»Vielleicht lassen sie mit sich reden.«
»Nein, ich habe an John Fox gedacht. Er ist in – das darf aber niemand wissen – in Shoshone, am Rande des Death Valley. Da zeltet er, bis alles vorbei ist. Er weiß, was er tut, Ken.«
»Ich habe gar nicht gewußt, daß du so auf Zelten stehst.«
»Ich doch nicht, aber Fox. Vielleicht freut er sich, wenn wir mit Lebensmitteln bei ihm aufkreuzen. Machst du mit?«
Ken sah ganz mechanisch durch das große Wohnzimmerfenster hinaus, bevor er antwortete. Niemand stritt, niemand schien besonders unglücklich zu sein; von dem Russischen Salat war noch etwas da, dafür war Bess Churchs ganzer CheddarKäse wie Schnee an der Sonne dahingeschwunden. Der Gastgeber wurde nicht gebraucht. Gut. »Ich hab keine Zeltausrüstung, und man kann bestimmt auch keine kriegen. Was ist, wenn John uns da nicht gern sieht? Wir können uns ja nicht telefonisch anmelden«, sagte er.
»Aber der Tip ist gut! Warum sollten die Rüßler einen Ort wie Shoshone bombardieren? John gehören die Höhlen dort ja nicht. Wir zelten einfach in seiner Nähe.«
»Nein.«
»Und wo dann?«
»Ich meine: Nein, ich komme nicht mit.« Ken hatte seine Entscheidung getroffen, bevor er selbst die Gründe dafür wußte.
»Vielleicht bin ich verrückt, aber ich bleibe hier.«
»Das bist du bestimmt. Danke für die Einladung.« Marty würde abhauen, das war Ken klar. Er hatte weder beim Abwasch noch beim Aufräumen mitgeholfen. Ganz offenkundig gedachte er nicht wiederzukommen.
Jenny erwachte von einem Stechen im linken Arm, auf dem Jack gelegen hatte. Als sie die Augen öffnete, sah sie seinen Blick auf sich gerichtet.
»Hallo Seemann, neu in der Stadt?«
Er grinste. »Ich seh dich gern an.«
Sie zog ihren Arm unter ihm vor und sah auf die Uhr. »Zeit, daß wir uns an die Arbeit machen.«
»Wir haben noch eine ganze Stunde.« Er schob sich näher an sie. »Nicht daß ich noch einmal…«
»Schon gut. Aber ich kann nicht schlafen.«
»Und?«
Sie setzte sich auf. »Wir könnten uns das Monster ansehen. Wir haben Kameras und Mikrofone im RüßlerZimmer.«
»Klingt verlockend – aber ist das auch rechtens?« wollte Jack wissen.
»Selbstverständlich. Die Autoren wissen, daß sie beobachtet werden, und Harpanet als Gefangener hat keine Rechte. Zufrieden?«
»Na schön.«
»Und ich garantiere dir, daß es auf meinem Fernseher nichts anderes zu sehen gibt.« Sie schaltete das Gerät ein.
Das Bild kam. Ein kahler Raum ohne Teppiche und Möbel enthielt nichts als eine Bildwand, einen Projektor und eine breite Tür. »Falsches Zimmer«, sagte sie und drehte an den Knöpfen. »Uns sind bereits drei Räume in dem Komplex zugewiesen worden, und weiß der Henker, was sie als nächstes zu brauchen glauben. Hier.«
Der Außerirdische wälzte sich behaglich in dampfendem Schlamm. Die Menschen um ihn herum saßen in Badekleidung auf Liegestühlen. Sherry, Joe und Nat, die sich dicht am Beckenrand hielten, waren schlammbespritzt. Wade Curtis saß in seiner SafariJacke mit einer Bierdose in der Hand in gewisser Entfernung auf einem Klappstuhl. Unmittelbar über ihm hing ein riesiger Erdglobus. In einer Ecke war eine fahrbare Bar zu erkennen.
»Siehst du? Sie haben unser Schwimmbecken beschlagnahmt! Der Außerirdische braucht ja einiges an Platz«, sagte Jenny. »Na, hast du Lust zu schwimmen?«
Jack beäugte den Schlamm voller Abscheu. »Nein, danke. Hört ihr alle Räume ab?«
»Um Himmels willen, nein! Die Hälfte der SFLeute war früher beim Militär, die würden das sofort merken, und die andere Hälfte vertritt liberale Grundsätze! Wir haben Mikrofone und Kameras im Schlammraum, im RüßlerRaum und im Allerheiligsten, das ist der Raum, wo sie ihre Notizen formulieren und sich einen ansaufen. Er liegt gleich neben dem RüßlerRaum. Der Schlamm ist ganz frisch. Scheint ihm zu behagen, was?«
»Kann man auch was hören?«
»Klar.« Jenny drehte an einem Einstellknopf.
Aus dem Lautsprecher dröhnte Wade Curtis’ unverkennbare Stimme. »Wir haben deine ›Fithp‹ aus Kansas verjagt und durchkämmen jetzt die Trümmer. Wir würden gern wissen, wo der nächste Angriff erfolgt.«
»Darüber hat man mir nichts mitgeteilt«, sagte Harpanet. Seine Aussprache war gut, aber manchmal verschliff er die Wörter: Nebenluft strömte aus Nase und Lippen, und das klang wie ein Hallraum, vielleicht wegen seiner riesigen Lungenkapazität.
»Er lernt schnell. Ich habe französische Diplomaten mit einem schlimmeren Akzent Englisch sprechen hören«, sagte Jack. Jenny mußte einen Schauder unterdrücken. Vor ihrem geistigen Auge sah sie noch immer das Blutbad in dem zerschmetterten Raumschiff, und es fiel ihr schwer, den ›Rüßler‹ anzusehen.
Gerade sagte Curtis: »Eure Offiziere weihen euch wohl nicht in ihre Pläne ein?«
»Nein. Ein Fi’ erfährt wenig, weil es in die Herde des Feindes aufgenommen werden könnte. So ist es mir ja auch gegangen. Das habe ich bereits gesagt.« Harpanets Stimme klang gekränkt.
»Eine für uns völlig neue Vorstellungsweise, und nicht besonders angenehm«, sagte Sherry Atkinson. »Wir müssen soviel wie möglich in Erfahrung bringen.« Sie ließ sich völlig unbefangen in den Schlamm gleiten und rieb mit beiden Händen den Außerirdischen hinter den Ohren. Sie war mehr als alle anderen mit Schlamm bedeckt.
»Haben deine Vorgesetzten Interesse an Gebieten außerhalb Kansas gezeigt?« fragte Curtis.
»Kansas?«
»Die Region, die ihr erobert habt, dieses Gebiet.« Wade wies auf das zuvor von den Außerirdischen besetzte Gebiet in Kansas. Es war auf dem großen Globus mit schwarzem Filzstift gekennzeichnet.
»In meiner Gegenwart wurde kein solches Interesse bekundet.«
»Wir befürchten den Abwurf eines großen Meteoriten, etwa in der Größe eines Asteroiden.«
Harpanet schwieg eine Weile. Reynolds machte sich an der Bar zu schaffen. Mit einemmal sagte Harpanet: »Thaktan Flishithy – wie sagt ihr?Überbringer der Botschaft? – war viele Sonnenumläufe um eure Erde mit einem KleinMond des beringten Planeten verpaart. So viele.« Er hob den Rüssel aus dem Schlamm und knickte dreimal vier Greifglieder ab. »Wir haben ihn geschoben. Den Grund hat man uns nicht genannt. Ich habe einmal gehört, wie ihn Offiziere Tshejtrif nannten.«
»Was bedeutet das?«
»Diesen Teil eines Fi’.« Der Außerirdische drehte sich auf die Seite, so daß Sherry sich veranlaßt sah, Zuflucht vor einer Schlammwoge zu suchen. Ein großer, bekrallter Fuß tauchte auf.
Die SFAutoren schienen alle miteinander zu erstarren, aber Jenny war nicht auf ihre Interpretation angewiesen. Schmerzhaft umschloß ihre Hand Jacks Arm. »Entsetzlich. Der Fuß, sie wollen uns damit zertrampeln!«
»Die Bücherfritzen quasseln viel zuviel.«
»Wieso? Der Rüßler sagt doch mehr als sie.«
Gerade kam wieder die verschliffene Stimme aus dem Fernseher: »Er war nicht so groß wie viele von den – Asteroiden – am beringten Planeten. Wohl achthoch zwölf MasseEinheiten…«
»Und eine MasseEinheit ist deine Masse? Also rund dreihundertfünfzig Kilo…« Curtis nahm einen Taschenrechner aus einer Tasche seiner Safarijacke. »Großer Gott! Fast fünfundzwanzig Milliarden Tonnen!«
»Bei… einer Fallgeschwindigkeit von fünfzehn bis dreißig Kilometer pro Sekunde könnte das – Harpanet, wo soll das abgeworfen werden?« schaltete sich Nat Reynolds ein.
»Niemals hat man gesagt, es würde gegen die Erde gerichtet. Falls doch, so müßte der Herr der Herde weitere Daten gesucht haben, vielleicht in Kansas.«
»Gott im Himmel, Jenny«, sagte Jack, »sie quatschen zuviel. Wir müssen zu ihnen, sofort!«