trotz seiner Schwäche lag wilde Entschlossenheit in Alecs Blick. Dieselbe Entschlossenheit, die er damals gezeigt hatte, als er um Vivian warb. Und als er ins lichterloh brennende Haus rannte, um den kleinen George herauszuholen -vergeblich.

Vivian wußte, daß ihr Mann nicht von seinem Entschluß abrücken würde, auch wenn es um sein Leben ging. Seit dem Verlust der Plantage und Georges Tod kannte Alec nur ein Ziel - den Nordstaaten zu schaden. Deshalb hatte er sich beim Geheimdienst der Konföderierten verdingt und hatte mit dem Rest seines Vermögens die Frachtagentur in Pittsburgh aufgebaut. Vivian unterstützte ihn bei allem, denn auch sie hatte einen unbändigen Haß auf alles entwickelt, was die blaue Yankee-Uniform trug und vor dem Sternenbanner salutierte.

Sie holte ein sauberes Tischtuch von oben, riß es in Streifen und legte einen straffen Verband um Alecs Wunde. Dann schaffte sie ihren Mann, der sich kaum auf den Beinen halten konnte, mit einer übermenschlichen Anstrengung hinauf ins Bett. Dabei brach die Wunde wieder auf, und sein Verband war blutdurchtränkt. Sie wusch die Wunde mit hochprozentigem Whiskey aus und legte einen neuen Verband an.

Anschließend eilte sie wieder hinunter ins Büro, um die Spuren des Kampfes zu beseitigen. Sie zog Bowmans Leiche in eine Abstellkammer; noch herrschte draußen zuviel Betrieb, um sie zum Ohio zu schaffen. Vivian sammelte die Waffen und Bowmans Taschenbuch ein und wischte überall die Blutspuren ab.

Als sie wieder nach oben kam, hörte sie ihren Mann nach ihr rufen. Von Panik erfüllt, lief sie ins Schlafzimmer.

»Was hast du, Alec?«

»Ich muß dir noch etwas Wichtiges sagen. Vielleicht bin ich morgen früh zu schwach dazu. Du mußt jetzt die Fracht auf der ONTARIO begleiten.«

»Die Revolverkanonen, die Max Quidor aus New York geschickt hat?«

Alec nickte. »Die Yankees vor Vicksburg erhalten fast täglich neue Truppen. Wenn sich Grant stark genug fühlt, wird er den Großangriff befehlen. General Pemberton ist auf die Waffen angewiesen, wenn er die Stadt halten will. Aber es gibt ein Problem.«

»Welches?«

»Unser Kontaktmann in Cairo weiß nicht, mit welchem Schiff die Waffen kommen. Er weiß auch nicht, wer sie ihm bringt. Er wartet auf einen Mann mit einem goldenen Ohrring.«

Vivian sah ihren Mann entsetzt an. »Du kannst unmöglich morgen mit der ONTARIO fahren, Alec!«

»Ich weiß. Deshalb mußt du mitfahren und auf die Ladung achten. Es ist der wichtigste Transport, den wir jemals hatten. In Schulzes Hotel wohnen zwei Deutsche, die ein Schiff suchen. Ich habe gehört, wie sie sich unterhielten, als sie in den Speisesaal kamen. Einer von ihnen trägt einen goldenen Ring im rechten Ohr!«

»Ich verstehe«, murmelte Vivian, und ihre besorgten Züge hellten sich ein klein wenig auf.

*

Jacob und Martin nahmen ihr Frühstück in Schulzes Restaurant ein. Irene war auf dem Zimmer geblieben, weil Jamie sehr unruhig war und immer wieder zu weinen begann.

Die beiden Freunde wollten sich gerade erheben, um sich auf die Suche nach einer Schiffspassage zu machen, als Vivian Marquand an ihren Tisch trat. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm mit einem farblich dazu passenden Hut, unter dem ihre roten Locken hervorquollen. Der Anblick dieser schönen, eleganten Dame ließ die beiden Männer für Sekunden in sprachlosem Staunen verharren.

»Sie müssen Mr. Adler und Mr. Bauer sein«, sagte die Frau mit einem gewinnenden Lächeln.

Die beiden Männer nickten überrascht.