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Die Tante parierte: »Du beschimpfst uns als Kriminelle? Du bist schlimmer als die Kuomintang! Selbst die bezeichnet uns nur als kommunistische Banditen!«

»Ich werde euch anzeigen! Mein Sohn arbeitet beim Staatsrat.«

»Mach doch! Bis ganz nach oben am besten!«

Xiao Oberlippe schleuderte den Krückstock fort und schlang beide Arme um den Baum. Er weinte: »Ihr dürft meinen Baum nicht rausreißen. Backe sagt, der Baum liegt auf der Lebensader unserer Familie. Nur wenn es dem Baum gutgeht, geht es unserer Familie gut.«

Gugu grinste: »Hat Backe auch ausgerechnet, wann die Polizei dich abholt?«

»Nur wenn ihr mich zuerst tötet«, schrie Oberlippe erbärmlich weinend.

»Oberlippe! Wo ist dein wilder Schneid aus Zeiten der Kulturrevolution geblieben? Wie du damals ausgeteilt hast! Du warst nicht zimperlich!« Messerscharf war ihr Ton. »Und jetzt sabberst und heulst du wie ein altes Weib!«

»Ich weiß schon, du willst dich an mir rächen. Du schiebst politische Gründe nur vor, benutzt deine Position, um es mir heimzuzahlen! Was kann mein Baum dazu, dass die Frau deines Neffen heimlich schwanger ist. Du darfst meinen Baum nicht ausreißen!«

»Ich hol dir nicht nur den Baum weg, ich schleif ihn noch über dein Haustor, zieh ihn über dein Ziegeldach. Heul hier nicht nutzlos rum. Geh zu Wang Jinshan, damit der das regelt.«

Gugu ließ sich von ihrer Gehilfin ein Megaphon reichen und begann hineinzusprechen: »Nachbarn zur Linken und zur Rechten von Wang Jinshans Haus, ich habe euch was zu sagen! Entsprechend außerordentlicher Regelungen beschließt das Komitee der kommunalen Geburtenplanung, die Häuser der direkten Nachbarn des Wang Jinshan, der sich strafbar macht, weil er eine illegal schwangere Tochter bei sich versteckt hält, Widerstand gegen die Staatsgewalt leistet und die Arbeiter im Komitee rüde beschimpft, einzureißen und zu planieren. Den Verlust, den ihr erleiden werdet, muss Wang euch ersetzen. Wenn ihr nicht möchtet, dass eure Häuser planiert werden, bringt ihn umgehend dazu, seine Tochter herauszugeben.«

Die Nachbarn meines Schwiegervaters begannen zu streiten, dass die Fetzen flogen.

Tante gab sodann dem Vizetruppführer der Volkswehr den Befehclass="underline" »Anweisung ausführen!«

Der Motor des Kettentreckers heulte auf, dass die Erde unter unseren Füßen erzitterte. Das Kettenfahrzeug bewegte sich knurrend vorwärts, das Stahlseil wurde stramm gezogen und gab sirrende Laute von sich, während die Zweige und Äste des Schnurbaums zuckten und zitterten.

Xiao Oberlippe kam halb kriechend, halb rollend vor das Haupttor meines Schwiegervaters. Wie rasend trommelte er dagegen und brüllte: »Wang Jinshan! Verdammt, ich fick deine Ahnen! Du stürzt deine Nachbarn ins Verderben. Zur Hölle sollst du fahren!«

In seiner Not und Angst sprach der sonst Nuschelnde unerwartet deutlich.

Das Tor meines Schwiegervaters blieb fest verschlossen, man hörte nur das zum Steinerweichen verzweifelte Weinen meiner Schwiegermutter im Hof.

Tante gab dem Vizetruppführer mit der erhobenen Rechten ein Zeichen: »Los!« Der brüllte den Fahrer an: »Umlegen! Mit voller Kraft voraus!«

Der Kettentrecker brummte markerschütternd auf, das Stahlseil spannte sich sirrend, wurde straffer und straffer. Es bohrte sich in die Rinde, schnitt hinein, dass Saft austrat. Der Trecker fuhr Stück für Stück weiter vorwärts. Aus dem Auspuff vorn auf dem Kühler pufften blaue, kreisrunde Qualmwolken wie Rauchzeichen empor. Der Fahrer fuhr und schaute dabei zurück. Er war mit einem blitzsauberen blauen Arbeitsanzug bekleidet, um den Hals trug er ein schneeweißes Schweißtuch, schräg auf dem Kopf eine Schiebermütze. Mit den oberen Schneidezähnen biss er sich auf die Unterlippe. Er hatte einen Oberlippenbart. Ein scharfsinniger Jüngling war das!

Als der riesige Baum in die Schräge kippte, entfuhren ihm berstende, leidvolle Geräusche. Das Drahtseil, das sich tief in den Stamm eingegraben hatte, hatte ihm ein Stück Borke abgezogen, so dass man die weißen Holzfasern sehen konnte.

»Verdammt, fick deine Mutter, Wang Jinshan! Komm da raus!« Xiao Oberlippe trommelte gegen das Tor, stieß mit den Knien und rammte den Kopf dagegen. Aber im Haus meines Schwiegervaters blieb es still. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Sogar das Weinen der Schwiegermutter war verstummt.

Der große Baum neigte sich immer mehr, rauschend senkte sich die üppig belaubte Krone.

Xiao Oberlippe kam zu ihm gestolpert, stand an seiner Seite. »Mein Baum, unser Glücksbaum!«

Die Wurzel des Baums bewegte sich, die Erde um ihn herum riss auf.

Xiao Oberlippe rang mit sich, quälte sich wieder ans Tor meines Schwiegervaters: »Du Hurensohn, Wang Jinshan! Wir sind seit dreißig, vierzig Jahren gute Nachbarn, um ein Haar und wir wären verschwägert, und jetzt löschst du meine Familie aus ...«

Die riesige Wurzel ragte aus der Erde, sie war von hellbrauner Farbe ... eine Riesenpython, die unter Ächzen aus der Erde gezogen wurde. Nebenwurzeln rissen, brachen, immer länger, immer länger ... immer mehr Riesenpythonschlangen, die so ans Tageslicht kamen. Als die Wurzel draußen war, fiel die Baumkrone wie ein Besen zu Boden. Die kleinen Zweige zerbrachen und wirbelten Sand vom Boden auf. Die herumstehenden Gaffer schnupperten, schnaubten, als sie den Duft der frischen Erde und des Baumsaftes rochen ...

»Fick deine Mutter, Wang Jinshan, ich ramm jetzt meinen Schädel in deine Tür, bis ich tot bin, verdammt noch mal!«

Man hörte nichts. Aber nicht, weil nichts zu hören war, sondern weil der ohrenbetäubende Motorenlärm des Kettentreckers alle anderen Geräusche zudeckte.

Der Trecker hatte den großen Schnurbaum nun an die fünfzig Meter weit von Xiao Oberlippes Haus weggezogen. Wo er gestanden hatte, blieb ein Riesenloch im Boden, mit einem Wirrwarr unzähliger abgerissener Baumwurzeln. Eine Kinderschar suchte zwischen den Wurzeln nach Seidenraupenlarven.

Gugus Stimme dröhnte durch das Megaphon: »Als nächstes reißen wir Oberlippes Haustor nieder.«

Ein paar Milizionäre schafften Xiao Oberlippe vom Tor weg, zupften ihn am Philtrum und rieben seine Brust, damit er wieder zu Sinnen kam.

Seelenruhig fuhr die Tante fort: »Passt auf, ihr Nachbarn von Wang Jinshan! Wenn ihr wieder nach Haus kommt, packt eure Wertsachen zusammen. Nach Oberlippes Haus kommen eure Häuser an die Reihe. Ich sehe ja ein, dass es euch nicht einleuchtet. Aber wenn wir das eigentliche Ziel vor Augen behalten, können wir dieses Vorgehen sinnfällig nachvollziehen. Was ist unser großes Ziel? Die Geburtenplanung! Den Bevölkerungszuwachs beschränken, das ist das Ziel. Ich fürchte mich nicht vor der Rolle des Bösewichts. Irgendwer muss es immer sein. Ich weiß, dass ihr euch wünscht, dass ich zur Hölle fahre, wenn ich einmal tot bin. Kommunisten glauben nicht an so einen Kram! Konsequente Atheisten kennen keine Furcht! Wenn es nun doch eine Hölle gibt? Na, wenn schon! Ich fürchte mich davor nicht! Ich fahre nicht zur Hölle! Warum sollte ich? Nehmt das Stahlseil ab und legt es um den Torbogen!«

Die Nachbarn meines Schwiegervaters brausten zu seinem Haustor wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Sie bearbeiteten es mit Fäusten und Fußtritten, schmissen Ziegelsteine über die Mauern in seinen Hof. Manche kamen auch und schleiften Maisstrohgarben hinter sich her, die sie unter seiner Traufe aufstellten, wobei sie mit lauter Stimme schrien: »Wang Jinshan, wenn du nicht rauskommst, zünden wir dein Haus an!«

Das Tor öffnete sich schließlich. Aber es kam nicht mein Schwiegervater heraus, auch nicht meine Schwiegermutter. Meine Frau erschien im Tor. Mit wirren Haaren, am ganzen Leib dreckverkrustet, an einem Fuß einen Schuh, den anderen barfuß, war sie gerade aus dem Kartoffelkeller herausgekrabbelt.

»Gugu, wenn ich jetzt nachgebe, lässt du sie dann in Ruhe?«, stammelte meine Frau und kam auf meine Tante zu.

Die lachte erfreut: »Wusste ich doch, dass die Frau meines Neffen den tiefen Sinn der großen gerechten Sache begreift!«