Ein großer blauer geländegängiger Lkw stand neben dem Panzerfahrzeug auf der Auffahrt. Bei dessen Anblick nickte Harry wohlgefällig. Er ließ das Motorrad zur vorderen Veranda rollen. Zwei Milizionäre, älter als er, saßen auf dem Panzerfahrzeug. Einer winkte ihm zu.
»Hallo«, rief Harry.
»Hallo«, erwiderte einer der Männer den Gruß.
Hinter der Fensterscheibe bewegte sich etwas.
»Ist Mrs. Dawson im Haus?« erkundigte sich Harry.
»Ich denke schon«, sagte einer der Männer. »He, Juana, Besuch für deine Schwester.«
Die Tür öffnete sich, und Carlotta Dawson kam die Treppe herabgeeilt. Sie trug Bluejeans, und ihr Haar wurde von einem Kopftuch zusammengehalten. Wortlos umarmte sie Harry und barg ihr Gesicht an seiner Schulter.
So blieb sie eine Weile stehen, dann sah sie zu den Milizmännern empor. »Er ist die ganze Strecke von Los Angeles gekommen«, sagte sie, »um mir beizustehen.«
»War es schlimm?« wollte einer wissen.
»Manchmal schon«, sagte Harry.
»Im Westen soll es nicht gut aussehen.«
»Sie haben den HooverStaudamm weggeputzt«, informierte ihn Harry. »Damit haben sie alle Städte entlang dem Colorado River zerstört. Genauso haben sie es mit den Staudämmen am Platte River gemacht. Sie scheinen gern Staudämme zu demolieren.«
Ein Offizier trat aus dem Haus. »Colonel Halverson, das ist Harry Reddington«, stellte Carlotta vor. »Ein Freund von – von Wes und mir. Er kommt geradewegs aus Los Angeles. Harry, Sie müssen Hunger haben.«
»Schon, aber vor allem müssen wir weg hier. Die verdammten Elefanten…«
»Welche Elefanten?« wollte Colonel Halverson wissen.
»Die Angreifer…«, sagte Harry.
»Warum bezeichnen Sie sie als Elefanten?«
»Weil sie aussehen wie Zwergelefanten mit zwei Rüsseln.«
»Haben Sie sie denn gesehen?«
»Und ob. Auf einen hab ich sogar geschossen, aber sie sind gepanzert, und deswegen weiß ich nicht, ob ich ihn getroffen habe.«
»Was meinen Sie mit ›gepanzert‹?«
»Sie tragen eine Art Rüstung, haben Gewehre und töten Menschen. Sie haben Leute aus einem Bauernhaus weggeführt und den Bauern umgebracht.«
»Wie nah waren Sie ihnen denn?«
Harry erschauderte bei der Erinnerung. »Viel zu nah! So, wie ich jetzt vor Ihnen stehe!« Einer hat mir sogar den Fuß auf die Brust gesetzt. Das aber sagte er nicht. Er schämte sich.
Halverson sah zweifelnd drein. »Und wie sind Sie ihnen entkommen?«
»Sie haben mich laufen lassen. Von mir aus könnt ihr Jungs machen, was ihr wollt, aber Mrs. Dawson und ich müssen hier weg. Sie sind überall. Ein Riesenglück, daß sie noch nicht hier waren.«
»Erzählen Sie mir!« sagte Colonel Halverson. »Alles was Sie wissen.«
»So viel gibt es da gar nicht zu erzählen«, sagte Harry. Sie hatten Schuhe mit hohen Absätzen an und sind mit Flugdrachen runtergekommen. Wenn ich das sage… »Sie sind mit Flugdrachen runtergekommen. Dann ist größeres Gerät gelandet.«
»Wie groß? Wo?«
»In der Nähe von Logan. Sie hatten Flugzeuge von der Größe ausgewachsener Düsenmaschinen, nur mit geringerer Spannweite. Und dann Luftkissengleiter, so groß wie Sattelschlepper. Jedenfalls sind sie mir so vorgekommen. Vielleicht waren sie auch größer.«
»Panzer? Geschütze?«
»Ich hab keine gesehen.«
»Und die haben Sie laufenlassen?«
»Ja – sozusagen.«
»Auch andere?«
»Ja.«
»Von Logan also, im Südwesten.« Halverson schlug sich mit der rechten Faust in die linke Handfläche. »Wir wissen, daß sie auch im Osten sind, und aus der Richtung ist bis jetzt niemand gekommen. Aber das hätte doch geschehen müssen, wenn die – wenn diese Wesen Menschen laufenlassen. Vielleicht wollen sie etwas verbergen. Am besten erzählen Sie mir alles, was Sie wissen.«
Stück für Stück entlockte Halverson Harry seine Geschichte. »Und dann habe ich die Waffe gefunden«, sagte Harry. »Ich hab erst überlegt, ob ich nicht Mrs. Wilson folgen sollte, bin dann aber doch lieber hergekommen.«
Halverson sah nachdenklich drein. »Was hätten Sie auch allein ausrichten können? Beim nächstenmal würden Sie einfach erschossen werden. Aber ich möchte doch zu gern wissen, was die da im Osten Geheimnisvolles im Schilde führen.«
»Colonel?« Der Sergeant sprang von dem Panzerfahrzeug herunter. Er schien älter zu sein als Halverson.
»Ja, Luke?«
»Colonel, ich hab gestern abend ‘ne merkwürdige Geschichte gehört, drüben in Collinston.«
»Collinston? Das liegt achtzig Kilometer von hier! Was haben Sie denn da getrieben?«
»Bin mit ein paar von den Jungs hingefahren, um was zu trinken. Sie brauchten uns nicht, denn wir wollten ja noch nicht aufbrechen.«
»Das nächste Mal geben Sie Bescheid, wenn Sie das Lager verlassen.« Er lachte leise vor sich hin. »Also schön, in Collinston haben Sie eine offene Bar gefunden. Vermutlich braucht es mehr als Krieg und Fallschirmjägerangriffe, damit sie in dem Ort die Lokale dichtmachen.«
»Bestimmt. Jedenfalls war da einer, der schon ziemlich viel intus hatte, deswegen hat ihn auch keiner groß beachtet. Er hat gesagt, er hätte einen Elefanten gesehen, einen kleinen, in einem Weidengehölz vor der Stadt. Er glaubte, er wäre vielleicht aus ‘nem Zirkus entlaufen, weil es ein dressierter Elefant war.«
»Dressiert? Wieso das?« fragte Halverson.
»Keine Ahnung.«
»Harry.« Carlotta sprach mit großem Nachdruck. »Harry, das ist einer von den Angreifern. Wir müssen ihn gefangennehmen, und zwar lebend. Vielleicht weiß er etwas über Wes. Harry, wir müssen!«
Harry schluckte. »Klar, aber ich brauch Benzin!«
»Ich zapfe welches aus Davids Wagen.«
»Augenblick mal«, sagte Colonel Halverson. »Das kann ich nicht zulassen.«
»Warum nicht?« wollte Carlotta wissen. »Sie fahren nach Osten. Da werden Sie genug Angreifer zu Gesicht bekommen. Den einen da brauchen Sie nicht.«
»Aber – hören Sie, diese Viecher sind bewaffnet…«
»Es hat dem Mann in der Bar nichts getan«, sagte Carlotta. »Warum hätte der sonst gedacht, daß es dressiert war? Vielleicht… vielleicht hat es sich hingelegt und auf den Rücken gedreht!«
»Großer Gott!« sagte Harry. »Vielleicht hat sie recht.«
»Ja, aber…«
»Colonel, mein Mann war ein Freund des Präsidenten. Präsident Coffey hat ihn persönlich den Außerirdischen entgegengeschickt. Es ist mein Recht zu erfahren, was mit ihm passiert ist. Geben Sie Harry Benzin, und dann führen Sie von mir aus Ihren Krieg! Harry und ich tun das übrige.«
Klar, dachte Harry. Natürlich.
»Und ich sage, wir stellen sie.« Evan Lewis war sich seiner Sache sehr sicher. »Zum Teufel, Joe, wir müssen einfach! Wir könne doch die – die Biester nicht in ganz Kansas frei rumlaufen lassen.«
»Ich widerspreche Ihnen ja gar nicht, Captain«, sagte Colonel Halverson, Er ließ den Blick über das Häuflein Männer schweifen, das sich um Juana Morgans Eßzimmertisch versammelt hatte. Evan Lewis, Inhaber eines Landmaschinenhandels mit angeschlossener Reparaturwerkstatt, der die Panzer kommandierte, George Mason, Rechtsanwalt, Kommandeur der sechs Hubschrauber. Der vierte Mann am Tisch war David Morgan, emeritierter Professor für Betriebswirtschaft, Halversons Adjutant und Stabschef. Morgan war der Kleinste in der Runde, und er sprach mit einem abgehackten Ostküstenakzent, der Joe Halverson maßlos auf die Palme brachte. Andererseits mußte er sich eingestehen, daß Morgan der klügste Kopf im Bataillon war.