KAULQUAPPE: (voller Freude)
Gugu, nun bist du doch gekommen!
GUGU: Die Familie Wan hat einen kleinen Stammhalter bekommen. Wie könnte ich da nicht zugegen sein?
KAULQUAPPE: Dass jetzt ein Goldkind auf dem bescheidenen Anwesen der Wans ins Gras plumpst, daran hat unsere Gugu den allergrößten Verdienst.
GUGU: Aber nicht doch, Renner!
Ausnahmslos alle schauen sich an und lachen, aber keiner der Anwesenden versteht, was gemeint ist. Gugu zeigt auf Große Hand und Qin Strom.
Mit Ausnahme dieser beiden habe ich euch, die ihr hier versammelt seid, alle mit meinen eigenen Händen ans Licht der Welt befördert. Wie viele Pickel eure Mütter auf dem Bauch haben, darüber weiß ich Bescheid.
(alle lachen)
Warum bittet hier keiner die Gäste an den Tisch und sagt ihnen, dass sie sich setzen sollen?
KAULQUAPPE: Bevor du nicht Platz nimmst, Tante, traut sich keiner an den Tisch.
GUGU: Wo ist dein Vater? Er soll sich auf den Ehrenplatz an den Kopf des Tisches setzen.
KAULQUAPPE: Mein Vater hat eine leichte Erkältung. Er ist zu meiner Schwester hinübergegangen und ruht sich aus. Er sagt, du sollst dich auf den Ehrenplatz setzen.
GUGU: Dann will ich diese Aufgabe gewissenhaft übernehmen.
GÄSTE: So soll es sein! Das mach mal!
GUGU: Kaulquappe, du und Kleiner Löwe, ihr seid beide über ein halbes Jahrhundert alt und habt trotzdem dieses kleine Dickerchen zur Welt gebracht. Obwohl wir uns damit nicht für das Guinness-Buch der Weltrekorde – es heißt doch Guinness? – bewerben können, ist es das erste Mal in meiner über fünfzigjährigen Berufspraxis, dass so etwas vorkommt. Deswegen verheißt das mit Sicherheit besonders viel Glück.
Alle pflichten Gugu bei, manche sagen: »Besonders glückverheißend!«, manche sagen: »Ein Wunder!«
KAULQUAPPE: Das haben wir Gugus guter Zaubermedizin zu verdanken!
GUGU: (ergriffen)
Als ich jung war, bin ich eine resolute Materialistin gewesen, aber auf meine alten Tage gehe ich immer mehr in Richtung Idealismus.
LI HAND: In der Philosophiegeschichte sollte der Idealismus auf jeden Fall seinen angestammten Platz haben.
GUGU: Hört, hört! Da sieht man’s mal wieder, dass die Studierten und die ohne Bücherwissen sich eben doch unterscheiden.
YUAN BACKE: Wir sind doch alle ungehobelte Landnasen und kümmern uns nicht um materialistisch oder idealistisch.
GUGU: Es mag sein, dass es in unserer Welt keine Götter und Geister gibt, aber das Gesetz von Ursache und Wirkung und die Vergeltung schlechter Taten gibt es. Dass Kaulquappe und Kleiner Löwe mit über fünfzig Jahren noch einen Sohn bekommen haben, beweist, dass die Wans in der Vergangenheit Wohltaten angehäuft haben.
COUSIN JINXIU: Es ist aber auch deiner Medizin zu verdanken.
GUGU: Da sieht man mal wieder: Ehrlichkeit bringt’s weit.
(zu Kaulquappe gewandt)
Als deine Mutter noch lebte, war sie immer mit allem geizig. Mit dir sind andere Zeiten gekommen, Geld ist reichlich vorhanden, und dazu schneit so ein freudiges Ereignis herein. Jetzt können die Wans auch mal zeigen, wer sie sind, und können beim Geldausgeben beherzter sein!
KAULQUAPPE: Gugu, sei beruhigt! Wir werden zwar keine Kamelhufe und Bärentatzen verspeisen, aber es wird genug Geflügel, Fisch und Fleisch geben.
GUGU: (blickt über den Tisch und sieht sich das Essen an)
Es ist wie eh und je. Viele Schalen, aber knapp bemessenes Essen. Wie sieht es mit Schnaps aus? Was trinken wir?
KAULQUAPPE: (holt zwei Flaschen Maotai hervor, die er unter den Tisch gestellt hatte)
Es gibt Maotai.
GUGU: Ist das echter oder gepanschter?
KAULQUAPPE: Von Liu Guifang, der Chefin des Gästehauses der Stadtregierung, habe ich ihn. Sie hat gesagt, der sei hundertprozentig echt.
LI HAND: Wir sind mit ihr zusammen zur Schule gegangen.
YUAN BACKE: Wenn man betrogen wird, dann immer von alten Klassenkameraden.
GUGU: Die Kleine ist die zweite Tochter des Liu Baofu aus Liujiazhuang, die habe ich auch ans Licht der Welt geholt.
KAULQUAPPE: Ich habe diese Verbindung zu dir auch besonders betont, und sie hat mir aus Ehrerbietung dir gegenüber nur Schnaps aus ihrem Tresor gegeben.
GUGU: Na, gut. Dann will ich mal davon ausgehen, dass es ihr peinlich wäre, mir keinen echten Schnaps zu trinken zu geben.
Kaulquappe öffnet den Schnaps und bittet Gugu, davon zu kosten und ihn auf Echtheit zu überprüfen.
GUGU: Der Schnaps ist gut! Hundertprozentig echter Maotai. Schenkt euch alle ein! Gebt eure Gläser her!
Kaulquappe gießt allen Schnaps ein.
GUGU: Weil ich auf dem Ehrenplatz sitze, will ich auch einen Trinkspruch aussprechen: Das erste Glas trinke ich auf die Kommunistische Partei und danke unseren Kadern für ihren guten Führungsstil, dafür, dass nun alle über genug Geld verfügen und alle ihr Denken befreit haben, also dafür, dass es allen gut geht. Dieser Satz war nötig, damit wir mit dem Guten, das wir noch vorhaben, beginnen können. Was meint ihr, habe ich richtig gesprochen oder nicht?
Alle pflichten ihr bei.
GUGU: Na, dann lasst uns darauf trinken! Auf ex!
Alle leeren ihr Glas mit einem Zug.
GUGU: Das zweite Glas Schnaps? Das trinke ich auf die ehrwürdigen Totengeister am Himmelssaum, auf die Ahnen der Wans, die so viele Wohltaten angehäuft haben, dass ihre Nachkommen nun mit Kindern und Enkeln gesegnet wurden.
Alle leeren ihr Glas mit einem Zug.
GUGU: Mit dem dritten Glas Schnaps kommen wir zum Thema: Ich wünsche dem liebenden Ehepaar Kaulquappe und Kleiner Löwe viel Glück und Erfolg mit ihrem späten Kinderglück.
Alle erheben ihr Glas, erwidern den Gruß, lärmen durcheinander. Liu Guifang tritt auf, zwei ihrer Ober tragen einige Kartons herbei. Später kommen eine TV-Reporterin und ein Kamerateam.
LIU GUIFANG: Herzlichen Glückwunsch!
Herzlichen Glückwunsch!
KAULQUAPPE: Na, alte Klassenkameradin! Was führt dich her?
LIU GUIFANG: Ich möchte ein Glas Schnaps auf das fröhliche Ereignis trinken! Bin ich nicht willkommen?
(geht um den Tisch herum und schüttelt jedem die Hand, spricht ein paar höfliche Worte und begrüßt dann Gugu)
Gugu! Das Alter hast du gegen die Jugend eingetauscht, stimmt’s?
GUGU: Ich bin ein alter Fuchsgeist geworden.
KAULQUAPPE: Hab versucht, dich einzuladen, aber vergeblich. Wie schön, dass du trotzdem da bist! Aber du hättest nicht so viel mitbringen dürfen! Das war bestimmt teuer!
LIU GUIFANG: Ich bin doch aus der Gastronomie, da ist das nicht der Rede wert. Den Gelben Fisch habe ich selbst für euch frittiert! Das hier ist von mir selbst gemachte Schweinssülze! Und das sind selbst gemachte Shandong Hefenudeln! Alles nur kleine Kostproben! Probiert, wie ich koche. Gugu, ich habe dir einen fünfzig Jahre alten Maotai mitgebracht! Weil ich dir wie eine Tochter Ehre erweisen möchte.
GUGU: So einer ist wirklich was Feines! Am letzten Neujahr hat die Frau eines hohen Kaders aus Pingnan mir eine Flasche vorbeigebracht. Ich habe nur den Korken geöffnet, und schon war das ganze Zimmer voller Wohlgeruch.
KAULQUAPPE: (vorsichtig)
Schulkameradin, weißt du, was diese Leute hier wollen?
LIU GUIFANG: (zieht die TV-Reporterin am Ärmel zu sich herüber) Xiao Gao, ich habe ganz vergessen, dich allen vorzustellen. Sie ist TV-Reporterin beim Fernsehjournal »Land und Leute« 社會萬象, Moderatorin und Produzentin. Xiao Gao, das ist Onkel Kaulquappe, Theaterschriftsteller und im hohen Alter noch Vater eines Sohnes geworden. Eine große Leistung! Das ist Gugu, eine Halbgöttin, unsere alte Frauenärztin in Nordost-Gaomi. Alle, Alt und Jung, nennen sie Gugu. Uns alle und noch zwei Generationen nach uns hat Gugu hier auf die Welt geholt.