»Wir müssen die Bevölkerung dort warnen.«
»Das haben die Australier bestimmt schon getan«, sagte Ransom.
»Es spielt sowieso keine Rolle.« Admiral Carrells Stimme klang gleichmütig.
Jenny nahm gewohnheitsmäßig Haltung an. »Sir?«
»Wir haben keine verläßliche Nachrichtenverbindung mit Ostafrika. Ich denke, Mr. Ransom hat recht. Falls aber die Australier keine Warnung ausgesandt haben…«
»… werden die Leute es bald auch so merken«, sagte Curtis. »Was ist mit Schiffen oder UBooten? Haben wir nach wie vor keine Verbindung zur UBoot Flotte?«
»Doch«, sagte Carrell. »Unsere Langwellensender funktionieren noch. Ich habe bereits die entsprechenden Befehle erteilt.«
Reynolds kam mit Kaffee. Curtis wies auf eine Stelle auf dem Globus. Reynolds beugte sich darüber, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
»Springfluten, Wirbelstürme! Ich wüßte zu gerne genau, wo er aufschlägt«, sagte Curtis. »Vielleicht könnten wir dann ungefähr feststellen, wie sehr das Wetter auf der nördlichen Halbkugel davon beeinträchtigt wird.«
»Mächtig«, sagte Ransom. »Die Stelle liegt sehr nah am Äquator.«
»Dann würde er das Wetter auf beiden Halbkugeln heillos durcheinanderbringen«, sagte Reynolds.
»Furcht und Schrecken«, murmelte Curtis, »Tsunamis, Wirbelstürme, unvorstellbare Regenfälle…« Mit befriedigtem Gesichtsausdruck erhob er sich. »Eins ist sicher, Bellingham bleibt verschont.«
»Wenigstens ein Trost«, sagte jemand.
»Das kann man laut sagen«, sagte Curtis. »Es ist sowieso unser letzter Notanker.«
»Strategisch klug gemacht«, sagte Joe Ransom. »Man sehe sich nur mal an, wo die Springfluten…«
»Hören Sie doch auf!« rief ein junger Marineoffizier.
Jenny beugte sich aufmerksam zu Curtis und Ransom hinüber, die erregt weiterdiskutierten.
Ostwärts würde die Insel Madagaskar Moçambique und Südafrika ein wenig Schutz gewähren, doch würden die Wellen Tansania, Kenia sowie die Sozialistische Republik Somalia überspülen und auslöschen. Im Nordosten würde die arabische Halbinsel unter Wasser gesetzt werden. Das Arabische Meer würde die Welle aufnehmen, und ein Gebirge von Wasser würde sich in den Iran und nach Pakistan hinein ergießen. Keine OPEC mehr, dachte Jenny mit aufblitzender Schadenfreude. Allerdings auch kein Erdöl… Wassermassen würden Indien im Norden bis zu den Gebirgen des Himalaja zudecken. Die Bucht von Bengalen wäre ihr nächstes Ziel, danach würden sie über Burma bis nach China hineinschwappen. Die Inseln in der JavaSee würden überschwemmt werden, und schließlich würde die Welle nach Westaustralien gelangen…
»Großer Gott«, sagte der Marineoffizier, dem es plötzlich wie Schuppen von den Augen zu fallen schien. »Bestimmt werden sie zum Schluß zu landen zu versuchen, aber wo?«
»Deswegen ist es ja so eine…«
»… großartige Strategie, genau, Mr. Ransom«, sagte Admiral Carrell. »Wohin sollen wir unsere Flotten schicken? Nach Indien? SaudiArabien? Australien? Afrika?«
»Nach Südafrika«, erläuterte Curtis. »Sehen Sie mal! Der größte Teil des Landes, in dem es Industrie gibt und in dem sich die weiße Bevölkerung aufhält, liegt auf Meereshöhe. Den vernichten die Flutwellen völlig. Hinter der Küste die Drakensberge mit der Großen Randstufe, alles, was in diesem östlichen Abschnitt der Randaufwölbung des südafrikanischen Binnenhochlandes liegt, dürfte unbeschädigt bleiben. Also landen sie bei Johannesburg und Pretoria, und flugs haben sie einen rundum abgeschlossenen Stützpunkt mit Industrie und Infrastruktur.«
Admiral Carrell beugte sich vor, um den Globus näher ins Auge zu fassen. »Vielleicht…«
Ein Horn ertönte. »Da hören Sie es. Zehn Minuten bis zur geschätzten Aufschlagzeit.«
Es wurde still im Raum.
Der kaum wahrnehmbare Schub wurde noch geringer, als der Herr der Herde Pastempihkeph sich zur Kommandobrücke aufmachte.
Alles ging seinen Gang. Kuthfektilrasp wandte sich um und sagte: »Der FUSS ist auf das Ziel ausgerichtet. Der Herr der Verteidigung kann uns jederzeit von ihm lösen.«
»Tut das!« gebot Pastempihkeph. »Herr der Verteidigung, Ihr habt jetzt das Kommando.« Er setzte sich auf sein Polster und legte seine Krallen auf die in die Wand eingelassenen Fußhalterungen.
Durch das ganze Raumschiff hallte es: »Klar bei Fußhalterungen! Schub in acht Atemzügen.«
Der Herr der Herde schloß seine Krallen fest um die Stangen. Was kann schon fehlschlagen? Das Triebwerk wird nicht ausfallen; es läuft seit vielen AchtTages Zeiträumen zuverlässig. Die Beutewesen können dem FUSS jetzt unmöglich noch Einhalt gebieten. Könnten sie etwas gegen die Bote ausrichten, hätten sie früher gehandelt.
Die Bote nahm langsam und stetig Fahrt auf, drehte sich um ihre Achse und in sanftem Bogen von Winterheim weg.
Während die von Kratern zerklüftete Masse aus Nickel und Eisen davonschwebte, wurde eine herrlich blauweiße Sichel sichtbar. Schub setzte machtvoll ein, und der Herr der Herde spürte, wie es ihn ins Polster preßte.
Als der Schub größer war als die Schwerkraft der Heimatwelt, erreichte die Beschleunigung ihren Höhepunkt. Dann begannen die Triebwerke der Grifflingsschiffe anzuspringen, und erneut wurde der Schub größer. Die Sichel am Himmel lag nun riesengroß genau hinter ihnen. Die Boteentfernte sich mit wachsender Geschwindigkeit von Winterheim. Dennoch würde man die Einschlagstelle sehen können.
Der Herr der Herde verlangte einen Blick in die Unterkunft der gefangenen Erdlinge. Sie hatten den Absonderungspferch sicher erreicht und lagen jetzt bäuchlings auf der Polsterung. Es schien ihnen unbehaglich zumute zu sein.
Je mehr Grifflingsschiffe sich paarweise von ihren Halterungen um das Heck des Raumschiffs herum lösten, desto geringer wurde der Schub. Der Herr der Herde sah, wie ihre pulsierenden Triebwerksflammen in weitgeschwungenen Bögen dem Blick entschwanden. Sie mußten stark verzögern, um auf die Umlaufbahn um Winterheim herum zu gelangen. Die letzten vier gruppierten sich als Geleit in der Nähe des Mutterschiffs. Sollte doch eine tödliche Gefahr von Winterheim aufsteigen, konnten sie helfend eingreifen.
Aber nichts brach durch die dichte Wolkendecke. Inzwischen lag schon die halbe Scheibe im Hellen, und der FUSS war im Schatten der Nachtseite des Planeten unsichtbar geworden.
Dann plötzlich sah man am Rande des Schattens einen Stecknadelkopf rot aufleuchten. Er wurde orange, weiß, grellweiß, alles im Bruchteil eines Atemzuges. Der Herr der Herde Pastempihkeph verengte die Pupillen. Es genügte nicht. Er wandte sich ab. Das helle Licht reflektierte gleißend an den Wänden der Steuerzentrale, blieb eine Weile und schwand schließlich. Der Herr der Herde sah wieder hin.
Eine grellweiße Fackel wurde dunkler, breitete sich aus, wurde rot. Wolkenringe bildeten sich und vergingen in einer sich ausdehnenden Flammenhalbkugel. Wolken schossen durch die Stratosphäre und verbargen, was unter ihnen lag.
Fistartihthaktan sagte sachlich: »Wir haben auf ihrem Meeresboden bestimmt unseren Fußabdruck hinterlassen.«
»Herr des Angriffs, der FUSS liegt genau in der Mitte jenes Wassergebietes. Ist das die Stelle, wo Ihr ihn hinhaben wolltet?«
»Er ist genau im Ziel«, erklärte Kuthfektilrasp.
»Gut gemacht.«
Die Bote flog mit sechzig Makasrapkithp pro Atemzug an Winterheim vorbei; aber auf Grund der Erdrotation blieb der Fußabdruck aus dem Raumschiff sichtbar. Eine Feuerkugel stand über der Lufthülle des Planeten. Wie ein flammender Blutegel klebte sie an seiner Masse.