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»Jetzt reicht’s aber! Genug der Worte über mich! Ich habe bisher noch lange nicht genug erreicht, ich muss mich weiter anstrengen.«

»Kleine Genossin Wang«, wandte sich die Vorsitzende Yang wieder Renmei zu: »Wer von uns Frauen mag schon keine Kinder? Eins, zwei und auch drei, ja zehn Kinder zu bekommen, finden wir nicht zu viel. Die Partei und unser Staat lieben die Kinder. Schau dir den Vorsitzenden Mao und Premierminister Zhou Enlai an. Sie lächeln, sobald sie Kinder erblicken, übers ganze Gesicht. Ihre Kinderliebe kommt von Herzen. Warum machen wir denn immer nur Revolution? Am Ende doch deshalb, weil wir unseren Kindern ein glückliches Leben ermöglichen wollen. Unsere Kinder sind die Zukunft unseres Staates, sie sind der wahre Schatz unserer Republik! Aber wir haben Probleme bekommen. Wenn wir die Geburtenplanung nicht durchsetzen, werden unsere Kinder sehr wahrscheinlich nicht genug zu essen haben, nichts anzuziehen, keine Schule, keine Universität besuchen können. Deswegen muss die Geburtenplanung mit ihrer Unmenschlichkeit im Kleinen dazu beitragen, dass die Menschlichkeit im Großen entstehen kann. Du erträgst Schmerzen und Leid im Kleinen, bringst ein kleines Opfer, und das ist dein Beitrag und Geschenk an dein Vaterland!«

»Vorsitzende Yang, ich werde auf Sie hören«, erwiderte Renmei, »noch heute Abend lasse ich es machen.« Sie wandte sich Gugu zu: »Tante, nimm mir auch gleich die Gebärmutter mit heraus. Dann ist es gut.«

Die Vorsitzende horchte auf und musste lachen.

Alle Anwesenden an der Tafel lachten mit.

Die Vorsitzende Yang zeigte mit dem Finger auf mich: »Renner, welch entzückende Frau du hast! Das ist ja ganz erfrischend! Aber die Gebärmutter, die können wir nicht entfernen. Die müssen wir gut beschützen! Da bist du doch meiner Meinung, Leiterin Wan, nicht wahr?«

»Eine Powerfrau ist meine Schwiegertochter, die ich da von meinem Neffen habe! Wenn sie ihre OP überstanden und sich wieder erholt hat, werde ich sie in unsere Arbeitsgruppe der Geburtenplanung versetzen! Parteisekretär Wu, begrüße sie vor ihrer Ernennung schon mal! Sie wird mit uns zusammenarbeiten«, verkündete meine Tante.

»Aber natürlich!«, erwiderte der Kommuneparteisekretär. »Nur die Begabtesten versetzen wir in die Abteilung der Geburtenplaner! Wenn Genossin Wang Renmei mit ihrem persönlichen Beispiel die Leute überzeugt, wird sie ungeheuer viel bewegen.«

»Renner«, fragte mich die Vorsitzende Yang, »wie ist deine Position zurzeit?«

»Ich bekleide den Rang eines leitenden Offiziers und bin in der Kompanie verantwortlich für alles Gedruckte, für Stil und äußere Form.«

»Wie lange leitest du die Kompanie schon?«

»Seit dreieinhalb Jahren.«

»Dann kannst du doch in Kürze zum Vize-Bataillonskommandeur ernannt werden«, meinte sie, »und wenn du das bist, folgt dir die kleine Genossin Wang nach Peking.«

»Kann auch meine Tochter mit nach Peking ziehen?«, fragte Renmei mit vorsichtigem Stimmchen.

»Aber selbstverständlich!«, antwortete die Vorsitzende Yang.

»Ich habe aber gehört, dass es schwer ist, dem Mann nach Peking zu folgen, und dass man wegen einer Quote lange warten muss ...«

»Kümmere du dich anständig um deine Arbeit, wenn du wieder nach Haus kommst. Lass mich nur machen, ich werde das schon besorgen.«

»Das ist ja ganz toll! Wie wunderbar! Dann kann meine Tochter in Peking die Schule besuchen!« Renmei war an Händen und Füßen ganz zappelig geworden. »Meine Tochter wird Pekingerin!«

Die Vorsitzende Yang musterte Renmei wieder und wies meine Tante an: »Bereite die Operation gründlich vor! Alles muss sicher und ohne Komplikationen verlaufen.«

»Keine Sorge!«, sagte Gugu nur.

11

Bevor es in den Operationssaal ging, sah Renmei sich mein Handgelenk an. Schuldbewusst sagte sie: »Renner ich hätte dich wirklich nicht beißen dürfen ...«

»Nicht so schlimm!«

»Tut es noch weh?«

»Nö, als hätte mich eine Mücke gestochen, mehr nicht.«

»Du kannst mich zurückbeißen!«

»Geht’s noch? Sei nicht kindisch!«

»Renner«, sie ergriff meine Hand, »was ist mit Yanyan?«

»Die ist zu Haus. Oma und Opa passen auf sie auf.«

»Hat sie auch gegessen?«

»Ja. Ich habe zwei Tüten Milchpulver besorgt und zwei große Pakete Butterkekse. Lotuswurzelspeise und Rousong-Fleisch habe ich auch gekauft. Mach dir keine Sorgen.«

»Yanyan sieht mehr dir ähnlich. Sie hat Schlitzaugen, meine doppelte Lidfalte hat sie nicht geerbt.«

»Stimmt. Wäre schöner, wenn sie dir ähneln würde, du siehst viel schöner aus als ich.«

»Die Leute sagen immer, die Mädchen ähneln den Vätern und die Jungen ähneln den Müttern.«

»Kann schon sein.«

»Diesmal ist es ein Junge. Ich weiß es genau. Ungelogen ...«

»Die heutigen Zeiten sind anders. Es ist gleichgültig, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.« Ich sagte es absichtlich so leicht dahin. »Wenn ihr beide mir in zwei Jahren nach Peking folgt, suchen wir für unsere Tochter die allerbeste Schule aus. Wir werden sie gut fördern, damit sie sich zu einer herausragenden Persönlichkeit entwickeln kann. Eine gute Tochter ist viel besser als ein Sohn, der nichts allein zuwege bringt.«

»Renner ...«

»Was ist denn noch?«

»Als Xiao Unterlippe mich angefasst hat, waren wirklich die Kleider dazwischen!«

»Du bist mir ja eine«, lachte ich, »das hatte ich doch längst vergessen.«

»Die dicke gefütterte Steppjacke war dazwischen. Darunter hatte ich einen Pullover an, unter dem Pullover ein Hemd und darunter ...«

»Den Büstenhalter, stimmt’s?«

»An jenem Tag trug ich ihn nicht, weil ich ihn gewaschen hatte, ich trug ein Unterhemd unter dem Hemd.«

»Ist ja gut, ich will den Unsinn gar nicht hören.«

»Dass er mich noch geküsst hat, war, weil es ihn plötzlich überkam. So sehr, dass er nicht mehr an sich halten konnte.«

»Ich will das nicht mehr hören, mir reicht’s. Ein Kuss, und wenn schon. Hatte sich wohl verliebt.«

»Ich habe mich nicht einfach so von ihm küssen lassen. Ich habe ihn dafür sofort in den Unterleib getreten. So dass er beide Hände draufhielt und in die Knie ging.«

»Beim Himmel, Unterlippe, der Pechvogel«, lachte ich. »Und mich? Warum hast du mich nicht getreten, als ich dich geküsst habe?«

»Er stinkt aus dem Mund! Anders als du, dein Mund schmeckt süß.«

»Das erklärt, dass du mir von Geburt an als meine Frau bestimmt bist.«

»Renner, ich bin dir wirklich sehr dankbar.«

»Dankbar? Wofür?«

»Ich weiß auch nicht.«

»Jetzt hört ihr mal mit dem Geturtel auf. Später könnt ihr weiter reden.« Tante streckte den Kopf aus dem OP und winkte Renmei zu: »Dann komm mal rein.«

»Renner!« Sie ergriff meine Hand.

»Hab keine Angst«, sagte ich, »die Tante sagt doch, es ist nur ein kleiner Eingriff.«

»Wenn wir wieder zu Hause sind, musst du mir ein Suppenhuhn kochen.«

»Mache ich, ich koche dir zwei!«

Bevor Renmei im OP verschwand, drehte sie sich nach mir um. Obenherum trug sie meine graue, kaputte Jacke. Ein Knopf war abgerissen. Man sah an der Stelle das Fadenende herabhängen. Untenherum trug sie eine blaue Hose. Die Hosenbeine waren voller Matsch, und an den Füßen trug sie Tantes alte, braune Lederschuhe.

Ich musste schlucken, in der Nase hatte ich dieses stechende Gefühl, das man hat, wenn man weinen muss. Ich fühlte mich so leer. Ich saß auf der dreckigen, staubigen Holzbank auf dem Flur und hörte aus dem OP das metallene Klappern der Instrumente. Ich stellte mir die Instrumente vor und hatte sie so lebendig vor Augen, dass ich spürte, wie mir der helle Lichtstrahl des Metalls in die Augen stach und ich ihre eiskalte Temperatur auf der Haut fühlte. Aus dem Hinterhof der Krankenstation hörte man fröhliches Kinderlachen. Ich erhob mich und sah vorm Fenster einen drei, vier Jahre alten kleinen Jungen zwei zu Luftballons aufgeblasene Kondome hochhalten. Er rannte vorneweg, zwei Mädchen im selben Alter rannten ihm hinterher.