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Der Kutscher legte die Peitsche an die Krempe seines Zylinders und brachte sein Gespann so zum Stehen, daß der Landauer vor den Stufen hielt, auf denen ich wartete. Er stieg ab und hob den Zylinder. „Schön Sie zu Hause begrüßen zu können, Miß Freitag.“

Ich umarmte ihn kurz, was er geduldig über sich ergehen ließ. Onkel Jim Prufit hatte genaue Vorstellungen darüber, was sich geziemte und was nicht. Esheißt, er sei einmal dafür verurteilt worden, Papismus gepredigt zu haben — einige meinen sogar, er sei dabei erwischt worden, wie er eine Messe zelebrierte.

Andere hielten das für Unsinn; er habe sich dort für die Organisation eingeschlichen und sei geopfert worden, um andere zu decken. Ich habe keine große Ahnung von Politik, vermute aber, daß ein Priester eine sehr förmliche Art hatte, ob er nun echt war oder unserem Berufsstand angehörte. Ich kann mich natürlich irren; soweit ich weiß, ist mir noch nie ein Priester begegnet.

Als er mir in die Kutsche half, wobei ich mir wie eine „Lady“ vorkam, fragte ich: „Wie kommt es, daß Sie hier sind?“

„Der Chef hat mich geschickt. Ich soll Sie abholen Miß.“

„Ach? Aber ich habe ihm gar nicht Bescheid gegeben, wann ich komme.“ Ich überlegte mir, wer im Laufe meiner Reise zum Datennetz des Chefs gehört haben mochte. „Manchmal glaube ich, der Chef arbeitet mit einer Kristallkugel.“

„Sieht so aus, wie?“ Jim schnalzte Gog und Magog zu, und wir machten uns auf den Weg zur Farm. Ich lehnte mich zurück und entspannte mich beim Klang des anheimelnden, fröhlichen Klappklapp der Pferdehufe auf dem festgefahrenen Lehm.

Ich erwachte, als Jim ins Tor einbog, und war hellwach, als er unter dem Vordach hielt. Meine Rolle als „Lady“ vergessend, sprang ich hinab und wandte mich zurück, um Jim zu danken.

Sie fielen von beiden Seiten über mich her.

Der liebe alte Onkel Jim warnte mich nicht. Er schaute einfach zu, während die Kerle mich überwältigten.

2. Kapitel

Mein eigener Fehler! Schon in der Grundausbildung hatte man mir beigebracht, daß kein Ort absolut sicher sein kann und daß insbesondere das Refugium in das man gewohnheitsmäßig zurückkehrt, den größten Gefahrenpunkt darstellt — der Ort, an dem man am ehesten mit Fallstricken, Hinterhalten und unliebsamen Überraschungen rechnen muß.

Anscheinend hatte ich das nur sehr oberflächlich registriert; als alter Profi hatte ich diese Regel mißachtet. Und jetzt zahlte man es mir heim.

Diese Regel entspricht im übrigen der Tatsache daß die Person, die am wahrscheinlichsten zum Mörder an einem wird, ein Familienmitglied ist und auch diese düstere Statistik wird mißachtet, es geht nicht anders. Sollte man in Angst vor den eigenen Angehörigen leben? Aber lieber das, als tot zu sein!

Meine größte Dummheit bestand darin, daß ich eine laute, deutliche, spezifische Warnung ignoriert hatte, nicht nur ein allgemeines Prinzip. Wie war es dem lieben alten „Onkel“ Jim gelungen, genau zur Ankunft meiner Kapsel am Bahnhof zu erscheinen?

Am richtigen Tag und beinahe auf die Minute pünktlich? Kristallkugel? Der Chef ist klüger als wir alle aber er arbeitet nicht mit Zauberei. Davon bin ich überzeugt — aber natürlich kann ich mich irren. Stünden dem Chef allerdings übernatürliche Kräfte zu Gebote, brauchte er seine Agenten — uns — nicht mehr.

Ich hatte dem Chef meine Reiseroute nicht gemeldet. Ich hatte ihm nicht einmal mitgeteilt, wann ich L5 verlassen hatte. Das entspricht der Vorschrift; erlegt keinen Wert darauf, daß sich seine Untergebenen mit jedem einzelnen Schritt bei ihm melden, denn er weiß, daß eine Information, die in falsche Hände gerät, tödlich sein kann.

Selbst ich hatte nicht gewußt, daß ich gerade diese Kapsel nehmen würde, bis ich sie schließlich betrat.

Im Coffee Shop des Sewards-Hotels hatte ich Frühstück bestellt, war aufgestanden, ohne es zu verzehren, hatte Geld auf den Tresen gelegt — und drei Minuten später saß ich in einer versiegelten ExpressKapsel. Also wie?

Offensichtlich hatte die Beseitigung des Verfolgers im Kenia-Bohnenstengel meine Gegner nicht abgeschüttelt. Entweder war ein zweiter Mann zur Stelle gewesen, oder man hatte das Verschwinden von Mr.

„Belsen“ (Beaumont, Bookman, Buchanan) sofort gemerkt und ihn schnellstens ersetzt. Möglicherweise war man mir die ganze Zeit auf den Fersen gewesen andererseits mochte „Belsens“ Schicksal die Gegenseite vorsichtig gemacht haben, so daß man mir mehr Raum gab. Oder die sieben Stunden Schlaf gestern nacht hatten Gelegenheit geboten, mich einzuholen.

Unwichtig, wie es wirklich gewesen war. Kaum war ich in Alaska in jene Kapsel gestiegen, hatte jemand eine telefonische Nachricht durchgegeben, die etwa so lautete: „Glühwürmchen an Drachenfliege.

Moskito ist hier per Express-Kapsel durch den Internationalen Korridor vor neun Minuten abgefahren.

Die Anchorage-Verkehrskontrolle sagt, die Kapsel ist nach Lincoln Meadows programmiert, um dort elfnull-drei eurer Zeit geöffnet zu werden.“ Oder etwas Ähnliches. Irgendein Typ, der mir übel gesonnen war, hatte mich die Kapsel betreten sehen und dasTelefon benutzt; anders hätte mich der nette alte Jim nicht abholen können. Logisch.

Im Nachhinein weiß man alles besser — man weiß genau, wo man sich den Kopf gestoßen hat — nachdem es geschehen ist.

Aber ich ließ sie für ihre Drinks teuer bezahlen.

Wäre ich vernünftig gewesen, hätte ich mich sofort ergeben, als ich erkennen mußte, daß ich hoffnungslos in der Minderzahl war. Aber ich bin nun mal nicht klug; das hatte ich bereits bewiesen. Ich hätte die Beine unter die Arme nehmen müssen, als Jim mir erzählte, der Chef habe ihn geschickt … anstatt in die Kutsche zu steigen und ein Schläfchen zu machen um alles auf der Welt!

Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, habe ich nur einen Angreifer umgebracht.

Vielleicht aber auch zwei. Warum bestanden sie aber auch darauf, die harte Tour zu benutzen? Sie hätten warten können, bis ich im Haus war, um dann mit Gas oder Schlafpfeil oder auch Klebeseil zu arbeiten. Sie sollten mich lebendig fangen, soviel war klar. Wußten sie nicht, daß ein Außenagent mit meiner Ausbildung in Notwehr automatisch auf Hypertempo geht? Vielleicht bin ich nicht der einzige Blödian auf der Welt.

Aber wozu Zeit verschwenden, indem man mich vergewaltigte? Die ganze Sache kam mir irgendwie amateurhaft vor. Heute arbeitet keine Profi-Gruppe noch mit Schlägen oder Vergewaltigung vor dem Verhör; damit ist nichts zu gewinnen; ein echter Professioneller wird mit beiden Dingen fertig. Denn bei Vergewaltigung kann sie (oder er — wie man hört, ist es für Männer noch schlimmer) entweder seine Ge-danken auf anderes richten und warten, bis alles vorbei ist, oder (bei fortgeschrittenem Training) auf das alte chinesische Sprichwort zurückgreifen.

Anstelle von Methode A oder B — oder mit B kombiniert, wenn die schauspielerischen Fähigkeiten des Agenten dazu ausreichen — kann das Opfer die Vergewaltigung als Gelegenheit benutzen, einen Vorteil über die Gegner zu gewinnen. Ich bin kein großer Meister der Verstellung, aber ich bemühe mich — mit der Methode habe ich bisher zwar noch nie den Spieß umdrehen können, doch verdanke ich ihr in mindestens einem Fall mein Leben.

Diesmal änderte Methode C am Ergebnis nichts sorgte aber für ein bißchen gesunde Ablenkung. Vier Mann (so schätzte ich nach verschiedenem Kaliber und Körpergerüchen) bedienten sich bei mir in einem der oben liegenden Schlafzimmer. Vielleicht war es sogar mein Zimmer, was ich aber nicht genau wußte da ich eine Zeitlang bewußtlos gewesen war und jetzt außer einem Klebeband über den Augen nichts mehr am Leib hatte. Ich lag auf einer Matratze auf dem Boden — Gruppensex mit kleineren sadistischen Anflügen … worüber ich hinwegging, war ich doch angelegentlich mit Methode C beschäftigt.