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Renmei entgegnete sofort: »Schwiegermutter, das stimmt nicht! Der große braune Hund meines Onkels ist mit der Pfote in Oberlippes Tellereisen getreten und das ist ihm übel bekommen.«

Seit Oberlippe aus dem Dienst ausgeschieden und als Ruheständler wieder in sein Heimatdorf gekommen war, hatte er das schmutzige Geschäft begonnen, Tieren nachzustellen. Er hatte sich ein Luftgewehr besorgt und schoss damit wild drauflos. Den ganzen Tag zielte er wahllos auf Vögel, alles, was ihm vor die Flinte kam, selbst Glücksvögel wie Elstern knallte er ab. Zum Fischen benutzte er ein engmaschiges Netz. Er drehte sich dabei im Kreis, sogar drei Zentimeter kleine, gerade geschlüpfte Fische erwischte er damit. Es war ein Treibnetz, eines, womit man die Fische ausrottet. Das Tellereisen hatte er sich auch zugelegt. Wir sagten dazu Eisenkatze, eine riesengroße, starke Klammer, die er im Wald und auf verwilderten Grabhügeln vergrub. Damit fing er Dachse und Marder. Der Hund von Renmeis Onkel war hineingetreten und hatte sich darin das Bein gebrochen.

Sowie Tante Oberlippes Namen hörte, veränderten sich ihre Gesichtszüge. Mit zusammengebissenen Zähnen knurrte sie: »Diese Missgeburt. Den hätte doch längst der Blitz treffen müssen. Stattdessen lebt er wie die Made im Speck. Schlemmt und trinkt jeden Tag nach Herzenslust und ist fit wie ein kräftiger, muskulöser Stier. Daran sieht man, dass so ein richtig brutales Schwein sogar der Himmel fürchtet.«

»Tante«, sagte Renmei, »auch wenn der Himmel ihn fürchtet, ich fürchte ihn nicht! Wenn du mit ihm verfeindet bist, werde ich dich rächen.«

Jetzt freute sich die Tante und lachte schallend. Als sie mit Lachen fertig war, sagte sie zu Renmei: »Schwiegertochter, die ich durch meinen Neffen habe, ich sag dir jetzt mal die Wahrheit. Als mein Neffe mir zuerst sagte, dass er dich heiraten wolle, habe ich ihm meine Einwilligung nicht gegeben. Aber als ich hörte, dass du dich aus eigenem Antrieb von Oberlippes Sohn getrennt hast, hatte er meine Einwilligung sofort. Ich sagte ihm nur: ›Mach das, mein Junge, dieses Mädchen hat Charakter.‹ Einer, der es auf die Uni schafft, ist doch nichts Besonderes! Ich sag nur: ›Wir Wans werden unseren Enkel nicht nur auf irgendeine Uni schicken. Er wird auf eine Elite-Uni gehen! Nach Peking zur Peking University! Oder zur Tsinghua University! Oder nach England zur Cambridge University! Oder zur Oxford University! Und unser kleiner Wan wird einmal nicht nur den BA machen, sondern auch seinen Master und einen Doktor! Dann wird er Professor und Wissenschaftler! Richtig! Und er wird Weltmeister!‹«

Renmei sagte: »Tante, dann gib mir doch bitte diese Zwillingsmedizin. Ich gebäre uns Wans dann noch einen Nachkommen mehr! Oberlippe wird sich vor Wut in den Boden rammen!«

»Das ist ja nicht zu fassen! Alle sagen immer, du bist so direkt, ohne Umschweife. Na, das sehe ich anders! Da reden und reden wir, und am Ende hast du wieder nichts anderes vor, als mich wegen dieser Arznei zu löchern. Ihr jungen Leute sollt mir«, jetzt sprach die Tante mit ernster Stimme, »auf die Partei hören. Geht im Gleichschritt mit der Partei und hört auf zu tricksen und nach Hintertürchen zu suchen! Die Geburtenplanung ist grundlegende Staatspolitik, eine Angelegenheit von erstrangiger Bedeutung. Sie ist Chefsache. Der Parteisekretär übernimmt das Kommando persönlich und die ganze Partei befasst sich mit nichts anderem mehr. Wir beschreiten Modellwege zur Schwangerschaftsverhütung und Geburtenreduzierung. Wir stärken die Wissenschaft und die Erforschung besserer Verhütungs- und Sterilisationsmethoden. Wir verbessern die Standards der OP-Methoden bei Sterilisationen und Abtreibungen und erhöhen den Grad der Wirksamkeit der Sterilisationen. Massenkampagnen werden bei uns für die langfristige Umsetzung sorgen. Dass ein Ehepaar nur ein Kind haben darf, ist ein unverrückbarer politischer Beschluss. An dieser Politik wird sich die nächsten fünfzig Jahre nichts mehr ändern. Wenn wir unsere Bevölkerungsprobleme nicht in den Griff kriegen, hat unser China verloren. Renner, du bist Parteimitglied, bist Soldat der Revolution. Du musst auf jeden Fall mit gutem Beispiel vorangehen, denn dein Handeln hat Vorbildfunktion.«

»Tante, gib mir diese Tablette doch heimlich. Wenn ich sie geschluckt habe, wird weder ein Mensch noch ein Geist jemals davon erfahren«, bettelte Renmei.

»Mein liebes Kind, dir fehlt es wirklich an Umsicht! Muss ich dir noch einmal sagen, dass es diese Arznei nicht gibt? Und dass, selbst wenn es sie gäbe, ich sie dir niemals geben könnte? Schau, ich bin Parteimitglied, Mitglied des ständigen Ausschusses der PKKCV, ich bin Stellvertretende Vorsitzende des Leitungskollektivs zur Kommune-Geburtenplanung. Ich kann doch nicht den Anfang machen und dir zeigen, wie man gegen die Gesetze verstößt. Ich wurde zwar schon gedemütigt, aber das sage ich euch: Ein rotes Herz wechselt niemals seine Farbe. Im Leben gehört mein Leben der Partei, im Tode gehört mein Geist der Partei. In die Richtung, die die Partei mir weist, werde ich mit Nachdruck gehen. Renner, deiner Frau fehlt es an Umsicht! Sie hat keine Furcht, sich die Finger am Feuer zu verbrennen, denn sie kann zwischen weißer Asche und rotem Feuer nicht unterscheiden. Deswegen mach dir eins klar: Du darfst dir kein Vergehen erlauben.«

Es gab Leute, die verpassten meiner Tante nun den Spitznamen Lebender Höllenfürst Yama. Aber sie empfand es als Ehrung. Wenn die werdenden Mütter, die dem Reproduktionssoll entsprechend schwanger geworden waren, bei ihr ihre Niederkunft hatten, war sie respektvoll, brannte Weihrauch ab, reinigte sich, brachte das gewollte Leben möglichst sanft auf die Welt. Aber bei den unplanmäßig schwanger Gewordenen ging sie brutal vor – ihr ging kein überzähliges Kind durchs Netz! Sie kriegte sie alle zu fassen.

3

Zwei Jahre nach meiner Hochzeit wurde meine Tochter am Fest des Herdgottes geboren, nach dem Mondkalender war es der 23. 12. Mein Cousin Wuguan transportierte uns mit dem Einachstrecker von der Kommunekrankenstation wieder nach Hause.

Als wir uns auf den Weg machten, sagte mir meine Tante: »Ich habe deiner Frau gleich eine Spirale eingesetzt.« Renmei hob das Tuch hoch, das wir ihr um den Kopf geschlungen hatten, und fragte Gugu grollend: »Warum setzt du mir ohne mein Einverständnis eine Spirale ein?«

Tante deckte sie mit dem Tuch wieder zu: »Schwiegertochter, behalte das Tuch schön um den Kopf, damit du dich nicht erkältest. Das Komitee zur Geburtenplanung hat den unumstößlichen Befehl erteilt, dass gleich nach der Geburt eines Kindes jeder Frau eine Spirale eingesetzt werden soll. Wenn du einen Bauern geheiratet hättest und das erste Kind ein Mädchen geworden wäre, könntest du dir nach acht Jahren die Spirale herausnehmen lassen und ein zweites Kind zur Welt bringen. Du hast aber meinen Neffen geheiratet. Er ist Armeeoffizier. Die Bestimmungen in der Truppe sind noch viel strenger als die auf Kreisebene. Bei einem überzähligen Kind muss man richtig Federn lassen. Sie schicken denjenigen sofort zurück aufs Land an seinen Heimatort, wo er wieder Feldarbeit verrichten muss. Deswegen ist für dich das Kinderkriegen in diesem Leben vorbei. Mach dir da keine Hoffnungen. Die Frau eines Soldaten zu sein, hat seinen Preis.«

Renmei begann nun herzzerreißend zu weinen.

Ich hielt das fest in einen Mantel eingepackte Kind auf dem Arm, sprang auf den Trecker und rief Wuguan zu: »Es kann losgehen!«

Der Trecker spuckte schwarzen Qualm und ratterte über den holprigen Sandweg. Renmei lag eingerollt in eine Bettdecke im Wagen. Der Hänger hopste gefährlich, ihr Weinen brach ab, sprang wieder an, der Ton hüpfte wie der Karren hin und her. »Wer gibt ihnen das Recht, mir ohne mein Einverständnis, ohne mich zu fragen, eine Spirale einzusetzen ... Wer gibt ihnen das Recht, mir vorzuschreiben, dass ich nur ein einziges Kind bekommen darf? Wer gibt ihnen das Recht, mir zu verbieten, jemals wieder ein Kind ...«

»Hör auf zu heulen«, sagte ich genervt. »Das ist die Politik unseres Staates!« Sie weinte noch heftiger und streckte den Kopf zur Bettdecke heraus. Leichenblass war ihr Gesicht, blau angelaufen waren die Lippen. Im Haar steckten ihr ein paar Strohhalme. »Von wegen Staatspolitik. Das ist die Bauernpolitik deiner Tante. Im Kreis Kiautschou handhaben sie das nicht so streng. Deine Tante will doch nur eigene Verdienste anhäufen und befördert werden. Kein Wunder, dass die Leute auf sie schimpfen ...«