Ich hatte, noch bevor Tante mit ihrem Trupp bei uns im Dorf angekommen war, noch mal am Tor meines Schwiegervaters geklopft, er hatte sich erbarmt und mich hereingelassen.
»Du hast auch bei der Armee gedient«, sagte ich, »und du weißt, dass jedem militärischen Befehl sofort nachzukommen ist. Sich Befehlen zu widersetzen, ist nicht möglich.«
Mein Schwiegervater rauchte und sagte: »Warum schwängerst du sie, wenn dir doch klar ist, dass sie das zweite Kind nicht gestatten? Wenn die Schwangerschaft schon so weit fortgeschritten ist, kann man das Kind nicht mehr abtreiben! Wenn sie nun dabei stirbt? Ich habe nur die eine Tochter!«
»Die Sache habe ich mir nicht vorzuwerfen. Also grolle mir nicht!«
»Wem, wenn nicht dir, sollte ich sonst grollen?«
»Wenn du jemandem Vorwürfe machen willst, mach sie Yuan Backe. Die Polizei hat ihn bereits festgenommen.«
»Red keinen Scheiß, ich sag dir eins: Wenn meiner Tochter was zustößt, mache ich dir, so alt wie ich bin, unter Einsatz meines Lebens den Garaus!«
»Meine Tante sagt, es passiert nichts. Sie sagt, auch bei Schwangeren, die im siebten Monat waren, haben sie Abtreibungen gemacht.«
»Deine Tante ist kein Mensch, die ist ein Todesdämon!«, fiel meine Schwiegermutter ein. »Wie viele Menschenleben die in den letzten Jahren schon ausgelöscht hat! An ihren Händen klebt Blut! Ist sie erst unter der Erde, wird Höllenfürst Yama sie mit tausend Messerschnitten häuten!«
»Was redest du da, Frau?«, schimpfte mein Schwiegervater. »Halt dich raus, wenn wir hier unter Männern Dinge besprechen, die nur Männer was angehen!«
»Wie? Dinge, die nur Männer was angehen? Da wollt ihr mein Herzblut, meine einzige Tochter, dem Tod ausliefern, sie ans Höllentor fahren, und ihr wagt es zu behaupten, das sei Männersache?«, fuhr meine Schwiegermutter ihn an.
»Mutter, ich will doch keinen Streit mit dir! Ruf bitte Renmei für einen Augenblick heraus. Ich will ihr was sagen!«
»Du kommst hierher, weil du zu Renmei willst? Sie ist die Schwiegertochter deiner Familie. Sie wohnt bei euch! Oder hast du ihr längst etwas Furchtbares angetan? Dann kriegst du es mit uns zu tun! Wir werden unsere Tochter zurückverlangen!«
Also rief ich selbst laut ins Haus hinein: »Renmei, hör bitte, ich habe gestern mit der Tante verhandelt. Ich habe ihr gesagt, ich wolle die Parteimitgliedschaft nicht mehr, meine Position auch nicht mehr, sondern lieber wieder nach Hause und Bauer sein, damit du das Kind bekommen kannst. Aber die Tante sagt, das kommt nicht in Frage. Backes Fall hat bereits die Provinzregierung auf den Plan gerufen. Der Kreis hat der Tante die Anweisung erteilt, dass alle, die unerlaubt schwanger geworden sind, abtreiben müssen ...«
»Das machen wir nicht! Wo leben wir eigentlich?« Schwiegermutter holte eine Waschschüssel mit Schmutzwasser und schüttete sie mir mit Schwung ins Gesicht. »Du, hol deine Tante, diese fickerige, stinkende Möse her! Ich mach sie fertig! Und wenn wir beide dabei draufgehen. Auch gut! Die Neiderin kann nicht leiden, wenn andere Kinder kriegen, weil sie selber keine hat!«
Als ich wüst zugerichtet, am ganzen Körper triefend vom Schmutzwasser, abziehen musste, parkte der Lieferwagen der neu formierten Spezialeinheit der Geburtenplaner schon vor dem Haus meiner Schwiegereltern. Alles, was bei uns im Dorf Beine zum Laufen hat, war gekommen. Auch Xiao Oberlippe mit seiner halbseitigen Lähmung und seinem davon schiefen Gesicht kam, auf den Krückstock gestützt, angehumpelt. Aus den Lautsprechern ertönten stark emotionale Parolen: Die Geburtenplanung ist von erstrangiger Bedeutung! Sie ist der Schlüssel für die Zukunft unseres Staates und eröffnet unserem Volk Zukunftschancen ... Um den Aufbau der vier modernen, starken Länder langfristig zu gewährleisten, muss die Bevölkerungszahl begrenzt werden. Die Qualität der Bevölkerung soll steigen ... Die Gesetzesbrecher, die unerlaubt schwanger geworden sind, sollen sich keine falschen Hoffnungen machen und wissen, dass es vergeblich ist, sich durchzuschwindeln ... Denn die Volksmassen haben strahlende Augen und blütenweiße Augäpfel. Ob ihr euch in dunklen Löchern unter der Erde versteckt oder im tiefen Wald verkriecht, hört auf, zu glauben, dass das euch retten könnte. Ihr werdet uns nicht entkommen ... Wer die Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Geburtenplanung verunglimpft, sie tätlich angreift, den wird man auf frischer Tat fassen und festnehmen und wie einen Konterrevolutionär aburteilen ... Wer die Geburtenplaner hintergeht und ihre Arbeit durchkreuzt, wird die harten Strafen der Partei und des Staates erdulden ...
Meine Tante stand vorn, der Vizetruppführer der Kommunevolkswehr und Kleiner Löwe hatten sich schützend hinter ihr aufgestellt. Das Tor zum Haus meines Schwiegervaters war fest verschlossen. Zu beiden Seiten des Tores hing ein Couplet: So wie Flüsse und Berge seit Jahrtausenden von Anmut sind, soll unser Vaterland zehntausend Jahre blühenden Frühling genießen.
Die Tante drehte sich zu der Menge Schaulustiger um: »Ohne Geburtenplanung werden Berge und Flüsse ihre Farbe verlieren und unser Land wird untergehen! Dann werden wir die Jahrtausende alte Anmut vergebens suchen! Und den zehntausend Jahre blühenden Frühling wird man auch vergebens suchen!« Tante betätigte den Türklopfer und brüllte mit ihrer heiser rauchigen Stimme: »Renmei, du hast dich im Kartoffelkeller neben dem Schweinestall verkrochen. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das nicht weiß?! Deine Sache hat schon das Kreisparteiamt auf den Plan gerufen, die Armee ist auch aufmerksam geworden. Du bist ein typisches Negativbeispiel. Du hast jetzt die Wahclass="underline" Entweder du kommst brav hervor und folgst mir auf unsere Krankenstation, dort leiten wir operativ die Geburt ein. Und weil wir Rücksicht darauf nehmen, dass bei dir eine fortgeschrittene Schwangerschaft besteht, bieten wir dir sogar an, dich ins Kreiskrankenhaus zu begleiten, damit dort der allerbeste Arzt die Sache für dich erledigt. Oder aber, du bleibst starrköpfig. Dann planieren wir mit dem Trecker die Häuser deiner nächsten Nachbarn und machen danach dein Elternhaus dem Erdboden gleich. Alles, was hier bei euren Nachbarn an Schaden angerichtet wird, muss dein Vater ersetzen. Und auch dann entgehst du der Abtreibung deines Kindes nicht. Mit anderen wäre ich vielleicht nachsichtiger. Bei dir bin ich es nicht! Renmei, hast du verstanden, was ich gesagt habe? Wang Jinshan und Wang Xiuji, habt ihr verstanden, was ich gesagt habe?« Rüde und unhöflich brüllte meine Tante die bloßen Namen meiner Schwiegereltern.
Kein Laut, nichts rührte sich hinter dem Hoftor meiner Schwiegereltern. Totenstille herrschte. Dann krähte ein junger Hahn schrill sein markdurchdringendes Kikeriki. Daran schlossen sich die von Weinen unterbrochenen Schmähungen meiner Schwiegermutter an: »Du Unmensch, du der Hölle entstiegene Bestie, herzlose Teufelin ... warte nur, bis du in der Hölle schmorst! Du sollst einen grausamen Tod haben ... Wenn du tot bist, gehörst du auf den Messerberg, in den Kessel mit siedendem Öl, die Haut sollen sie dir abziehen, die Augen herausreißen, dich mit Öl übergießen und auf dem Scheiterhaufen anzünden ...«
Tante lachte ihr eisiges Lachen: »Fangt an!«, forderte sie den Vizetruppführer der Volkswehr auf.
Der Vizetruppführer führte seine Milizionäre ins Feld, hinter sich her zogen sie ein dickes Stahlseil. Das banden sie zuerst am Stamm des alten Schnurbaums beim rechten Nachbarn fest. Xiao Oberlippe bahnte sich auf seinen Krückstock gestützt einen Weg durch die Menge bis nach vorn. Er grummelte: »... das ist unser Baum.« Er versuchte meine Tante mit seinem Krückstock zu schlagen. Als er ausholte, verlor er das Gleichgewicht. Tante lachte: »Ach, euer Baum? Tut mir leid für dich, dass du dir die falschen Nachbarn ausgesucht hast!«
»Ihr seid Straßenräuber! Kriminelle! Ihr seid wohl Baojia-Vorsteher der Kuomintang!«