Sein Blick war auf das Display gerichtet, und er wünschte sich, die Zeit möge schneller vergehen. Die Syndik-Basis musste inzwischen die Flotte bemerkt haben, aber selbst wenn die Nickel-Korvetten sofort auf Abfangkurs gingen, würde man das auf der Dauntless erst in zehn Minuten sehen können. Geary konzentrierte sich auf seine eigenen Schiffe und versuchte, das Durcheinander an angezeigten Vektoren zu sortieren, um sich ein Bild davon zu machen, wie weit sich die Formation entwickelt hatte. Angesichts dessen, wie schwierig es war, die einzelnen Bewegungen auszumachen, lief es mit den Bemühungen gar nicht so gut. Zugegeben, bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Flotte fortbewegte, war es umso schwieriger, die Positionen zueinander zu verändern, dennoch taten sich die einzelnen Schiffe ausgesprochen schwer, ihre Positionen anzusteuern.
»Der Syndik-Commander hat auf unsere Forderung nach einer Kapitulation reagiert«, murmelte Captain Desjani.
»Okay.« Geary sah auf die Uhr und stellte fest, dass die Antwort auf seine Forderung umgehend gesendet worden sein musste. Er brauchte einen Moment, bis er die richtige Taste gefunden hatte, dann sah er in das Gesicht eines älteren Mannes, der eine makellos sitzende, aber abgewetzte Uniform eines Executive Class Officer trug.
Der Syndik-XO schluckte erschrocken, schüttelte den Kopf und gab sich Mühe, resolut dreinzuschauen. »Hiermit bestätige ich den Erhalt Ihrer Nachricht. Ihrer Bitte können wir nicht nachkommen. Es ist mir nicht gestattet, die Streitkräfte und Anlagen in diesem System an Sie zu übergeben. Übertragung Ende.«
Oh, verdammt… Geary schnaufte aufgebracht. »Unserer Bitte können sie nicht nachkommen? Klingt fast so, als hätten wir sie zum Tanzen auffordern wollen.«
»In ein paar Stunden legen wir das Hauptquartier um ihn herum in Schutt und Asche«, erwiderte Desjani gutgelaunt.
»Vielleicht. Aber bis dahin gibt es keinen Grund, nicht alles zu versuchen, um diesen Idioten zur Vernunft zu bringen.« Geary musste fast lächeln, als er Desjanis Gesichtsausdruck sah. »Keine Sorge, ich werde ihn nicht anflehen.«
»Ich hatte nicht…«
»Ist schon gut. Lassen Sie mich ihm diese Nachricht persönlich übermitteln.« Er hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen, dann tippte er die entsprechende Befehlssequenz. »Hier ist die Allianz-Flotte unter Befehlshaber Captain John Geary. Wir sind hergekommen, um Sie zur Kapitulation aufzufordern«, verkündete Geary, dem die Ironie der Situation nicht entging, da der Syndik-CEO vor wenigen Wochen fast den gleichen Wortlaut verwendet hatte. »Wie Sie an unseren Einflugvektoren erkennen können, kommen wir von der Syndik-Heimatwelt. Unsere Arbeit dort ist abgeschlossen.« Er versuchte, das richtige Maß an triumphierender Arroganz in seiner Stimme mitschwingen zu lassen, um die irreführende Aussage zu unterstreichen. Wenn der Syndik-Commander glaubte, die Allianz habe seine Heimatwelt besiegt, dann würde es vielleicht helfen, ihn zur Aufgabe zu bewegen. »Wir erwarten, dass alle militärischen und lokalen Streitkräfte ihre Waffen niederlegen, alle Verteidigungsanlagen deaktivieren und auf jegliche Form von Widerstand verzichten.
Es sollte klar erkennbar sein, dass wir über genügend Feuerkraft verfügen, um unsere Forderung durchzusetzen, und dass jeglicher Widerstand von Ihrer Seite zwecklos ist. Wenn Sie nicht unverzüglich kapitulieren, wird das nur den sinnlosen Tod Ihrer Verteidiger und schwerste Beschädigungen an den Anlagen in diesem System zur Folge haben. Ich erwarte mit Ihrer nächsten Nachricht die Be-kanntgabe Ihrer Kapitulation.«
Er lehnte sich zurück, schaute Desjani an und zuckte mit den Schultern. »Wenn er das nicht begreift…«
»Dann müssen wir eben zum Höllenspeer greifen«, führte sie den Satz für ihn zu Ende.
»Ja, wenn es sich nicht vermeiden lässt.« Wieder betrachtete er das Display. »Die Korvetten haben sich bis vor zehn Minuten noch immer nicht gerührt. Interessant. Sie behalten einfach ihre Position im Orbit um die Syndik-Basis bei.«
»Vielleicht wollen sie sie nur benutzen, um die Station selbst zu beschützen.«
»Es wäre schrecklich dumm, Schiffe in einer statischen Verteidi-gungsposition einzusetzen, selbst wenn wir ihnen zahlenmäßig nicht so überlegen wären.« Er musterte die Darstellung. »Ich glaube, es gibt einen anderen Grund dafür, aber…«
»Syndik-Kreuzer im Orbit um den vierten Planeten entdeckt!«, rief in dem Augenblick der Aufklärungs-Wachhabende.
»Nur einer?« Geary überflog den eingehenden Bericht. Die Klasse des leichten Kreuzers sagte ihm nichts, doch das System erklärte ihn als einem überholten Design zugehörig. »Sind diese Angaben richtig?«
Ein Dutzend Crewmitglieder überprüfte in aller Eile die Daten.
Desjani antwortete für sie alle: »Jawohl, Sir.«
»Wow. Sehen Sie sich mal dieses Antriebssystem an! Warum packt jemand so viel Antriebskraft in einen leichten Kreuzer?«
Verwundert ging Desjani die Daten durch. »Das wissen wir nicht.
Diesem Design sind wir noch nie begegnet, und gehört haben wir davon nur durch Geheimdienstberichte. Offenbar wurden von dem Typ nur ein paar gebaut, und falls der je in einer Schlacht zum Einsatz kam, besitzen wir darüber keine Aufzeichnungen.«
Geary nickte gedankenverloren. Ihm fiel nur ein Grund ein, warum über dieses Schiff nichts bekannt sein sollte: wenn kein einziges Allianz-Schiff das Gefecht überlebt hatte, an dem dieses Ding beteiligt war. Der leichte Kreuzer war nicht schwer bewaffnet, er verfügte lediglich über ein riesiges Antriebssystem. Hoffentlich muss ich mir keine Gedanken darüber machen, welchem Zweck dieses System dienen soll. Wenn der Syndik-Commander kapituliert, kann ich jemanden fragen. Ansonsten wird der Kreuzer nur noch ein Haufen Schrott sein, wenn wir ihn erst einmal durchsiebt haben. »Der Kreuzer und die Korvetten befinden sich noch im Orbit um den Planeten. Das macht Hoffnung.«
»Auf jeden Fall macht es sie so zu einfacheren Zielen.«
Eine weitere Stunde war nahezu verstrichen, als die Reaktion des Syndik-Commanders endlich eintraf. »Ich habe Ihre letzte Mitteilung empfangen«, erklärte der Mann in der abgewetzten Uniform.
»Artikel sieben der Kampfanweisungen der Syndikatflotte untersagt eine Kapitulation. Artikel neun verlangt, alle militärischen Einrichtungen energisch zu verteidigen. Artikel zwölf stellt klar, dass es keine Ausnahmesituation gibt, die die Artikel sieben und neun außer Kraft setzen kann. Daher muss ich Ihre Bitte ein weiteres Mal ab-lehnen.«
Geary starrte ungläubig das Bild an. »Wie kann er nur so dumm sein?«
Co-Präsidentin Rione antwortete darauf. »Er ist ein Bürokrat, Captain Geary. Sehen Sie sich ihn an, hören Sie ihm zu. Er lebt dafür, Regeln und Vorschriften umzusetzen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Regeln einen Sinn ergeben.« Nach ihrem Tonfall zu urteilen, hatte sie mehr als genug Leute von seinem Schlag kennengelernt.
Fast hätte Geary gelacht, so absurd war die Situation. Ein Bürokrat.
Irgendein Kerl, der vermutlich seine ganze Karriere damit verbracht hat, sicherzustellen, dass jede Vorschrift, die vor Jahrzehnten in einer Entfernung von etlichen Lichtjahren erlassen worden war, auf den Buchstaben genau in die Tat umgesetzt wurde. Jemand, für den es nichts Wichtigeres gibt, als jede noch so unwichtige Vorschrift auf den Punkt genau zu befolgen. Wer sonst würde auch schon das Kommando über ein System zugeteilt bekommen, in das der Krieg nie vordringen sollte? Und wer sonst würde sich Jahr um Jahr an diesem sinnlosen Kommando festklammern?
Dann wurde Geary bewusst, was das Beharren dieses Bürokraten auf den Artikeln sieben, neun und zwölf der Kampfanweisungen der Syndikatflotte bedeutete. Er würde so viele Untergebene dieses Erbsenzählers töten müssen, bis der zur Kapitulation bereit war.