Выбрать главу

Als wir gerade wegen Gugus Herzensangelegenheiten ins Seufzen kamen, stürzte Renmei mit Riesenschritten zur Tür herein. »Verehrte Tante, ich habe gehört, Renner hat Großes geleistet und ist nun zurück, um sich eine Frau zu suchen. Würde ich Euren Ansprüchen genügen?«

»Aber mein Mädchen, du bist doch längst in festen Händen?«, gab meine Mutter zurück.

»Ich habe mit Unterlippe Schluss gemacht.«

»Der trennt sich, nachdem er die Aufnahmeprüfung für die Universität geschafft hat? Der ist ja so ein ehrloser Betrüger wie Chen Shimei7!«, empörte sich meine Mutter.

»Nicht er, sondern ich habe die Beziehung beendet. Was ist schon dabei, wenn man es auf die Universität schafft? Dieser Angeber mit seinen Böllern und dem Freiluftkino auf dem Markt ist mir zu vorlaut. Da ist mir Renner lieber, er hat es zum Offizier gebracht und macht keine große Sache daraus. Wenn er zu Hause ankommt, geht er gleich zum Arbeiten aufs Feld.«

»Renmei, eine Verbindung mit Renner und unserer Familie wäre nicht standesgemäß«, gab Mutter zu bedenken.

»Verehrte Tante, diese Angelegenheit können wir so nicht endgültig klären. Da müssen wir Renner fragen. Renner, möchtest du mich zur Frau haben und soll ich für dich einen Weltmeister zur Welt bringen?«

Ich warf einen Blick auf ihre Beine und sagte: »Das will ich!«

2

Am Hochzeitstag hatten wir schlechtes Wetter, es gab einen Kälteeinbruch, am Himmel ballten sich graue Wolken zusammen und es donnerte. Nach dem Donner schüttete es wie aus Kübeln. Höchst ungemütlich!

Mutter murmelte mit einem vorwurfsvollen Unterton in der Stimme: »Da hat Yuan Backe ja einen feinen Hochzeitstag ausgesucht. Von wegen astrologisch glücklichster Tag zum Heiraten, es sieht aus, als fluteten die Wasser den Jinshan-Tempel in Zhenjiang8

Um zehn Uhr früh kam Renmei in Begleitung zweier Cousinen im strömenden Regen zu uns nach Haus. Sie trugen Regenmäntel und sahen aus, als kämen sie vom Hochwasserschutz und seien auf dem Weg zum Fluss, um eine Inspektion der Deiche vorzunehmen. Im Hof hatten wir ein Partyzelt aufgestellt und darin einen Herd untergebracht, vor dem ich kniete und mit einem Blasebalg das Feuer zum Wasserkochen anfachte. Mein Cousin Wuguan rief mir in unflätigem Ton zu: »Held des Chinesisch-Vietnamesischen Kriegs, was hockst du da noch am Herd? Die Braut steht schon im Hof!«

Ich erwiderte nur: »Na, dann mach du doch hier für mich weiter!«

Er rief zurück: »Tante hat mich für die Böllerschlangen eingeteilt. Um bei so einem Sauwetter Böller zu zünden, braucht man eine gute Technik.«

Mutter stand in der Tür und rief: »Wuguan, sei endlich still! Nun mach schon!«

Er fischte eine Knallerschlange, die er vorher in Plastikfolie eingewickelt hatte, aus seiner Jacke und zündete die Zündschnur an. Er hatte keinen Stecken, woran er sie hätte hängen können. Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt er sie in der einen Hand, in der anderen den aufgespannten Regenschirm, und drehte sich weg, während sie abbrannte. Schwarzer Qualm hüllte ihn ein, denn er hatte in dem heftig prasselnden Regen die Folie nicht abziehen können. Die Kinder, die wegen des Trubels alle herbeigekommen waren, sahen im Regen wie Suppenhühner aus. Sie klatschen in die Hände, stampften mit den Füßen und feuerten ihn an: »Wuguan! Qualmkopf! Qualmkopf!«

»Was gibt’s da zu schreien, ihr verdorbenen Blagen!«, rief Mutter herüber.

Bei Hochzeiten ist es so Brauch, dass die Braut, wenn sie den Hof betritt, keinen Ton sagt, schweigend das Wohnzimmer durchquert, ins Hochzeitszimmer hineingeht, ein Bein in die Höhe schwingt und auf den Kang steigt. Diese Pose nennt man »Aufs Bett steigen«.

Nicht so Renmei! Die betrat den Hof und schaute Wuguan erst mal beim Böllern zu. Der Qualm hatte Wuguan so das Gesicht geschwärzt, dass er aussah, als wäre er gerade aus dem Ofenrohr geklettert. Renmei lachte laut auf, ihre beiden Brautjungfern zupften sie verstohlen am Ärmel, aber sie reagierte nicht. Sie trug Plastikstöckelschuhe, so dass sie noch größer wirkte. Groß wie ein Baum erschien sie mir. Wuguan machte eine entsprechende Bemerkung, während er sie musterte: »Schwägerin, wer dich küssen will, muss ja erst mal auf eine Leiter steigen.«

»Wuguan, ich werde dir das Maul stopfen, wenn du nicht ruhig bist!«, rief die Mutter in lautem Ton über den Hof.

»Bist du ein Hornochse!«, sagte Renmei. »Selbst Galle und Nase schaffen das ohne Leiter!«

Fix waren da die neugierigen Ohren der alten Tanten und Großtanten gespitzt, als sie hörten, dass sich die Braut im Hof mit ihrem Schwager neckte. Ich kam mit der Kohlenschaufel aus dem Partyzelt, da klatschen die Kinder in die Hände und stampften mit den Füßen: »Der Held ist da! Der Held ist da ...«

Ich trug meine neue Uniform, hatte meinen Orden, die Ehrenmedaille dritten Grades, angesteckt, war aber weder Fisch noch Fleisch mit meinem rußverschmierten Gesicht und der Kohlenschippe in der Hand. Renmei bog sich vor Lachen. Sie hörte gar nicht wieder auf. Ich war verstört. Mir war zum Lachen und Weinen zumute. Was war nur los mit ihr? Spielten bei ihr die Nerven verrückt?

Mutter schrie wieder über den Hof: »Nun macht schon, dass ihr sie endlich ins Haus bringt!«

Ich sagte mit einem ironischen Unterton: »Gnädigste, bitte ins Hochzeitszimmer einzutreten!«

Renmei erwiderte: »Drinnen ist es stickig, draußen ist die Luft angenehm frisch.«

Die Kinder klatschten wieder in die Hände und stampften mit den Füßen: »Nun geh rein, das wird fein!«

Ich ging ins Haus zurück und holte eine Kelle voll Bonbons, rannte über den Hof zum Hoftor und streute sie mit Schwung auf die Gasse! Wie ein Bienenschwarm schwirrten die Kinder zum Tor und balgten sich in den Schlammpfützen um die Bonbons. Ich packte Renmei am Handgelenk und zog sie mit ins Haus, doch die Tür war zu niedrig, sie stieß sich am Türrahmen die Stirn, dass es knallte: »Mensch! Hier rammt man sich ja den Schädel ein!« Die Tanten schüttelten sich vor Lachen.

Klein war der Raum auch. Es drängten sich darin so viele Menschen, dass sie Hintern an Hintern standen. Die drei zuletzt Eingetroffenen zogen ihre triefend nassen Regenmäntel aus, aber es gab keinen Ort zum Aufhängen. Deswegen mussten die Mäntel an den Türrahmen gehängt werden. Der Boden war ohnehin schon feucht gewesen. Jetzt, da alle triefend und mit Schlammfüßen hereingekommen waren, war er eine einzige Schlammwüste.

In dem kleinen Zimmerchen, das unser Hochzeitszimmer sein sollte, war auch der Kang nicht mal zwei Meter lang. Am Kopfende des Kangs lag aufeinander gestapelt die Aussteuer, die die Eltern Renmeis vorbeigebracht hatten. Vier neue Baumwollsteppdecken und zweimal neues Bettzeug, dazu zwei Wolldecken und zwei Kopfkissen. Der Stapel war so hoch, dass er fast an die mit Papier beklebte Zimmerdecke stieß. Kaum hatte Renmeis Hintern die Matte auf dem Kang berührt, schrie sie auch schon: »Aua, Mama! Das ist doch kein warmer Kang! Das ist eine Kochplatte!«

Jetzt reichte es meiner Mutter. Sie pochte laut mit dem Krückstock auf den Boden: »Und wenn schon! Meinetwegen ist es eine Kochplatte, aber da setzt du dich jetzt drauf. Mal sehen, ob wir deinen Schinken gar geröstet kriegen.«

Renmei lachte wieder schallend. Sie flüsterte mir zu: »Renner, deine Mutter hat einen seltsamen Humor. Wenn ich meinen Hintern hier röste, wird aus unserm Weltmeisterbaby nichts.«

Ich war so wütend, dass ich jeden Augenblick bewusstlos hätte hinknallen können. Aber an einem solchen Glückstag macht ein Wutausbruch einen schlechten Eindruck. Also streckte ich die Hand aus und befühlte die Bastmatte auf dem Kang. Sie war wirklich kochend heiß. Weil wir so viele Gäste im Haus hatten – alle Tanten und Großtanten, Cousinen, Schwägerinnen waren ohne Ausnahme gekommen und blieben zum Essen –, kochte unter dem Dämpfer ununterbrochen Wasser. Dampfnudeln, Nudeln und alle möglichen Gerichte wurden zubereitet. Der Herd lief auf Hochtouren. Es stimmte, dass die Matte fast brutzelte. Ich zog eine Steppdecke aus dem Bettzeugturm heraus, faltete sie, schob sie an die Wand und sagte: »Gnädigste, bitte aufzusteigen und Platz zu nehmen!«