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»Gugu, du magst sagen, was du willst, aber ich bin seit jeher Wang Lebers bester Freund«, erwiderte ich nur. »Jeder weiß, dass er Shizi vergöttert. Würde ich sie jetzt heiraten, die Leute würde mich voller Abscheu so heftig anspucken, dass ich darin ertrinken müsste!«

»Da hast du was gehörig durcheinandergebracht. Wenn er Shizi liebt, macht er die Rechnung ohne den Wirt! Ein fahrender Friseur hat am Tragjoch nur in einem der beiden Eimer warmes Wasser, im anderen nicht. Ich hab bisher nicht gehört, dass sie gesagt hätte, sie wolle mit Leber zusammen sein. Heiratet sie dagegen dich, so nennen wir das: Ein gutes Huhn wählt sich den Baum für sein Nest selbst. Dann hätte der Topf endlich seinen Deckel gefunden. Außerdem haben Liebesdinge nichts mit Kameradschaft oder Männerfreundschaften und derlei Werten zu tun. In dieser Beziehung solltest du ausschließlich eigennützig vorgehen. Wäre Kleiner Löwe ein Pferd, das Wang Leber gefällt, könntest du es ihm ja überlassen. Sie ist aber ein Mensch, in den du dich verliebt hast. Da musst du kämpfen, auch wenn du sie dir mit Gewalt holen musst. Mein Junge, du schlägst dich da draußen seit Jahren durchs Leben, hast ausländische Filme ohne Ende gesehen und bist immer noch so borniert, dass du es nicht hinkriegst, so etwas locker anzugehen?«

»Selbst wenn ich mich einverstanden erklärte, aber Kleiner Löwe – was ist, wenn sie ...«

Gugu unterbrach mich sofort: »Da mach dir da mal keine Sorgen! Ich kenne sie. Nach so vielen Jahren, wie wir beide schon zusammen sind! Ich lese aus ihr wie aus einem offenen Buch. Ich sag dir jetzt mal die ganze Wahrheit: Sie liebt nur dich! Wäre Wang Renmei nicht abgetreten, bliebe sie für den Rest ihres Lebens solo.«

»Tante, lass es mich noch einige Tage überdenken«, sagte ich nur, »die Erde auf Renmeis Grab ist noch frisch.«

»Was gibt es da zu überdenken? Schieb es nicht auf die lange Bank! Wenn Renmei jetzt im Himmel ist und auf uns herabschaut, wird sie in die Hände klatschen und es gutheißen. Und warum? Weil Kleiner Löwe ein gutes Herz hat. Bekommt ihre Tochter eine solche Stiefmutter, hat sie Glück! Außerdem kannst du nach den Richtlinien unserer Politik mit diesem Mädchen ein Kind zeugen. Ich wünsche mir für euch, dass ihr Zwillinge bekommt. Renner, mach aus Gift Medizin, du kannst noch alles Unglück in Glück verwandeln.11

5

Der Hochzeitstag wurde festgesetzt.

Alles wurde nach Gugus Vorstellungen abgewickelt. Ich fühlte mich wie ein fauliges Stück Holz, das auf dem Wasser treibt. Ein Schubs und ich bewegte mich.

Mit dem Gang zur Amtsstube der Kommune, um die Heirat eintragen zu lassen und die Heiratsurkunde zu beantragen, unternahmen Kleiner Löwe und ich zum zweiten Mal etwas allein.

Beim ersten Mal hatten wir uns im Wohnheim getroffen. Auch das war ein Sonnabendvormittag gewesen.

Gugu hatte uns ins Zimmer geschoben, die Tür geschlossen und war weggegangen. Im Zimmer gab es zwei Betten, zwischen den Betten ein Nachtschränkchen mit drei Schubladen, worauf sich völlig verstaubte Zeitungen und ein paar Bücher über Frauenheilkunde türmten. Vor dem Fenster sah man ein paar prächtige Sonnenblumen. Sie standen in voller Blüte, Bienen hatten sich darauf niedergelassen und sammelten fleißig Nektar. Kleiner Löwe hatte mir ein Glas Wasser eingegossen und sich dann auf die Kante ihres Bettes gesetzt. Ich saß auf Gugus Bettkante. Im Zimmer roch es nach parfümierter Seife. Die Waschschüssel auf dem Ständer Marke Red Lantern war noch halbvoll mit Seifenwasser, Gugus Bett war unordentlich, die Decke nicht zusammengelegt.

»Gugu ist wohl überstürzt zur Arbeit los?«

»Ja.«

»Es kommt mir vor wie ein Traum.«

»Mir geht es genauso.«

»Weißt du, was mit Leber ist? Der hat dir fast sechshundert Briefe geschrieben.«

»Das hat Gugu mir mal gesagt.«

»Was denkst du darüber?«

»Weiß nicht.«

»Ich war schon mal verheiratet. Eine kleine Tochter habe ich auch. Ist dir das nicht unangenehm?«

»Nein.«

»Sprich doch erst mal mit deiner Familie darüber!«

»Ich habe keine Familie.«

Ich brachte sie mit dem Fahrrad zur Kommuneverwaltung. Die Straße war gerade mit Ziegelschotter ausgebessert worden, das Fahrrad ruckelte hin und her; es war schwer, die Spur zu halten. Sie saß auf dem Gepäckträger, die Schulter an meinen Rücken gelehnt. Ich spürte ihr Gewicht.

Es gibt Leute, die lassen sich prima auf dem Gepäckträger mitnehmen, bei anderen ist es furchtbar anstrengend. Wang Renmei gehörte zu der ersten, Kleiner Löwe zur zweiten Sorte.

Ich mühte mich ab und trat mit aller Kraft in die Pedalen. Dann riss die Kette. Ich bekam einen Wahnsinnsschreck, denn ich dachte sofort: Ein schlechtes Omen! Würde ich auch mit ihr nicht immer zusammenbleiben und würde unsere Beziehung unglücklich zerreißen? Wie eine Schlange lag die Kette auf der Erde. Ich klaubte sie auf und blickte mich hilfesuchend um.

Zu beiden Seiten der Straße wuchs Mais, ein paar Frauen waren damit beschäftigt, die Pflanzen mit einem Insektenschutzmittel zu besprühen. Die Spritzflaschen machten beim Pumpen laute Geräusche, es hörte sich an wie Fliegeralarm. Die Frauen hatten eine Plastikplane um die Schultern gelegt, einen Mundschutz vor dem Gesicht und ein Kopftuch umgebunden. Was für eine grausige Arbeit.

Wie die Wölkchen so aus dem grasgrünen Mais nach oben aufstiegen, war man fast versucht, in dieser Szenerie eine gewisse Poesie zu entdecken, kamen einem doch glatt auf Wolken reitende und durch Nebel driftende Unsterbliche in den Sinn.

Ich musste an Wang Renmei denken. Sie war mutig gewesen. Sie traute sich sogar, Schlangen zu fangen. Sie griff sie am Schwanz, so wie ich die Fahrradkette aufgeklaubt hatte. Sie hatte auch eine Zeitlang diese Insektenschutzmittel spritzen müssen. Denn nachdem sie die Verlobung und den Ehevertrag mit Xiao Unterlippe wieder rückgängig gemacht hatte, war sie von der Schule entlassen worden. Ihr Haar roch nach der Arbeit stark nach Pestiziden, aber sie lachte nur und sagte, so spare sie das Haarewaschen. Kopfläuse und Mücken würden nun einen großen Bogen um sie machen. Beim Haarewaschen hielt ich ihr den Krug und goss ihr von hinten das Wasser übers Haar. Sie hielt den Kopf über die Schüssel gebeugt, schluckte Wasser und lachte. Als ich fragte, worüber sie denn lache, lachte sie noch mehr, so heftig, dass die Waschschüssel zu Boden fiel.

Während ich an sie dachte, hatte ich sofort wieder Gewissensbisse, so schuldig fühlte ich mich. Ich schielte zu Kleiner Löwe hinüber. Sie hatte sich extra hübsch gemacht: Sie trug eine brandneue rotkarierte, kurzärmlige Bluse mit Hemdblusenkragen und ihr Handgelenk schmückte eine blitzende Quarzuhr. Sie besaß einen üppigen Körper in der Blüte der Jahre! Außerdem hatte sie eine Gesichtscreme mit Perlenpuder aufgelegt, deren feinen Duft ich noch in der Nase hatte. Die Pickel auf ihrem Gesicht stachen nicht mehr so ins Auge.

Es waren noch eineinhalb Kilometer bis zur Kommuneverwaltung, die wir wohl oder übel zu Fuß gehen mussten.

Vor dem Kommuneschlachthof trafen wir auf Chen Nase mit seiner Tochter Ohr auf dem Rücken.

Sowie er uns sah, froren seine Gesichtszüge ein. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, als ich seinen Blick sah, so sehr schämte ich mich. Er drehte sich weg, er wollte mich nicht grüßen.

»Chen Nase«, rief ich noch.

»Huch, ich denke gerade, welch hohes Tier kommt denn hier vorbei!« Wie spitze Pfeile trafen mich seine Worte. Kleiner Löwe warf er einen bitterbösen Blick zu.