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»Aber es ist nicht zu spät, wenn dir jetzt die Einsicht kommt!«, wandte ich ein.

»Pfui Teufel!« Tante kochte schon wieder: »Was sind das für Worte? Zur Einsicht kommen! Da erzähle ich dir, der du zur Familie gehörst, mal zwei, drei Sachen, die mich geärgert haben, jammere ein bisschen, und gleich ... Ich sag dir mal eins, ich bin und bleibe eine bedingungslos parteitreue Kommunistin! Sogar während der Kulturrevolution habe ich dem Kommunismus nicht abgeschworen! Dann werde ich’s jetzt ja wohl auch nicht tun! Die Politik der Geburtenplanung muss sein. Wenn wir alle nach Lust und Laune Kinder kriegen lassen, sind es in einem Jahr dreißig Millionen mehr, in zehn Jahren dreihundert Millionen, und nach noch mal fünfzig Jahren haben die Chinesen unseren Globus plattgemacht. Deshalb muss uns jedes Mittel recht sein, wenn es darum geht, die Geburtenrate zu senken. Nebenbei ist das Chinas Geschenk an die Menschheit.«

Ich sagte: »Tante, mir sind die Zusammenhänge klar, aber jetzt zählt nur, dass Renmei fortgelaufen ist ...«

»Ein weglaufender Mönch kommt früher oder später wieder zum Tempel zurück«, erwiderte meine Tante, »wohin soll sie schon gelaufen sein? Die hat sich bei deinem Schwiegervater versteckt.«

»Renmei ist etwas jähzornig, sie hat sich nicht unter Kontrolle. Ich befürchte, dass sie sich etwas antut.«

»Mach dir mal keine Sorgen«, entgegnete meine Tante, keinen Zweifel zulassend. »Ich habe seit Jahrzehnten mit dieser Sorte Frauen zu tun. Ich weiß, wie die ticken. Bei so hysterischen Weibern, die immer gleich sensibel wimmern und bei jedem Bisschen mit Selbstmord drohen, passiert sowieso nichts. Sei beruhigt. Die möchte ihr Leben bestimmt behalten. Schwierig wird es nur bei denen, die nichts sagen, die nur wispern. Da muss man befürchten, dass sie sich aufhängen, im Brunnen ertränken oder Gift trinken. Bald fünfzehn Jahre mache ich Geburtenplanung. Bei denen, die sich umgebracht haben, waren andere Gründe vorrangig. Sei beruhigt, darauf kannst du dich verlassen.«

»Dann sag mir mal, was ich tun soll?«, sagte ich gequält. »Und wenn sie nun von Natur aus nicht in der Lage dazu ist? Sie kann das nicht! Soll ich sie etwa wie ein Schwein auf dem Weg zur Schlachtbank fesseln? Sie gefesselt zum Krankenhaus schaffen?«

»Wenn es nicht anders geht, dann eben mit Gewalt! Besonders bei deiner Frau, denn du bist mein Neffe! Deshalb muss ich mit ihr besonders streng verfahren. Wie soll ich mein Handeln vor anderen vertreten, wenn ich sie laufen lasse? Wenn ich dann einschreite, werden sie mir mit dem Hinweis auf Renmei den Mund verbieten.«

»Unter diesen Umständen muss ich dir wohl Folge leisten! Sollen denn Leute von der Truppe kommen, die das in die Hand nehmen?«

»Ich habe deiner Einheit längst ein Telegramm geschickt.«

»War das erste Telegramm auch von dir?«

»Ja«, sagte sie nur.

»Wenn du es schon früher gewusst hast, warum hast du dann nichts unternommen?«

»Ich befand mich zwei Monate lang auf Sitzungen in der Kreisstadt. Als ich zurück war, erfuhr ich davon. Diesem Hurensohn Backe«, meine Tante kochte wieder, »habe ich diese Schwierigkeiten zu verdanken. Glücklicherweise hat ihn jemand verpfiffen, ansonsten hätten wir jetzt noch mehr Probleme.«

»Wird man ihn verurteilen? Kommt er ins Gefängnis?«

»Wenn’s nach mir geht, wird er erschossen!« Tante schnaubte vor Wut.

»Er hat wohl nicht nur Renmei die Spirale entfernt?«

»Wir haben die Sache komplett aufgeklärt. Deine Frau, Wang Qis Frau aus Wangjia, Xiao Jinnius Frau von der Sippe der Suns aus Sunjiazhuang und Chen Nases Frau Wang Galle, die von allen mit ihrer Schwangerschaft am weitesten ist – sie alle waren bei ihm. Und es gibt noch an die zwanzig Schwangere, die nicht zum Kreis Gaomi gehören und mit seiner Hilfe schwanger wurden. Die kriegen wir leider nicht zu fassen. Jetzt kommt erst mal deine Frau unters Messer, dann machen wir bei den übrigen reinen Tisch. Soll sich bloß keiner einbilden, dass er mir entkommt.«

»Und wenn die in andere Provinzen fliehen?«

Tante ließ ihr eisiges Lachen hören: »Meinst du, da draußen gibt’s keine Geburtenplaner? Buddha ist überall! Da kann der Affe Sun Wukong noch so hoch springen, er bleibt in der Hand Buddhas

Ich sagte: »Tante, ich bin Offizier der Volksbefreiungsarmee, Renmei muss dann wohl abtreiben. Aber Wang Galle und Chen Nase sind Bauern. Bei beiden ist das erste Kind ein Mädchen. Unsere Politik erlaubt doch, dass sie ein zweites Kind haben dürfen. Für Galle ist es nicht einfach, schwanger zu werden ...«

Tante unterbrach mich spitz mit einem gehässigen Lachen: »Da hast du vor deiner eigenen Türe noch nicht gekehrt und beginnst schon für andere die Lanze zu schwingen! Die Politik sieht ein zweites Kind nur vor, wenn acht Jahre zwischen dem ersten und dem zweiten liegen. Wie alt ist die kleine Ohr?«

»Aber das ist doch nur ein paar Jahre zu früh?«, wandte ich ein.

»Da machst du es dir entschieden zu einfach! Nur ein paar Jahre früher ... Und wenn alle nur ein paar Jahre früher ihr zweites bekommen? So ein Vorgehen darf man gar nicht erst vorschlagen! Das produziert Chaos. Kümmere dich nicht um die Angelegenheiten anderer! Fang erst mal bei dir selbst an!«

9

Gugu kam an der Spitze einer gut besetzten Spezialeinheit von Geburtenplanern in unser Dorf. Sie war Truppführerin, der stellvertretende Truppführer kam von der bewaffneten Volkswehr unserer Kommune. Zur Einheit gehörten Kleiner Löwe und sechs muskulöse Volksmilizionäre. Sie verfügten über einen Lieferwagen, auf dem ein Hochfrequenzlautsprecher montiert war, und einen Kettentrecker mit einem starken Dieselmotor.