Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.
Auf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß keiner des anderen Sprache verstehe!
Der Herr der Herde Pastempihkeph bewohnte mit seiner Familie zwei Räume nahe der Mitte der Bote. Platz war knapp und kostbar. Der Schlafraum war nicht groß in Anbetracht dessen, daß zwei Erwachsene und drei Kinder ihn sich teilen mußten. Jetzt ging es etwas besser, denn der älteste Sohn befand sich an Bord eines der Grifflingsschiffe, die demnächst das Ziel ›Winterheim‹ angreifen würden.
Im noch kleineren privaten Schlammraum war man ungestört. Manche Gespräche durften die Kinder gern mithören, das hier aber war nicht für ihre Ohren bestimmt.
Pastempihkeph lag auf der Seite im Schlamm. »Die Sache ist wirklich interessant«, sagte er gelassen.
Seine Gefährtin K’tarfukeph wütete zuerst, sprach dann aber mit stiller Eindringlichkeit. »Hätten deine Wachen das gehört, würden sie denken, wir hätten den Verstand verloren – ganz wie dein Berater. Du mußt dich von ihm trennen, Keph!«
»Das geht nicht. Das macht die Sache ja so interessant. Die Schläfer hatten erwartet, als Herren des Schiffs aufzuwachen und sind daher nicht besonders friedlich. Wie du weißt, war Fathistihtalk früher ihr Herr der Herde. Sie werden nicht zulassen, daß ich ihn vollständig entmachte, nicht einmal wenn sie erfahren, daß er verrückt ist. Damit würden sie selbst zuviel Ansehen verlieren.«
K’tarfukeph sprengte warmes Wasser über den Rücken ihres Gefährten. Er räkelte sich voll Wonne, und hohe Wellen liefen zum Beckenrand. So nahe der Mitte des Schiffs war die Schwerkraft sehr gering.
»Was also kann man tun?« fragte sie.
»Wenig. Ich muß auf ihn hören, brauche aber seinem Rat nicht unbedingt zu folgen.« Der Herr der Herde überlegte. Der Krieg um Winterheim hatte endlich begonnen, und Zeit zum Entspannen fand er nur sehr selten. Es war ihm nicht recht, daß seine Gefährtin soviel von dieser Zeit beanspruchte. »Denk an etwas anderes, Mutter meiner Unsterblichkeit!«
»Keine Ausflüchte! Es dauert noch ein halbes Jahr bis zur Paarungszeit, und in unserem Alter bedarf es keiner beschwichtigenden Äußerungen mehr.«
Er besprengte sie von Kopf bis Fuß, so gründlich er konnte, bevor er wieder etwas sagte. »Deine Grifflinge haben das Problem erfaßt. Die Paarungszyklen für Schläfer und Raumgeborene sind gegeneinander verschoben. Dadurch wird aller Streit verschlimmert. Die Jahreszeiten auf Winterheim werden für beide Gruppen phasenverschoben sein. Sieh doch die Zusammenhänge. Die Schläfer haben nie etwas anderes gewollt, als eine neue Welt erobern, wir Raumgeborene hingegen haben mehr als achtmal acht Jahre im Weltraum verbracht. Unsere vorgeburtliche Erinnerung sagt uns, daß wir auch ohne Planeten überleben können. Wir wissen nichts von Welten. Die Abtrünnigen wollen Winterheim ganz und gar aufgeben.«
»Dann müßte man sie eben davon abbringen.«
»Das geht nicht, Keph«, sagte er und benutzte den Teil ihres Namens, den sie gemeinsam hatten – eine Anrede, die außer ihm niemand benutzen würde, »denn das könnte die Raumgeborenen spalten. Jeder vierte von uns dürfte zu den Abtrünnigen gehören – auch Fathistihtalk ist einer.«
»Tshaupintalk sollte besser auf ihn achten! Sie ist trächtig, das müßte ihm doch etwas bedeuten.«
»Manche Weiber haben nicht das Geschick, ihre Gefährten richtig zu lenken.«
War das Spott? Hatte sie ihn gekränkt? Sie besprengte ihn. Er schien eher belustigt als besänftigt. Wer so mächtig war wie der Herr der Herde, brauchte sich seiner Gefährtin gegenüber nicht durchzusetzen… Sie sagte: »So, wie die Lage ist, kann sie nicht bleiben.«
»Nein. Ich fürchte für Fathistihtalk, und ich mag seinen vorgesehenen Nachfolger nicht. Könntest du mit Tshaupintalk sprechen? Wird sie energisch genug sein, ihn zu beeinflussen?«
Sie wand sich unbehaglich, und Schlammwasser schlug Wellen. »Ich habe keine Ahnung.« Schläfer gehörten nicht zu ihrer Klasse, sie hatten miteinander nichts zu tun.
Ein Signalton wurde hörbar. Der Herr der Herde streckte sich und begann sich abzutrocknen. Es war Zeit, zu den Pflichten zurückzukehren.
Die Welt, die das Ziel ihrer Bemühungen war, trug in der Sprache der von ihnen als ›Vorlinge‹ bezeichneten Vorfahren bereits einen Namen.
Einst hatte die Gattung nomadisiert, und jetzt war die ziehende Herde wieder zum Nomadendasein zurückgekehrt. Doch zur Paarungszeit mußte sich auch ein Nomadentrupp irgendwo niederlassen, bis die Jungen zur Welt gekommen sind.
Dieser Ort sollte Winterheim sein.
Winterheim aber wehrte sich. Seine Beherrscher waren keine unbekannte Größe mehr. Trotz der Schäden und der Todesopfer war Pastempihkeph erleichtert.
Während der vielen Jahre des Herfluges vom mit Ringen umgebenen Planeten hatten sich die Beutewesen passiv verhalten. Der Herr der Herde und sein Berater sprachen miteinander darüber und überlegten: hatten die Erdbewohner das Raumschiff gesehen? Elektromagnetische Signale der ihnen bekannten Art drangen durch die Atmosphäre von Winterheim und wurden aufgezeichnet. Das meiste davon war unverständliches Gebrabbel. Einiges war recht wirr und zeigte Bilder riesiger Raumschiffe unrealistischer Konstruktion. Der Rest erwähnte mit keiner Silbe einwirkliches Sternenschiff, das sich näherte.
Unversehens dann empfing Thaktan Flishithy Botschaften, Aufforderungen zu antworten, Wörter, die von Frieden sprachen, bevor es Krieg gegeben hatte: erst wenige, dann mehr, schließlich ein unaufhörlicher Strom von Worten.
Was gab es da zu reden? Wie konnte man erwarten, daß sie verhandelten, bevor ihre Fähigkeiten auf die Probe gestellt worden waren? Doch die Beutewesen hatten weder Raketen noch Kriegsschiffe geschickt. Nichts als Botschaften.
Die Umerzieher überlegten. Ob die Beutewesen nicht wußten, wie man Krieg führt? Das lief allem zuwider, was der Herr der Herde von Evolution wußte. Doch selbst als der Angriff begann, unternahmen die Beutewesen nur wenig. Die auf einer Umlaufbahn befindlichen Satelliten verteidigten sich nicht, so daß die Hälfte von ihnen in der ersten halben Stunde außer Gefecht gesetzt war. Zum Kampf und Sterben bereite Krieger schwankten zwischen Erleichterung und auch Enttäuschung.
Doch besaßen die Bewohner Winterheims Waffen. Nicht viele, und sie setzten sie auch spät ein, aber… eine lange Narbe, geschmolzen und frisch zusammengefroren, zog sich an der Flanke der Bote entlang, quer über eine Tragfläche eines der TruppenLandeschiffe, GrifflingsschiffEinundvierzig. Es konnte möglicherweise noch im Weltraum operieren, aber die Erdatmosphäre würde es nie erreichen. Vier weitere Grifflingsschiffe waren im Weltraum zerstört worden.
Noch immer stiegen Raketen vom Planeten auf, und nach wie vor feuerten Strahlenwaffen und Raketen aus dem Weltraum. Einige Satelliten blieben auf der Erdumlaufbahn. Bote erbebte unter dem Aufprall eines Plasmastrahls und zitterte vom Rückstoß, als ein Geschoß dorthin abgefeuert wurde, woher der Strahl gekommen war.
O ja, das große Schiff hatte Schäden erlitten, aber sie waren unbedeutend. In gewisser Hinsicht war das sogar gut. Zumindest wußten die FithpKrieger jetzt, daß es einen Feind gab… wußten etwas über dessen Waffen wie auch über ihre eigene Kampfkraft. Überdies wußte der Herr der Herde jetzt, daß er sich auf die Schläfer verlassen konnte.
Insgeheim hatte er sich schon gefragt, ob diese Alten überhaupt kämpfen würden. Wie sich zeigte, schlugen sie sich sogar recht wacker. Ihrem Geburtsdatum nach mochten sie alt sein, acht bis sechzehn Jahre über die Geschlechtsreife hinaus waren sie gewesen und hatten das Schiff vier Jahre lang gesteuert, bevor ihre Körper eingefroren wurden. Sie kannten Gänge, Aufenthalts- und Lasträume im Schiff ebensogut wie die an Bord Geborenen.