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Ich betete zu ihr: »Renmei, ich weiß zwar, dass es dich nicht erfreut, aber ich lade dich von ganzem Herzen ein, mein Gast zu sein. Bitte komm mit Mutter zusammen nach Hause und sei mein Gast auf meiner Hochzeit. Ich werde im Wohnzimmer auf dem Hausaltar bei den Ahnentafeln vier frisch gedämpfte Hefenudeln bereitstellen und etliche Gemüse und auch von den süchtig machenden Schokoladenschnapsbohnen, die du immer so gerne mochtest, du weißt, die, die zuerst wie Medizin schmecken, dann aber nach Schokolade. Den Toten das Beste! Ihr sollt fröhlich speisen.«

Auf dem Rückweg nahm ich den Weg durch die Plantage am Feldrain entlang. Das Gras zu beiden Seiten des Rains war kniehoch gewachsen, und das Regenwasser in den Bewässerungsgräben stand hoch bis an den Rand und gurgelte schnell dahin. Die Pfirsichplantage erstreckte sich nach Süden bis hin zum Moshui-Fluss, nach Norden bis an den Kiaolai. Die Obstbauern waren dabei, Pfirsiche zu pflücken. In der Ferne sah man auf dem breiten Weg ein paar Dreirad-Trecker herumsausen.

Wang Leber stand plötzlich vor mir, als wäre er eben aus dem Erdboden, aus irgendeiner Erdader hervorgeschnellt, und versperrte mir den Weg. Er trug, wie mir gleich auffiel, eine noch ziemlich neue Uniform, die ich ihm im Jahr zuvor geschenkt hatte. Auch hatte er sich einen frischen Fünf-Millimeter-Bürstenhaarschnitt zugelegt und war tipp topp rasiert. Er war immer noch schmächtig, sah aber angenehm wach und energiegeladen aus. Alles Lasche und Niedergeschlagene von früher war wie weggepustet. Wie beruhigend war es für mich, ihn so zu sehen. Dennoch spürte ich, wie mir das Herz in die Hose sackte, so peinlich war es mir, ihm zu begegnen.

»Leber, du, im Grunde ...«

Leber winkte lachend ab und zeigte mir seine zwei Reihen gelber Zähne: »Renner, du musst mir nichts erklären. Ich kann es nachvollziehen. Ich verstehe es, weißt du? Ich wünsche euch beiden Glück.«

»Mensch, Freund ...!« Meine Ohren sausten, gequält streckte ich den Arm vor und versuchte, ihm die Hand zu schütteln.

Er wich zurück: »Du, ich erwache gerade aus einem langen Traum. Meine sogenannte Liebe ist eine schwere Krankheit gewesen. Jetzt werde ich langsam gesund.«

»Das ist ja prima. Ich denke, dass es zwischen euch auch nicht gepasst hätte. Wenn du dich zusammenreißt, kannst du immer noch Großes bewegen. Dann kannst du dir unter noch viel feineren Mädchen das beste aussuchen.«

»Ich bin wertlos geworden, Ausschuss sozusagen. Gekommen bin ich, dich um Verzeihung zu bitten. Hast du nicht bemerkt, dass vor Renmeis Grab Asche liegt? Ich verbrenne dort immer Totengeld für sie. Weil ich sie verraten habe, wurde Backe in Handschellen abgeführt und kam ins Gefängnis. Deswegen mussten sie und das Kind unter ihrem Herzen sterben. Du, ich bin ein Mörder.«

»Das ist nicht dir anzulasten!«, entgegnete ich sofort.

»Renner, ich habe auch lange Zeit jede Menge Rechtfertigungen gesucht, um mich zu beruhigen. Solchen Quatsch wie: Jemanden wegen verbotener Schwangerschaften anzuzeigen, ist eine Bürgerpflicht.

Oder noch schlimmer: Es ist richtig, die gerechten Ziele der Politik über die der eigenen Familie stellen.

Aber trotzdem lässt es mir keine Ruhe. Ich hatte auch keine hehren Ziele, die mich dazu bewogen hätten. Es waren niedere Beweggründe, heimliche Begierden trieben mich, ich wollte Shizi gefallen. Seitdem leide ich unter einer schweren Schlafstörung. Immer wenn ich die Augen schließe, sehe ich Renmei, die mir mit ihren zwei bluttriefenden Händen das Herz aus dem Leibe reißen will ... Jedes Mal bekomme ich mehr Angst, dass ich nur noch wenige Tage zu leben habe.«

»Leber, du grübelst zu viel. Du hast doch nichts Böses getan. Sei nicht abergläubisch. Sie ist bestimmt kein Rachegeist geworden. Wenn ein Mensch stirbt, ist es wie das Davonfliegen von Asche, als ob sich Qualm auflöst. Auch wenn die Totengeister bei den Menschen bleiben, wird Renmei bestimmt Ruhe geben. Sie war ein guter Mensch mit einem unschuldigen Herzen.«

»Das ist nur zu wahr! Aber gerade weil sie so ein guter Mensch war, habe ich ein unerträglich schlechtes Gewissen. Renner, du brauchst mich nicht zu bemitleiden, du musst mir nicht verzeihen. Ich habe heute hier auf dich gewartet, weil ich dich um etwas bitten möchte.«

»Schieß los, Freund.«

»Bitte sag Shizi, sie soll deiner Gugu Folgendes erzählen: Galle kam am bewussten Tag direkt zu mir nach Hause gelaufen, nachdem sie aus dem Brunnen herausgeklettert war. Ihr Anblick hat mich gerührt, jeden Stein hätte er erweicht, und sie ist schließlich meine leibliche Schwester. Wie sie da ankam, so klein und im siebten Monat schwanger, und mich angefleht hat, ihr Leben und das ihres Kindes zu retten. Ich habe sie in einen Jauchetragkorb gesteckt, mit einer dicken Lage Stroh zugedeckt und dann noch einen Sack drübergelegt. Den Jauchetragkorb habe ich auf dem Gepäckträger meines Fahrrads festgebunden und bin zum Dorf hinausgefahren. Am Ortseingang bin ich auf Qin Strom gestoßen, der mich gleich unter die Lupe genommen hat. Qin Strom wird von der Tante als Spion eingesetzt, der die Leute verpfeifen soll. – Deine Tante ist wirklich in der falschen Epoche geboren und macht den falschen Job! Der Krieg wäre für sie ideal gewesen, und ihre ideale Aufgabe die einer Generalin, die ein Heer befehligt und gegen den Feind ins Feld führt.

Qin Strom war der Letzte, dem ich begegnen wollte. Weil er deiner Tante den Lakaien macht und wie ein abgerichteter Hund alles für sie tut. So wie ich für Shizi jeden verpfiffen hab, ohne zu überlegen, so tut er dies für deine Tante.

Er hat mich aufgehalten, hat wissen wollen, wo ich hinwollte.

Wir beide haben so oft gemeinsam vor dem Krankenhaus gewartet, aber dennoch habe ich niemals ein Wort mit ihm gewechselt. Trotzdem weiß ich, dass er mich in seinem Herzen als Freund betrachtet. Wir sind Seelenverwandte, die mit der gleichen Krankheit geschlagen sind. Ich habe ihm mal geholfen, als er vor dem Gasthaus des Genossenschaftsladens von den Bettlern Gao Men und Lu Huahua aufs Korn genommen wurde und Hiebe einstecken musste. Du kennst ja die vier berühmten Dorftrottel Gao, Lu, Qin und Wang, die in Nordost-Gaomi die Straßen belagern, immer einen Haufen Gaffer anziehen und sich mit ihrem Zirkus zum Gespött der Leute machen. Mit Qin meine ich Qin Strom und mit Wang mich selbst. Renner, mein alter Freund, du kannst dir nicht vorstellen, welche Freiheit man gewinnt, wenn die Leute einen für verrückt halten, man es aber gar nicht ist!

Ich bin also vom Fahrrad abgesprungen und habe Qin Strom fest in die Augen geschaut.

›Du bist bestimmt auf dem Weg zum Markt und willst ein Schwein verkaufen.‹

›Richtig. Ich fahre ein Schwein verkaufen.‹

›Im Grunde hab ich ja gar nichts gesehen.‹

Er hat mich laufen lassen. Zwei Narren, die sich auch ohne Worte verstanden haben.

Bitte, Renner, sag Shizi, dass ich meine kleine Schwester auf dem Gepäckträger bis nach Kiautschou gefahren habe. Dort habe ich sie in den Überlandbus nach Yantai gesteckt. Dort sollte sie ein Billet für die Schiffspassage nach Dalian kaufen und von dort den Zug weiter nach Harbin nehmen.

Du weißt ja, dass Chen Nases Mutter aus Harbin stammt. Er hat dort noch Verwandte. Galle hat genügend Geld bei sich, und ihr wisst ja auch, dass sie sehr klug und umsichtig ist. Sie hatte es schon lange geplant. Inzwischen sind gut zwei Wochen vergangen. Galle befindet sich längst an ihrem Ziel.

Deine Tante streckt ihre Hand zwar nach allem aus, aber den Himmel erreicht sie nicht. In unserer Kommune mag sie das Hausrecht haben und tun und lassen können, was ihr beliebt, in anderen Regierungsbezirken und anderen Provinzen ist das jedoch nicht der Fall.

Galle ist bereits im siebten Monat schwanger. Bis deine Tante sie gefunden hat, hat sie ihr Kind längst geboren. Deswegen richte ihr über Shizi aus, sie soll doch endlich Ruhe geben und die Sache als erledigt betrachten.«

»Wenn es so ist, warum soll ich es ihr dann überhaupt sagen?«, fragte ich.