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Der Körpergeruch — auf dreißig Meter war das bei Dutzenden von anderen Gerüchen nicht auszumachen.

Ich war in Versuchung, meine Rolle als Lady über Bord zu werfen — aufzustehen, über die Tanzfläche zu gehen und ihn zu umarmen: „Bist du Freddie? Hast du mich nicht im letzten Mai in Auckland mit in deinBettchen genommen?“

Was wäre, wenn er nein sagt?

Ich bin ein Feigling. Schließlich rang ich mich dazu durch, dem Kapitän zu sagen, ich hätte unter den Auswanderern möglicherweise einen alten Bekannten aus Sydney entdeckt, und fragte, wie ich das überprüfen könnte. Daraus folgte, daß ich den Namen „Federico Farnese“ auf ein Programmheft schrieb und der Kapitän dies an den Zahlmeister weitergab, der seinerseits einen seiner Helfer alarmierte. Der Mann verschwand und kehrte nach einiger Zeit mit der Nachricht zurück, daß es unter den Auswanderern etliche italienisch klingende Namen gebe, aber keinen, der „Farnese“ gliche, ob nun italienisch oder nicht.

Ich dankte ihm und dem Zahlmeister und dem Kapitän und fragte mich, ob ich auch nach „Tormey“ und „Perreault“ suchen lassen sollte, kam aber zu dem Schluß, daß das dumm gewesen wäre, denn ich hatte weder Betty noch Janet gesehen, die sich auf keinen Fall Bärte hätten zulegen können. Ich hatte hinter dichtem Haar ein Gesicht ausgemacht — und somit gar nicht richtig gesehen. Hängt man einem Mann einen Bart vor, sieht man nur noch das Gestrüpp.

Ich überlegte mir, daß das Altweibergewäsch über kuriose Macken bei schwangeren Frauen vermutlich voll und ganz stimmte.

32. Kapitel

Es war zwei Stunden nach Mitternacht, Schiffszeit.

Der Durchbruch in den Normalraum war plangemäß erfolgt, gegen elf Uhr früh, und die Zahlen hatten so gut ausgesehen, daß man gegen null-siebenzweiundvierzig mit dem Erreichen der Stationären Kreisbahn um Botany Bay rechnete, mehrere Stunden früher als ursprünglich kalkuliert. Mich freute diese Entwicklung weniger, denn nach meiner Einschätzung vergrößerte sich durch einen frühmorgendlichen Abflug der Landungsboote die Gefahr, daß mitten in der Nacht Leute in den Gängen unterwegs waren.

Aber ich hatte keine andere Wahl … Der entscheidende Moment raste auf mich zu, eine zweite Chance würde ich nicht bekommen. Ich überlegte mir meine Pläne noch einmal gründlich, gab Tilly zum Abschied einen Kuß, forderte sie mit erhobenem Finger auf keinen Lärm zu machen, und schloß die Tür der Kabine BB hinter mir.

Ich mußte einen weiten Weg in Richtung Heck zurücklegen und dabei drei Decks tiefer steigen. Zweimal ging ich langsamer, um Nachtwächtern aus dem Weg zu gehen, die ihre Runden machten. Einmal verschwand ich im letzten Augenblick in einem Quergang weil mir ein Passagier entgegenkam. Ich setzte meinen Weg bis zum nächsten abzweigenden Korridor fort und kehrte dann auf die Steuerbordseite zurück. Schließlich erreichte ich den kurzen sackgassenartigen Tunnel zur Passagier-Luftschleuse des Steuerbord-Landungsboots.Und mußte feststellen, daß „Mac“-Pete-Percival dort auf mich wartete.

Lächelnd trat ich auf ihn zu, legte vielsagend einen Finger an die Lippen und versetzte ihm einen kurzen Hieb unter das Ohr.

Vorsichtig ließ ich ihn zu Boden gleiten, schob ihn aus dem Weg und wandte mich dem Kombinationsschloß zu …

… und merkte, daß ich die Kennzeichnungen auf den Tasten kaum zu sehen vermochte, obwohl ich mein gesteigertes Sehvermögen einsetzte. In den Korridoren war lediglich die Nachtbeleuchtung eingeschaltet, und die kurze Sackgasse lag völlig im Dunkeln. Zweimal bekam ich die Kombination nicht hin.

Ich trat einen Schritt zurück und überlegte. Sollte ich zur Kabine zurückkehren und mir eine Taschenlampe holen? Ich hatte dort keine, aber vielleicht besaß Tilly eine Lampe. Wenn nicht, sollte ich dann warten, bis die Tagbeleuchtung eingeschaltet wurde?

Damit wurde aber die Zeit zu knapp; zu der Zeit würde das Schiff bereits zum Leben erwachen. Hatte ich aber eine andere Wahl?

Ich kümmerte mich um Pete — noch immer ohnmächtig, doch mit kräftigem Herzschlag … Dein Glück, Pete! Wäre ich voll ausgelöst gewesen, würdest du jetzt nicht mehr leben. Ich durchsuchte ihn.

Ohne Überraschung zog ich eine Stiftlampe aus seiner Tasche — seine Aufgabe (mich zu verfolgen) mochte den Einsatz einer Lampe erforderlich machen, während Miß Neureich sich mit solchen Kleinigkeiten nicht abgab.

Sekunden später hatte ich die Tür geöffnet.

Ich zerrte Pete über die Schwelle, klappte die Türzu und verriegelte sie, indem ich das Rad in beiden Richtungen kreisen ließ. Dann drehte ich mich um stellte fest, daß Petes Lider zu zucken begannen — und schickte ihn noch einmal ins Reich der Träume.

Was nun kam, war denkbar mühsam. Pete bringt ungefähr fünfundachtzig Kilo Masse auf die Beine was für einen Mann nicht zuviel ist. Aber es sind fünfundzwanzig Kilogramm mehr als ich, außerdem ist er viel größer. Tom hatte mir mitgeteilt, daß die Techniker die künstliche Schwerkraft auf 0.97 g geschaltet hatten, auf den Wert, der für Botany Bay gültig war. In diesem Augenblick wäre mir der freie Fall lieber gewesen oder zumindest ein Antigrav-Gerät da ich Pete nicht dort liegen lassen konnte, weder tot noch lebendig.

Es gelang mir schließlich, ihn halb auf den Rücken zu nehmen, so daß ich sogar noch eine Hand frei hatte; allerdings mußte ich die kleine Lampe wie eine Zigarre in den Mund nehmen, um mich überhaupt orientieren zu können. Das Licht war wirklich eine große Hilfe — doch notfalls hätte ich mich auch so durch die Dunkelheit getastet, ohne den Bewußtlosen.

Auf meinem Weg nahm ich nur einmal eine falsche Biegung, und erreichte endlich den größten Frachtraum — der im schmalen Lichtstrahl meiner kleinen Lampe noch viel größer wirkte. Mit totaler Dunkelheit hatte ich nicht gerechnet; ich war davon ausgegangen, daß das Landungsboot von Mitternacht bis nullsechshundert ebenso im Schein der Nachtbeleuchtung liegen würde wie das Hauptschiff.

Schließlich traf ich bei dem Versteck ein, das ich mir am Vortag ausgeguckt hatte: dem riesigenWestinghouse-Turbogenerator.

Vermutlich sollte der mächtige Brocken mit Gas angetrieben werden, vielleicht auch mit Dampf — auf keinen Fall war er für einen Antrieb durch ShipstoneEnergieträger gedacht. Es gibt so manche überholten technischen Entwicklungen, die in den Kolonien noch eingesetzt werden, die aber dort, wo Shipstones verfügbar sind, keinen Platz mehr haben. Ich weiß nichts darüber, mich interessierte aber auch nicht, wie dieses Ding funktionierte; mein Interesse galt der Tatsache, daß es zur Hälfte einem riesigen, auf der Seite liegenden Kegelstumpf glich — was unter der Schmalseite in der Mitte einen gut einen Meter hohen Freiraum ließ. Groß genug für einen Körper. Den meinen.

Zum Glück stellte sich heraus, daß auch zwei dort unterkamen, denn nun hatte ich ja diesen unwillkommenen Gast am Hals, den ich weder umbringen noch zurücklassen konnte.

Das Versteck bekam sogar einen Anstrich von Gemütlichkeit durch die Glasfaserplane, die von den Technikern über das Monster gespannt worden war ehe es festgezurrt wurde. Zwischen zwei Ziehleinen mußte ich mich darunterwinden und mich dann teuflisch anstrengen, um Pete hinter mir hereinzuzerren. Ich schaffte es. Dabei zog ich mir allerdings einige Hautabschürfungen zu.

Ich schaute noch einmal nach ihm, dann zog ich ihn aus. Wenn ich Glück hatte, kam ich noch ein wenig zum Schlafen — was unmöglich gewesen wäre hätte ich einen meiner Wächter bewußtlos am Eingang zurückgelassen.

Pete trug Hose, Gürtel, Hemd, Unterhose, Socken Mokassin-Schuhe und ein Unterhemd. Ich streifteihm alles herunter. Dann fesselte ich ihm mit dem Hemd die Hände auf dem Rücken zusammen, dann die Füße mit den Hosenbeinen, und Handgelenke und Füße verband ich hinter seinem Rücken mit dem Gürtel. Eine sehr unbequeme Position, die man mir in der Grundausbildung beigebracht hatte als Möglichkeit, Fluchtversuche im Keim zu ersticken.