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Renmei keuchte vor Lachen: »Renner, du Spaßvogel. Was soll der Scheiß, mich immer mit Gnädigste anzureden? Sag doch Schwiegertochter, wie wir es hier auf dem Dorf gewohnt sind, oder sag einfach wie früher Renmei.«

Ich sagte gar nichts mehr. Dass ich mir so eine durchgeknallte Braut aufgebürdet hatte! Jetzt musste ich die Suppe auslöffeln. Hörte sie denn nicht heraus, dass ich es ironisch meinte und meinem Unmut über sie damit Luft machte?

»Okay, wird gemacht. Schwiegertochter Renmei, bitte auf den Kang!«

Ich ließ mir von ihren beiden Cousinen erklären, wie das mit den Schuhen funktionierte, und zog ihr die Schuhe und die beiden völlig verschlammten Nylonsocken aus, um sie sodann auf den Kang zu heben. Dort stand sie sofort auf und stieß mit dem Kopf gegen die Decke. In diesem engen, niedrigen Raum sah sie noch größer aus. Sie hatte verschwindend schmale Wadenmuskeln an ihren Kranichbeinen, und ihre Füße waren auch nicht gerade klein. Sie konnten sich von der Größe her mit meinen messen. Sie tänzelte mit den nackten Füßen auf diesem keine zwei Quadratmeter großen Kang immer im Kreis herum, so dass sie ihn allein mit Beschlag belegte und nicht einmal die Brautjungfern noch drauf passten, obwohl es doch bei uns Brauch ist, dass sie neben der Braut sitzen müssen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich einen anderen Platz zu suchen. Die eine stand in der Zimmerecke, die andere saß auf der Kangkante. Als ob Renmei ihre Größe herausstreichen wollte, ging sie auf Zehenspitzen und drückte den Kopf gegen die Decke. Es schien ihr Spaß zu machen, auf dem Kang im Kreis zu trippeln, zu hopsen und dabei gegen die Zimmerdecke zu stoßen. Mutter steckte den Kopf zur Tür herein: »Schwiegertochter, wo willst du heut Nacht schlafen, wenn du den Kang zum Einstürzen bringst?«

»Wenn er einstürzt, schlafen wir auf dem Fußboden«, gackerte Renmei.

Gegen Abend kam auch meine Tante zum Essen. Sie war noch am Hoftor und hatte den Fuß noch nicht auf den Hof gesetzt, da rief sie schon laut: »Eure Tante ist da! Holt mich denn keiner zur Begrüßung ab?«

Wir sprangen auf und rannten sofort zum Tor, um sie abzuholen. Mutter sagte: »Wir dachten schon, heute regnet es Hunde und Katzen und deswegen kommst du nicht mehr.«

Sie hielt einen Tungöl-Regenschirm in der Hand und stand barfuß mit hochgekrempelten Hosenbeinen, beide Füße im Schlamm. Die Schuhe hielt sie unter den Arm geklemmt.

»Da kann es Messer regnen, aber zur Hochzeit meines zum Helden gekürten Neffen komme ich auf jeden Fall! Wie könnte ich da wegbleiben?«

»Ich bin doch kein Held, Tante. Ich bin da als Feldkoch gewesen und habe nur das Essen zubereitet«, widersprach ich meiner Tante, »nicht mal den Schatten der Feinde habe ich zu Gesicht bekommen.«

»Der Feldkoch ist genauso wichtig wie die übrigen Soldaten. Menschen sind Eisen, Reis ist Stahl. Wer sich beim Militär nicht sattessen kann, kann auch nicht unter Einsatz seines Lebens an vorderster Front kämpfen! Macht mir schnell was zu essen«, erklärte meine Tante. »Nach dem Essen muss ich sofort aufbrechen. Wenn die Brücke erst überschwemmt ist, komme ich nicht mehr über den Fluss zurück.«

»Bleib ein paar Tage bei uns! Geh nicht gleich heute Abend!«, meinte Mutter. »Wir warten schon so lange darauf, dich mal wieder erzählen zu hören! Heute Abend machen wir’s uns gemütlich und du erzählst uns die neusten Geschichten, was meinst du?«

Gugu aber schlug das Angebot aus: »Daraus wird nichts. Die PKKCV in unserem Kreis hat Sitzung.«

»Renner, weißt du, dass deine Tante aufgestiegen ist? Sie hat jetzt den Rang eines Mitglieds des ständigen Ausschusses der PKKCV in unserem Kreis.«

»Was soll denn das für ein Beamtenrang sein, bitte schön?«, fiel die Tante ein. »Du meinst wohl, so wie man längst vergorene Wolfsbeeren nur noch wegen der hübschen roten Farbe zum Garnieren einer Platte verwendet, so einen Rang nur fürs Auge.«

Gugu verschwand erst einmal im Westzimmer. Es war vollgestopft mit Verwandten, ein heilloses Durcheinander. Alle, die dort saßen, machten sofort den Rücken krumm und rutschten runter vom Kang, sogar unter den Kang drängelten sie sich, um der Tante den Platz frei zu machen. Aber sie sagte: »Bleibt ihr wohl alle auf euren Plätzen, ich esse nur einen Happen und bin schon wieder weg.«

Mutter wies meine Schwester an, der Tante schnell aufzutun. Gugu hob den Deckel vom Wok und griff sich eine der kleinen Hochzeitsdampfnudeln, wie sie bei uns von den Brautleuten für einen reichen Kindersegen gegessen werden. Sie ließ den weichen Kloß von einer Hand in die andere rollen, um sich die Hände nicht zu verbrennen, und pustete geräuschvoll, damit er schneller abkühlte. Dann riss sie ihn in der Mitte auf, steckte ein wenig gedämpftes, mit Reismehl paniertes Fleisch in die Kuhle, klappte die Dampfnudel wieder zu und biss herzhaft hinein. Sie nuschelte: »Lecker! Ihr braucht mir keinen Teller und keine Schale zu holen. So schmeckt es am allerbesten. Seit ich in meinem Beruf arbeite, habe ich mich ohnehin nie mehr zum Essen an einen Tisch gesetzt. Die paar Mal kann ich an einer Hand abzählen.«

Kauend und mit der Hefenudel in der Hand sagte sie: »Nun zeigt mir mal euer Hochzeitszimmer!«

Renmei fand den Kang immer noch zu heiß, deswegen hatte sie sich aufs Fensterbrett gesetzt. Es fiel noch genug Licht zum Fenster herein, um lesen zu können, und sie schaute sich eine Holzschnitt-Bildergeschichte an, wie wir sie damals als Propaganda- und Erziehungsbüchlein von der Partei bekommen hatten. Sie schüttete sich dabei aus vor Lachen.

»Meine Tante ist da«, sagte ich.

Mit einem geräuschvollen Satz kam Renmei von der Fensterbank herunter und nahm Gugu bei der Hand: »Tante! Ich muss dich unbedingt was fragen. Endlich bist du da!«

»Was willst du mich fragen?«

Renmei flüsterte: »Die Leute sagen, du hättest da so eine Arznei. Wenn man die schluckt, kann man Zwillinge bekommen?«

Tante machte große Augen: »Wer sagt das?«

»Wang Galle sagt das.«

»Bloßes Gerede! Reine Gerüchteküche!« Tante hatte sich an der Dampfnudel verschluckt und musste husten. Ein schlimmer Anfall, sie wurde puterrot. Meine Schwester holte schnell einen Schluck Wasser. Gugu trank und klopfte sich die Brust, um dann ernst zu erklären: »Es geht gar nicht darum, ob ich so eine Arznei kenne oder nicht. Selbst wenn es so wäre, würde ich die bestimmt keinem verabreichen.«

»Galle sagt, dass im Dorf der Chens jemand die von dir verschriebene Arznei eingenommen und dann ein Zwillingspärchen zur Welt gebracht hätte. Einen Buben und ein Mädchen, wie Phönix und Drache.«

Gugu drückte meiner Schwester den Rest der Hefenudel in die Hand: »Es ist zum Auswachsen! Dieses Ungeheuer Galle! Wie viel Energie hat es mich gekostet, sie aus dem Bauch ihrer Mutter herauszuholen! Und jetzt streut sie böse Gerüchte über mich! Undankbares Kind! Die wird’s erleben, dass ich ihr eine Scharte in die Möse schneide!«

Ich trat, als keiner hinsah, Renmei schnell gegens Schienbein und flüsterte ihr hinter Tantes Rücken zu: »Kein Wort mehr!« Zur Tante sagte ich: »Tante, reg dich bitte nicht auf!«

Aber Renmei schrie sofort völlig überzogen: »Mama! Aua! Der hat mich getreten und mir mein Schienbein zertrümmert!«

Mutter zischte wütend: »Die Beine von einem Hundevieh brechen nicht.«