Einen Augenblick schwieg der Herr der Herde. »War es hilflos?«
»Herr der Herde, ich habe eine bewaffnete Achtschaft geschickt, es zu holen, und es nackt vor meinem Tisch stehen lassen. Es hat Erklärungen verlangt und mich beschimpft!«
»Und es lebt? Du legst bemerkenswerte Langmut an den Tag.«
Takpassih stieß einen schnaubenden Laut aus. »Ich habe nicht alles sofort verstanden. Erst nachdem wir es in den Absonderungspferch zurückgebracht hatten, haben wir uns die Aufnahmen gründlich angehört. Herr der Herde, es sind merkwürdige Wesen. Sie gehorchen nicht richtig. Es wird lange dauern, bis man sie in die Ziehende Herde eingliedern kann.«
»Vielleicht ist das Tier verrückt, weil es herdenlos ist. Gab es in dem WeltraumHabitat andere von seiner Herde?«
»Ja. Es hat gesagt, daß seine Gefährtin beim Angriff ums Leben gekommen ist.«
»Dann hat es vor Kummer den Verstand verloren. Tötet es!«
»Herr der Herde, es gibt keinen Grund zur Eile. Es spricht die Sprache, die die Beutewesen Englisch nennen, weit besser als die anderen.«
»Haben sich die anderen unterworfen?«
»Ich glaube schon, Herr der Herde.«
»Das Herdenlose kommt von der Landmasse mit den meisten Straßen, Häfen und Staudämmen. Die Angehörigen der höchstenwickelten Herde können nicht alle verrückt sein.«
»Kaum, Herr der Herde.«
»Hast du einen Rat für mich?«
»Herr der Herde, ich glaube, wir sollten den Plan weiterverfolgen. Die Beutewesen niedertrampeln, bevor wir mit ihnen sprechen. Wenn sie schon in der Niederlage überheblich sind, müssen sie in jeder anderen Situation unmöglich sein.«
»Sehr gut. Wirst du weiter mit dem einen sprechen?«
»Nicht ohne neuen Grund. Mir war das Gespräch schmerzlich. Sobald wir weitere Exemplare von seiner Herde hier haben, werde ich noch einmal mit dem herdenlosen Wesen sprechen. Vielleicht kommt es ja auch zur Vernunft. Bis dahin will Umerzieher Eins Rästapispmins es beobachten, aber nicht mit ihm sprechen.«
Der Herr der Herde legte seine Grifflinge um den Unterschenkel. Takpassih drückte sich taktvoll aus, denn Rästapispmins beherrschte die Sprache der Beutewesen nicht besonders gut.
»Die anderen Gefangenen unterstehen mir, aber wir lassen sie beisammen«, beendete UmerzieherZwei Takpassih.
»Hat sich eigentlich schon einer von ihnen unterworfen?«
»Es bestand keine Gelegenheit, mich um sie zu kümmern, während die Bote ihre Position geändert hat. Statt dessen haben wir Experimente mit ihren Lebensbedingungen angestellt. Wir haben ihnen Tuch aus den Vorräten gegeben, die sich im Habitat auf der Umlaufbahn um Winterheim befanden. Sie haben sich hineingewickelt. Wir haben ihnen Wasser gegeben und beobachtet, wieviel davon sie verbraucht haben, anschließend haben wir ihre Ausscheidungen analysiert. Wir haben ihre Umgebung verändert. Wir wollten wissen: was tun sie mit ihrer Nahrung? Was von unseren Lebensmitteln bekommt ihnen? Reagieren sie positiv auf mehr Sauerstoff oder auf weniger? Auf warme oder auf kalte Luft? In welchem Ausmaß können sie ihre eigenen Ausdünstungen ertragen?«
»Ich nehme an, sie atmen das Luftgemisch von Winterheim.«
»Natürlich, aber wo dort? Am Äquator oder an den Polen? In großer oder in niedriger Höhe? Ist es da feucht oder trocken? Wir erfahren es Schritt für Schritt. Sie fühlen sich wohl bei einem Luftdruck, wie er auf Meereshöhe herrscht, bis hinunter zu dessen Hälfte. Sie können unser Luftgemisch ertragen, haben es aber lieber etwas trockener. Sie bedecken ihre Haut auch dann mit Tuch, wenn es viel zu heiß dazu ist. Das hat uns anfänglich in die Irre geführt. Sie trinken sauberes Wasser und waschen sich damit. Von Schlamm wollen sie nichts wissen. Ihre Nahrung wird behandelt, sie müssen sie befeuchten und erhitzen. Unsere haben sie nicht angerührt. Bei den Experimenten haben wir sie starken Reizen ausgesetzt, damit sie lernen, mit uns zu sprechen.«
Der Herr der Herde lachte verächtlich schnaubend heraus. »Natürlich würden sie Euch gern sagen, daß Ihr aufhören sollt. Können sie sprechen, ich meine Fithpisch?«
»Wir bringen es ihnen schrittweise bei. Es ist einfacher mit denen, die ›Englisch‹ sprechen. Ich sehe keinen Anlaß, die Sprache der anderen zu lernen. Das herdenlose Wesen namens Dawson soll übersetzen, bis sie unsere Sprache erlernt haben. Ihre Münder sind nicht richtig geformt. Eines Tages wird es möglicherweise eine Art Kompromißsprache geben, doch man wird die Wesen nie als gewöhnliche Arbeiter in der Ziehenden Herde einsetzen können, nicht einmal in schwarzer Nacht. Ihr Geruch ist völlig andersartig.«
»Sind sie in gutem körperlichen Zustand?«
»Das Dunkelhäutige reagiert nicht und ißt nicht. Ich nehme an, daß es im Sterben liegt. Es ist gleichfalls herdenlos. Die anderen vier scheinen sich für die Ausbildung zu eignen.«
»Das andere Herdenlose wird auch sterben.«
»Vielleicht, doch es wirkt gesund. Wir müssen es im Auge behalten. Herr der Herde, aus welchen Bereichen beabsichtigt Ihr, Gefangene zu nehmen?«
»Das brauchst du nicht zu wissen.«
»Herr der Herde, ich muß wissen, ob Dawson Gefährten von seiner eigenen Herde bekommt. Ich muß wissen, ob er verrückt ist oder ob sich alle Angehörigen dieser Herde so merkwürdig verhalten.«
»Es ist verrückt«, sagte der Herr der Herde.
»Leitet mich, Herr der Herde.«
»Tu deine Arbeit! Ich habe dir keine Anweisung gegeben.«
»Danke, Herr der Herde. Wahrscheinlich ist es verrückt. Bestimmt war es noch nie so weit von seiner Herde entfernt. Aber wir müssen es genau wissen.«
Der Herr der Herde überlegte. »Nun schön. Wir werden versuchen, einen Stützpunkt auf der Landmasse Zwei zu erobern und zu halten, im Norden, dort woher das meiste elektromagnetische Geplapper kommt. Wir werden Gefangene machen.«
»So viele wie möglich, Herr der Herde. Ich brauche Weibchen und Junge. Es wäre auch gut, Unausgereifte, Alte, Verkrüppelte und Verrückte zu haben.«
»Ich habe zwar andere Sorgen, werde den Wunsch aber an die Krieger weiterleiten lassen. Woran wollen wir die Verrückten erkennen?«
»Kümmert Euch nicht darum. Einige werden nach der Gefangennahme von selbst verrückt werden.«
»Noch etwas?«
»Ich möchte gern den Gefangenen einige Aufnahmen zeigen.«
»Gut. Wo? Im GemeinschaftsSchlammraum? Meine Offiziere und ihre Gefährtinnen drängen sich förmlich danach, die Eingeborenen von Winterheim zu sehen.«
»Ich bin nicht sicher, daß sie vorbereitet sind auf… Leitet mich. Wir können sie zeigen, aber nicht im Schlammraum. Wir könnten den Unterrichtsraum nehmen. Früher oder später werden sie sich an uns gewöhnen müssen.«
»Und mein Fithp muß sich an sie gewöhnen. Wir treten gleich in die Rotationsphase ein. Du kannst deine Vorführung anschließend veranstalten. Willst du ihnen den Podo Thaktan zeigen?«
»Nein! So weit sind sie noch nicht. Sie würden nicht verstehen, was er bedeutet. Fistartihthaktan würde mich zertrampeln.«
Der Herr der Herde schaltete das Gerät aus. Fathistihtalk, der während der Unterhaltung nichts gesagt hatte, ließ sich vernehmen: »Takpassih ist für die Aufgabe bestens geeignet. Viele Schläfer sind seit dem Erwachen lethargisch geworden. Er hat seinen Schwung und seine Neugier beibehalten.«
»Ja. Warum hat er keine Gefährtin? Er ist alt genug, und er hat eine angesehene Stellung – wenn er auch als Schläfer selbstverständlich weniger gilt als zuvor.«
»Seine Gefährtin hat den Todesschlaf nicht überlebt.«
»Ah.« Der Herr der Herde überlegte. »Ratet mir. Soll ich damit rechnen, daß aus diesen Gefangenen zuverlässige Mitarbeiter werden? Können sie ihr Volk zum Aufgeben überreden, damit nicht unnötig Blut vergossen wird?«