Die Straße endete in einem Wendeoval. Von dort hatte man einen guten Blick auf den Hafen. Schnellboote verließen ihn in Richtung Südwesten. Was war ihr Ziel? Port Angeles? Wovor flüchteten sie?
Leigh fuhr zurück. »Laufen Sie in die Berge!« dröhnte seine Stimme durch den Lautsprecher. »Nehmen Sie jedes beliebige Transportmittel, lassen Sie alles stehen und liegen! Drehen Sie sich nicht um, der Feuerschein zerstört sonst Ihr Augenlicht!«
Es herrschte bereits reger Verkehr auf der Straße. »Ein paar haben auf dich gehört«, sagte Miranda. »Leigh, wir müssen Papa warnen, wenn die Rüßler Bomben auf uns werfen…«
»Das tun sie ja gar nicht.«
»Was?«
»Das hab ich nur so gesagt«, erklärte Leigh.
»Und warum dann das ganze Theater?«
»Der Teufel soll mich holen, wenn ich das weiß.«
»Dann frag doch deinen Vorgesetzten!«
»Hab ich schon, er hat aber nichts gesagt.«
»Dann frag ihn noch mal! Jetzt muß er es sagen!«
»Na schön.«
Miranda gab ihm das Mikrofon. »Los, frag ihn! Was kann es denn schaden?«
»Nun ja.« Leigh schaltete das Mikrofon ein.
»Zentrale.«
»Ist der Chef da?«
»Er hat zu tun.«
»Ich muß mit ihm reden.«
»Augenblick.«
»Hier Lafferty. Sind Sie das, Young?«
»Ja, Sir. Ich bin im Reservat. Die meisten Indianer verschwinden, aber ein paar wollen nicht. Was soll ich ihnen sagen, damit sie abhauen?«
»Daß niemand, der hier bleibt, überleben wird.«
»Ich habe ihnen bereits gesagt, daß die Rüßler Bellingham bombardieren werden.«
»Die Rüßler! Guter Witz. Leigh, wir werden uns selbst bombardieren, wir haben hier ABomben…«
Dann hörte man nur noch Rauschen.
»Was soll das?« Leigh drehte an den Knöpfen. »Als würde man uns absichtlich stören.«
»Vielleicht tut man das auch«, gab Miranda zu bedenken.
»Was…?«
»Leigh, was meint er damit, wir werden uns selbst bombardieren?«
»Keine Ahnung.«
»Findest du es nicht komisch, daß die Funkverbindung gerade in dem Augenblick unterbrochen wurde, als er das gesagt hat? Leigh, ich habe Angst.«
So weit, so gut. Jenny sah befriedigt auf den großen, die ganze Wand einnehmenden Bildschirm.
»M minus fünfundvierzig Minuten«, verkündete sie. Die Tür ging auf, und eine Ordonnanz brachte auf einem Tablett Kaffee herein. Auf dem Gang stand ein halbes Dutzend Militärangehörige, unter ihnen Jack Clybourne, der sich größte Mühe gab, nicht hereinzuschauen, damit er die großen Bildschirme im Parterre nicht sehen konnte, auf die das Kampfgeschehen projiziert wurde. Der Präsident lächelte. »Mr. Clybourne…«
»Sir.«
»Lassen Sie Maileys Leute die Türsteher machen! Kommen Sie herein und schauen Sie zu!«
»Sir?«
»Kommen Sie ruhig! Sie haben sich Ihren Logenplatz redlich verdient.«
»Aber… nun, vielen Dank, Sir.« Clybourne lehnte sich an eine Wand im Hintergrund.
Gleich verkriecht er sich in der Mauer, dachte Jenny. Gerade als sie sich umdrehen und ihm zuzwinkern wollte, summte es in ihrem Kopfhörer.
»Hier Gimlet.«
»Gimlet, hier Harpune. Wir haben eine undichte Stelle entdeckt. Das hier ist vor vier Minuten in Bellingham über Polizeifunk gegangen. Ich spiele es ab…«
»Sofort starten«, sagte General Toland.
»Es befinden sich noch Menschen in Bellingham«, gab der Präsident zu bedenken, »und zwar ziemlich viele.«
»Dann haben die leider Pech gehabt! Start! Colonel, sagen Sie den Leuten, sie sollen sich bereit halten!«
»Ja, Sir.« Jenny sprach in ihr Mikrofon. »Zum Start in fünf Minuten bereit machen! Start in fünf Minuten!«
Sirenen jaulten im Stockwerk unter ihnen auf.
»Admiral?« sagte der Präsident.
Carrell sah über seine gegeneinandergelegten Fingerspitzen hinweg auf die Lagekarte. »Geben Sie mir eine Minute Zeit!«
»Viel mehr aber nicht«, sagte General Toland.
»Schön. Erstens ist der Zeitpunkt denkbar ungünstig. Wir haben noch nicht genug von den Kleinschiffen getroffen, und durch den vorverlegten Start wird die Abschußbahn ungünstiger.«
»Und wenn die Außerirdischen Gesteinsbrocken auf die Michael werfen, sind wir erledigt!« rief Toland erregt.
»Ja. Das stimmt.« Carrell sah auf die Uhr. »Aber wovor haben wir eigentlich Angst? Laserstrahlen können der Michael nichts anhaben, und einen Meteor abzuwerfen dauert seine Zeit.«
»Er könnte aber jetzt schon unterwegs sein…«
»Ich schlage dennoch vor zu warten. Startbereit machen, so daß der Abschuß binnen zehn Sekunden nach Aufforderung erfolgen kann. Wenn möglich, warten wir die volle Stunde ab. Sollte aber Gillespie Lichtschein am Himmel sehen, wird die Michael sofort gestartet. Ein Meteor leuchtet in achtzig Kilometern Höhe auf und kommt mit etwa acht bis zehn Kilometern pro Sekunde runter. Wenn er aufschlägt, sind wir schon in der Luft. Die Michael müßte es also überstehen.«
»Mr. President, Sie haben alles auf diese eine Karte gesetzt«, sagte Toland, immer noch zweifelnd.
»General, ich bin mir der Bedeutung dieser Sache bewußt.«
»Wir müssen die verdammten Kleinschiffe doch sowieso bekämpfen! Warum dann nicht gleich?«
»Damit bringen wir alle um, die sich noch in Bellingham aufhalten«, beharrte Präsident Coffey.
»Besser als die ganze Menschheit!«
»Großer Gott im Himmel!« Präsident Coffey sah unverwandt auf die Lagebildschirme. »Admiral Carrell, Sie sind mein Marineberater. Übernehmen Sie das Kommando.«
»Jawohl, Sir. Colonel Crichton, verbinden Sie mich direkt mit General Gillespie.«
»Sir.« In den ersten drei Leitungen, die sie probierte, rauschte es nur. Dann kam die Verbindung zustande. »General Gillespie, Sir.«
»Ed, hier spricht Thor Carrell.«
»Ja, Herr Minister?«
»Wir vermuten, daß es ein Leck in der Geheimhaltung gegeben hat. Ihr örtlicher Polizeichef hat sein Funkgerät benutzt.«
»Ach, deswegen die Störung? Wir können mit unseren eigenen Militärpolizisten nicht sprechen.«
»So ist es. General, Sie bereiten alles für einen Sofortstart vor. Behalten Sie den Himmel im Auge! Sobald sich da oben ein Lichtschein zeigt, starten Sie! Von jetzt an sind Sie Oberbefehlshaber an Bord.«
»Verstanden.«
John Fox hörte es als erster. Er wendete den Komposthaufen. Außer ihm kümmerte sich niemand mehr darum, dafür hatte er gesorgt. Vorsichtig schob er die Mistgabel hinein und arbeitete um die dichtere Masse in der Mitte herum, damit nicht zum Vorschein kam, was von Roger Brooks noch übrig war. Plötzlich sah er einen Knochen, an dem noch Fleisch hing – ein Fuß. Fox verzog angewidert das Gesicht und nahm eine Gabel voll Kompost auf.
Mitten in der Bewegung hielt er inne und neigte den Kopf. Über dem Geräusch des kräftigen Windes, der etwas Regen brachte, hörte er etwas.
Motoren.
Er breitete den Kompost über den Knochen. Dann eilte er rasch zum Haus, öffnete die Tür und rief dem ersten besten zu, den er sah: »Marine. Sagt allen Bescheid. Ich gehe ans Tor.«
Schon zweimal waren Marineleute gekommen. Ihr erster Besuch hatte den CBFunkgeräten gegolten, der zweite Roger Brooks. Beide Male waren sie in großer Zahl gekommen, aber im Vergleich zu diesem Aufgebot war das nichts gewesen. Man konnte über dem Dröhnen der Motoren kaum noch den Wind hören.
Gepanzerte Lastwagen standen die ganze Straße entlang. Ziemlich ärgerlich, dachte John Fox, wie die das knappe Benzin vergeuden. Aber sie wissen, daß wir Waffen haben, und irgend jemand könnte sich zu etwas Unbedachtem hinreißen lassen, wenn sie mit nur einem Wagen kämen.