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Renmei und ihr Kind, – natürlich war es genauso mein Kind – sind tot.

Selbstverständlich kann ich tausend Gründe anführen und mich von der Schuld freisprechen, natürlich auch die Verantwortung dafür komplett meiner Tante zuschieben, der Truppe, Yuan Backe; ich könnte sogar bei Renmei die Verantwortung suchen, – zig Jahre habe ich das auch getan – aber jetzt ist mir deutlich wie nie zuvor zu Bewusstsein gekommen, dass ich der einzige Schuldige und Erzverbrecher bin.

Ich habe meine Renmei und unser Kind wegen sogenannter guter »Zukunftsperspektiven« zur Hölle fahren lassen.

Dass ich mir einbilde, das Kind, das Augenbraue geboren hat, sei die Wiedergeburt des im Fegefeuer leidenden toten Babys von Renmei, ist Selbstbetrug. Ich versuche mich mit dieser Vorstellung zu trösten. So, wie es meine Tante über das Modellieren der Niwawa-Tonkinder macht.

Jedes Kind ist immer einzigartig und lässt sich durch nichts und niemals ersetzen.

Ist die Hand ein für alle Mal blutbefleckt und lässt sie sich niemals mehr reinwaschen? Ist die Seele darin gefangen, dass sie sich eines Verbrechens schuldig fühlt, und muss sie es ewig bleiben? Oder ist Rettung möglich?

Liebster Freund, ich warte sehnlichst auf Ihre Antwort.

Kaulquappe

3. Juni 2009

Liebster Freund!

Endlich habe ich das Theaterstück fertiggestellt.

In meinem realen Leben geschehen immer Dinge, die mit seiner Handlung eng verwoben sind, so dass ich während des Schreibens manchmal nicht zu unterscheiden vermag, ob ich die Realität aufzeichne oder ob ich mich gerade zu Fiktivem inspirieren lasse.

Ich habe nur fünf Tage gebraucht, um das Stück zu beenden. Ich fühlte mich dabei wie ein kleines Kind, das begierig ist, seinen Eltern das, was es gesehen hat, und das, was es sich dabei gedacht hat, eilig zu erzählen.

Wenn ein fast Sechzigjähriger sich mit einem Kind vergleicht, nimmt man ihm das nicht unbedingt ab, sondern vermutet, dass er irgendetwas verschleiert. Aber ich empfinde wirklich so.

Das Stück soll Gugus Lebensgeschichte enthalten. Diese soll wie ein Organismus sein, so wie ein Organismus aus einzelnen Körperteilen besteht.

Wenn in der Handlung etwas vorkommt, das im tatsächlichen Leben nicht geschehen ist, dann habe ich es aber psychisch wirklich so erlebt. Deswegen rechne ich es dem real Vorgefallenen zu.

Sugitani san, ich hatte angenommen, dass das Schreiben ein Weg für mich wäre, die eigenen Verbrechen zu sühnen. Aber als ich das Stück fertig geschrieben hatte, war mein Gewissen keineswegs entlastet, sondern ich trug an meiner Last, Verbrechen begangen zu haben, schwerer, schwerstens.

Renmei und ihr Kind, – natürlich war es genauso mein Kind – sind tot.

Selbstverständlich kann ich tausend Gründe anführen und mich von der Schuld freisprechen, natürlich auch die Verantwortung dafür komplett meiner Tante zuschieben, der Truppe, Yuan Backe; ich könnte sogar bei Renmei die Verantwortung suchen, – zig Jahre habe ich das auch getan – aber jetzt ist mir deutlich wie nie zuvor zu Bewusstsein gekommen, dass ich der einzige Schuldige und Erzverbrecher bin.

Ich habe meine Renmei und unser Kind wegen sogenannter guter »Zukunftsperspektiven« zur Hölle fahren lassen.

Dass ich mir einbilde, das Kind, das Augenbraue geboren hat, sei die Wiedergeburt des im Fegefeuer leidenden toten Babys von Renmei, ist Selbstbetrug. Ich versuche mich mit dieser Vorstellung zu trösten. So, wie es meine Tante über das Modellieren der Niwawa-Tonkinder macht.

Jedes Kind ist immer einzigartig und lässt sich durch nichts und niemals ersetzen.

Ist die Hand ein für alle Mal blutbefleckt und lässt sie sich niemals mehr reinwaschen? Ist die Seele darin gefangen, dass sie sich eines Verbrechens schuldig fühlt, und muss sie es ewig bleiben? Oder ist Rettung möglich?

Liebster Freund, ich warte sehnlichst auf Ihre Antwort.

Kaulquappe

3. Juni 2009

Frösche

Schauspiel in neun Aufzügen

Personen

GUGU:

Frauenärztin im Ruhestand, über siebzig

KAULQUAPPE:

Wan Kaulquappe, Dramatiker, Stückeschreiber, Gugus Neffe, Mitte fünfzig

KLEINER LÖWE:

Gugus ehemalige Assistentin, Kaulquappes Gattin, Ende fünfzig

AUGENBRAUE:

mit Nachnamen Chen, Leihmutter, zwanzig Jahre alt, Überlebende einer Brandkatastrophe, Schwerstbrandopfer mit schlimmsten Entstellungen

CHEN NASE:

Chen Augenbraues Vater, Kaulquappes Grundschulklassenkamerad, Pennbruder, Mitte fünfzig

YUAN BACKE:

Kaulquappes Grundschulklassenkamerad, Chef der »Froschfirma« und einer klandestinen »Leihmütteragentur«, Mitte fünfzig

KLEINER COUSIN JINXIU:

Kaulquappes Cousin, Backes Angestellter, Mitte vierzig

LI HAND:

Kaulquappes Grundschulklassenkamerad, Restaurantbesitzer, Mitte fünfzig

REVIERFÜHRER:

Polizeihauptmeister, Mitte vierzig

XIAO WEI:

Polizistin, hat gerade die Polizeischule absolviert und ist Anwärterin zur Polizeimeisterin, Mitte zwanzig

HAO GROSSE HAND:

Großmeister der volkstümlichen Lehmkunst

QIN STROM:

Meister der volkstümlichen Lehmkunst, herausragender Künstler, Gugus ewiger Verehrer

LIU GUIFANG:

Kaulquappes Grundschulklassenkameradin, Leiterin des Gästehauses der Kreisregierung

GAO MENGJIU:

Kreismagistrat zu Zeiten der Republik China, also vor Errichtung des kommunistischen Staates in China. Sein historischer Name lautet Cao Mengjiu Qingtian, man vergleicht ihn immer mit Richter Bao, dem sagenhaften, gerechten Richter Bao Qingtian

Amtsdiener I und einige Amtsdiener im Mandariat

Zwei Männer des Sicherheitsdienstes der Klinik

Zwei Schwarzvermummte

Fernsehkamerateam

TV-Reporterin und weitere Kollegen des Fernsehteams

Erster Aufzug

Vor der Chinesisch-Amerikanischen Mutter-und-Kind-Klinik. Am Haupteingang der Klinik fällt auf, dass alles prächtig hergerichtet ist. Regierungsvertreter scheinen vor Ort zu sein oder erwartet zu werden. Am marmornen Portal des Haupteingangs fällt am linksseitigen Torbogen der Zufahrt das Namensschild der Klinik ins Auge.

Rechts vom Portal und dem Hauptkliniktor ist eine überdimensionale Hinweistafel zu sehen. Diese Tafel zeigt ein Kaleidoskop aus einigen hundert Fotos von Säuglingen in allen möglichen Posen.

Ein Wachmann in grauer Uniform steht kerzengerade, eine Hand an der Hosennaht, die andere zum militärischem Gruß erhoben, links neben der Auffahrt des Haupteingangs, über die sich große Luxuslimousinen wie eine nicht enden wollende Schlange auf das Krankenhausgelände hinauf- und wieder hinunterschieben. Weil der Wachmann den militärischen Gruß übertrieben ausführt, ist die Ernsthaftigkeit dahin und er wirkt lächerlich.