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»Woher kennen Sie uns?« fragte Jacob.

»Ich habe mich bei Mr. Schulze nach Ihnen erkundigt. Man erzählt sich in der Stadt, daß zwei deutsche Auswanderer dringend eine Schiffspassage suchen.«

»Das ist wahr«, bestätigte Jacob.

»Ich möchte Sie fragen, ob Sie auf der ONTARIO fahren möchten. Das ist ein Dampfer, der in zwei Stunden ausläuft. Oder haben Sie schon eine Passage?«

Äußerlich wirkte die Frau gelöst, dabei war Vivian Marquand bis zum Zerreißen angespannt. Von der Antwort der Deutschen hing ab, ob ihr Plan gelang, das eingeschlossene Vicksburg mit Waffen und Munition zu versorgen. Alec und Vivian hatten so viel in die Sache investiert, daß sie einfach nicht schiefgehen durfte.

Alec hätte es fast das Leben gekostet. Zum Glück hatte er die Nacht überstanden. Früh am Morgen hatte sie Dr. Watkins geholt, der die Kugel herausoperiert hatte. Wenn es keine Komplikationen gab, würde sich Alec erholen, hatte der Arzt gesagt; der Verwundete brauchte nur viel Ruhe.

Noch in der Nacht hatte Vivian Bowmans Leiche zusammen mit ein paar schweren Steinen in einen Sack eingenäht und die grausige Fracht im Schweiße ihres Angesichts zum Ohio geschleppt. Sie hatte die Leiche im Hafenbecken versenkt und hoffte, daß sie dort auf ewig liegen würde.

»Wir haben noch keine Passage«, beantwortete Jacob ihre Frage. »Was kostet denn die Fahrt auf der ONTARIO?«

»Für Sie gar nichts. Im Gegenteil, Sie bekommen noch Geld dafür. Ich zahle jedem von Ihnen einen halben Dollar pro Tag, bis wir in Cairo sind.«

Martin bekam vor Überraschung den Mund nicht mehr zu, und Jacob sagte: »Das habe ich noch nie gehört, daß man als Passagier auf einem Schiff auch noch für die Reise bezahlt wird. Bis jetzt dachte ich immer, es sei umgekehrt.«

»Die ONTARIO ist kein Passagierschiff, sondern ein Frachtdampfer. Und Sie reisen auch nicht als Passagiere, sondern als Frachtbegleiter. Mein Mann betreibt eine Frachtagentur und wollte die Reise mit Mr. Bowman, unserem Angestellten, machen. Aber Alec, mein Mann, hat sich heute morgen beim Waffenreinigen verletzt. Und Mr. Bowman ist nicht zur Arbeit erschienen und ist auch in der Pension, in der er wohnt, nicht zu finden. Jetzt suche ich zwei kräftige Männer, die mich auf der Reise begleiten.«

Jacobs anfänglich begeistertes Gesicht verdüsterte sich.

»Was haben Sie?« fragte Vivian.

»Wir reisen nicht allein«, antwortete er und erzählte von Irene und dem Kind.

»Daran soll es nicht scheitern«, sagte die rothaarige Frau, nachdem sie kurz überlegt hatte. »Die beiden können mitfahren. Ich werde das mit dem Kapitän regeln.«

Vivian dachte daran, daß eine junge Mutter und ihr kleines Kind an Bord gut wären, um einen etwaigen Verdacht, die ONTARIO könne Schmuggelware befördern, zu zerstreuen.

»Was für eine Fracht wollen Sie eigentlich nach Cairo bringen?« fragte Jacob.

»Fleischkonserven.«

»Fleischkonserven?« wiederholte der Deutsche enttäuscht. »Ich hatte an etwas Wertvolleres gedacht, weil Sie zwei Männer zur Begleitung anheuern.«

»Im Krieg sind Nahrungsmittel knapp, und Fleisch ist nicht gerade billig. Aber es geht weniger um die konkrete Ladung als um die Sicherheit des Transports. In den letzten Monaten sind mehrere Frachtladungen einfach irgendwo zwischen hier und Cairo verschwunden. Deshalb möchten mein Mann und ich sicherstellen, daß diesmal alles glattgeht. Der gute Ruf unserer Agentur steht auf dem Spiel.«

»Wie konnte das passieren?« wollte Martin wissen.

»Keine Ahnung. Seit Kriegsausbruch treibt sich viel Gesindel in der Gegend herum. Eine Menge Deserteure verstecken sich in den Wäldern am Fluß.«

»Hoffen wir, daß es keine Schwierigkeiten gibt«, sagte Jacob und stand auf, um Irene die gute Neuigkeit mitzuteilen.

*

Eine Stunde nach der Begegnung mit Vivian Marquand gingen Jacob, Martin und Irene die Liberty Street hinunter, immer an den Gleisen der Pennsylvania Rail Road entlang, zum Hafen. Irene hielt Jamie auf den Armen, der sich in der frischen Luft rasch beruhigte. Die Männer trugen das Gepäck.

»Hoffentlich macht es dir nichts aus, auf einem Frachter zu fahren, Irene«, sagte Jacob. »Ich schätze, die Matrosen werden nicht an weibliche Gesellschaft gewöhnt sein. Nach der Erfahrung, die Martin und ich gestern mit diesen RumpoleVettern gemacht haben, dürften sie rauhe Burschen sein.«

»Die Seeleute auf der ALBANY waren auch nicht gerade Klosterbrüder«, meinte Irene über das Schiff, mit dem sie von Hamburg nach New York gefahren waren. »Außerdem ist ja Mrs. Marquand auch an Bord. Wir zwei werden euch Männer schon erziehen.«

»Das heißt, wir müssen uns auch an Bord täglich waschen?« fragte Martin mit vorgetäuschtem Entsetzen.

»Wenn nicht, sage ich Jamie, er soll euch in den Fluß werfen«, sagte Irene lachend.

Als sie am Ende der Liberty Street auf den Monongahela River stießen, wandten sie sich nach rechts und gingen auf die Landzunge mit den Befestigungsanlagen des alten Fort Duquesne zu. So hatten die Franzosen die Stadt bei ihrer Gründung im Jahre 1754 genannt. Fünf Jahre später zogen die Briten ein und tauften den Ort nach ihrem Premierminister Fort Pitt, woraus dann Pittsburgh wurde. An der Landzunge, wo sich der Monongahela und der Allegheny zum Ohio River vereinigten, sollte nach Vivian Marquands Angaben die ONTARIO liegen.

Ein zwölfjähriger Junge zeigte ihnen den Weg zur Anlegestelle des Frachtdampfers, der zwischen all den anderen Frachtern wirklich schwer auszumachen war.

Es war ein eher kleines Schiff, das durch ein Heckschaufelrad angetrieben wurde und nicht, wie die meisten der hier liegenden Schiffe, durch Seitenschaufelräder. Wie die Freunde später erfuhren, war das in gewissen Situationen ein Vorteil, denn ein Heckschaufelrad war vor im Fluß treibenden Baumstämmen besser geschützt.

Die Auswanderer suchten sich einen Weg durch das Gewirr von Kisten und Fässern, das die Anlegestelle umgab.

»Es wundert mich, daß die Schiffsbesatzungen bei diesem Durcheinander wissen, welche Fracht zu welchem Schiff gehört«, schimpfte Martin, als er schmerzhaft mit dem Knie gegen eine scharfkantige Kiste gestoßen war.

Auf der ONTARIO traf man die letzten Vorbereitungen für die Abfahrt. Ein paar Fässer wurden noch über eine Rampe an Bord gerollt und auf Deck vertäut.

Da die Deutschen niemanden sahen, an den sie sich wenden konnten, gingen sie einfach über die Rampe an Bord, wo sie nach dem Kapitän oder einem anderen Schiffsoffizier Ausschau hielten.

»Ich glaube es kaum, die Landratten!« erscholl auf einmal eine Stimme hinter ihnen. »So schnell sieht man sich wieder.«

Sie drehten sich um und sahen sich zu ihrer Überraschung den beiden Rumpoles gegenüber.

Der menschliche Büffel richtete seinen Blick auf Martin und öffnete den wild umwucherten Mund zu einem gemeinen Grinsen, das verfaulte, gelbschwarze Zähne offenbarte. »Ich habe dir doch gesagt, daß du für die Sache im Restaurant noch bezahlen wirst, Dutch. Ich hätte allerdings nicht gedacht, daß du freiwillig an Bord der ONTARIO kommst, um die Rechnung zu begleichen.«

Er griff zwischen einen Kistenstapel und zog ein dickes Tauende hervor, das vom restlichen Tau abgeschnitten worden war. Das ließ er durch die Luft sausen wie eine Peitsche.

Sein Vetter zog das scheinbar unvermeidliche Messer aus der Jackentasche und klappte es mit einer genüßlichen Handbewegung auf. Entweder besaß er eine ganze Sammlung, oder er hatte sich rasch eine neue Waffe besorgt.

Den anderen Matrosen war die sich anbahnende Auseinandersetzung nicht entgangen, und sie scharten sich um die Kontrahenten. Einer fragte, um was es denn ginge.

»Eine Privatsache zwischen den beiden Dutchmen und Jack und mir«, antwortete Bart Rumpole. »Also mischt euch nicht ein, Boys!«

»Wenn euch die Lektion gestern abend nicht gereicht hat, sind wir bereit, sie zu wiederholen«, sagte Jacob. »Aber laßt die Frau und das Kind aus dem Spiel. Sie haben nichts mit unserem Streit zu tun.«