XIAO WEI: Wenn du für Geld nicht empfänglich bist, warum arbeitest du dann als Leihmutter?
AUGENBRAUE: Habe ich gesagt, dass ich kein Geld mag?
XIAO WEI: Das hast du gerade wörtlich gesagt.
AUGENBRAUE: (erinnert sich)
Mir fällt es jetzt wieder ein. Weil mein Vater einen Verkehrsunfall hatte und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, deswegen habe ich eingewilligt, eine Leihmutterschaft zu übernehmen, damit ich seine Krankenhauskosten bezahlen konnte.
XIAO WEI: Du besitzt wahrlich Kindespietät. Und das bei solch einem Vater. Ob er tot oder lebendig ist, spielt doch eigentlich gar keine Rolle.
AUGENBRAUE: Darüber habe ich natürlich auch nachgedacht. Aber er ist schließlich doch mein Vater.
XIAO WEI: Deswegen sage ich ja, du besitzt eine beispielhafte Kindespietät.
AUGENBRAUE: Ich bin mir sicher, dass mein Kind lebt. Weil ich seinen ersten Lebensschrei gehört habe. Horch mal! Es weint schon wieder.
Ach, mein liebes Kind, nicht einen einzigen Schluck Milch durftest du bei deiner Mutter trinken. Mein armes, armes Kind.
(der Revierführer kommt zur Tür herein)
REVIERFÜHRER: Was ist das hier für ein Gejaule? Wenn’s was zu sagen gibt, dann bitte vernünftig, Wort für Wort!
AUGENBRAUE: (am Boden kniend)
Weiser Richter Bao, wollen Richter Bao sich für Eure Magd einsetzen und den Prozess führen?
REVIERFÜHRER: Was ist hier los? Der reinste Hühnerhof!
XIAO WEI: (mit gedämpfter Stimme)
Revierführer, das hier ist sehr wahrscheinlich ein erschütternder Fall von größerer Bedeutung!
(händigt dem Revierführer das Protokoll aus, der schaut einmal kurz darüber)
Es handelt sich offensichtlich um organisiertes Verbrechen auf den Gebieten Prostitution und Menschenhandel mit Säuglingen.
AUGENBRAUE: Weiser Richter Bao, ich flehe Euch an, rettet bitte mein Kind!
REVIERFÜHRER: Ist gut, Bürgerin Chen Augenbraue. Wir haben den von dir geschilderten Fall aufgenommen. Wir werden Richter Bao bestimmt davon in Kenntnis setzen. Du kannst jetzt gehen und unsere Nachricht abwarten.
(Augenbraue verlässt die Bühne)
XIAO WEI: Revierführer!
REVIERFÜHRER: Du bist neu hier und kennst dich mit den hiesigen Gepflogenheiten nicht aus. Diese Frau ist eins der Schwerbrandopfer der Dongli-Plüschtierfabrik. Sie ist geistig verwirrt. Man sollte Mitleid mit ihr haben, aber wir können ihr nicht helfen, selbst wenn wir es möchten.
XIAO WEI: Revierführer, ich habe gesehen ...
REVIERFÜHRER: Was hast du gesehen?
XIAO WEI: (geniert sich)
Aus ihren Brüsten tropft Milch.
REVIERFÜHRER: Das wird Schweiß gewesen sein. Xiao Wei, du bist neu im Revier, frisch im Beruf. Wenn man unseren Job machen will, muss man immer wachsam sein und niemals sensibel. Die Nerven dürfen nicht verrücktspielen.
Ende des dritten Aufzugs
Vierter Aufzug
Gleiches Bühnenbild wie zweiter Aufzug.
Hao Große Hand und Qin Strom formen Tonkinder, jeder vor seiner eigenen Werkbank.
Ein Mann mittleren Alters, gekleidet in einen zerknitterten grauen Anzug, mit einer roten Krawatte um den Hals, in der Brusttasche einen Füllfederhalter und eine Aktentasche unter den Arm geklemmt, betritt leise, verstohlen die Bühne.
GROSSE HAND: (schaut gar nicht auf)
Kaulquappe, du schon wieder!
KAULQUAPPE: (bewundernd, respektvoll)
Onkel Hao, du hast übernatürliche Fähigkeiten. Dein Gehör sagt dir, dass ich es bin.
GROSSE HAND: Ich habe dich nicht kommen hören, ich habe dich gerochen!
QIN STROM: Der Geruchssinn eines Hundes ist zehntausendmal besser als der eines Menschen.
GROSSE HAND: Wag es nicht, mich zu beschimpfen!
QIN STROM: Habe ich dich beschimpft? Ich habe nur gesagt, dass Hunde einen zehntausendmal besseren Geruchssinn besitzen als Menschen.
GROSSE HAND: Du hörst also immer noch nicht auf damit?
(knetet rasch ein Gesicht, das die Gesichtszüge von Qin Strom trägt, hält es hoch, lässt Kaulquappe und Qin Strom einen Blick darauf werfen, um es sodann mit Schwung auf den Boden zu pfeffern)
Dich unverschämte Person werfe ich auf dem Boden platt.
QIN STROM: (formt blitzschnell Große Hands Gesicht, hebt es hoch, damit Kaulquappe es sehen kann, und schmeißt den Klumpen mit aller Kraft zu Boden)
Ich werfe dich alten Hund platt!
KAULQUAPPE: Onkel Hao und Onkel Qin, streitet euch nicht! Ihr beiden Großmeister, was ihr da gerade modelliert habt, sind zwei großartige Kunstwerke gewesen. Zu schade, dass ihr sie zerstört habt!
GROSSE HAND: Hör auf, überflüssiges Zeug zu reden. Sonst modellier ich dich und werf dich auch platt!
KAULQUAPPE: Ich bitte dich, modellier mein Gesicht, ohne es danach auf den Boden zu werfen. Wenn mein Stück als Buch erscheint, werde ich ein Foto davon für den Umschlag verwenden.
GROSSE HAND: Ich habe dir bereits gesagt, deine Tante beobachtet lieber Ameisen, die am Baum hochkrabbeln, als dass sie dein dürftiges Theaterstück lesen wird.
QIN STROM: Sei fleißig und bestell dein Feld. Wozu schreibst du ein Theaterstück? Wenn du gute Theaterstücke schreiben kannst, dann futtre ich diesen Klumpen Tonerde auf.
KAULQUAPPE: Onkel Hao, Onkel Qin! Gugu ist nicht mehr die jüngste. Ihre Sehkraft hat nachgelassen. Ich wage nicht, euch alte Leute zur Aufführung einzuladen. Ich möchte Gugu das Stück vorlesen, und gleichzeitig euch. Ihr kennt ja sicher die meisterhaften Dramatiker Cao Yu und Lao She, die immer erst einmal zu den Schauspielern ins Theater gegangen sind und ihnen ihre Stücke vorgelesen haben.
GROSSE HAND: Du bist aber weder Cao Yu noch Lao She.
QIN STROM: Und wir sind auch keine Schauspieler und noch weniger Regisseure.
KAULQUAPPE: Aber ihr seid Charaktere in meinem Schauspiel. Ich habe eine Menge Tinte verbraucht, um euch gelungen dazustellen. Wenn ihr es nicht hören wollt, verpasst ihr einiges. Wenn ihr es euch jetzt anhört und euch missfällt etwas, kann ich es zurzeit noch ändern. Wenn ihr es euch nicht anhört, es dann aber im Theater seht, oder es erscheint als Buch, dann kommt die Reue, es vorher nicht gehört zu haben, zu spät.
(plötzlich mit tragischem Gesichtsausdruck)
In dieses Theaterstück sind zehn Jahre meiner Lebenszeit geflossen, das gesamte Familienvermögen ist dabei draufgegangen, sonst hätte ich es nicht schreiben können. Ich habe sogar ein paar der besten Balken aus unserem Dach entfernt und verkauft.
(hält sich die Hand auf die Brust, hustet ein paar Mal gequält)
Um dieses Stück zu schreiben, habe ich bitteren, scharfen Pfeifentabak geraucht – wenn ich keinen Pfeifentabak mehr hatte, habe ich Schnurbaumblätter genommen –, ich habe ungezählte schlaflose Nächte durchlebt, meinen Körper ruiniert, Reserven aufgebraucht, die ich gar nicht hatte. Und warum das alles? Um berühmt zu werden? Um Profit zu machen?
(schrill)
Nein! Bestimmt nicht! Ich tat es aus Liebe zu meiner Tante! Um ihr, der heiligen Mutter unserer Heimat Nordost-Gaomi, ein Denkmal zu setzen, um ihre Biographie aufzuzeichnen. Wenn ihr mich heute nicht lesen lasst und mir nicht zuhört, sterbe ich hier vor euren Augen.
GROSSE HAND: Wen willst du damit ins Bockshorn jagen? Wie willst du sterben? Dich aufhängen oder Gift trinken?
QIN STROM: Das klingt alles sehr ergreifend. Ich denke, dass ich es doch ganz gern hören möchte.
GROSSE HAND: Wenn du das Stück vorlesen willst, dann lies, aber nicht hier in meinem Haus.