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»Uns bleibt weniger als eine Stunde, bis das Ultimatum der Syndiks abläuft, Captain Geary.«

»Dessen bin ich mir bewusst, Captain Desjani.« Und ich bin mir in zunehmendem Maß bewusst, dass ich diesen Leuten zeigen muss, dass ich hier das Kommando habe, damit mir diese Flotte nicht zerfällt. Außerdem muss ich unbedingt etwas über diese Captains erfahren, damit ich sie nicht in einem entscheidenden Punkt falsch einschätze. Ich weiß verdammt zu wenig über sie. »Admiral Bloch zeigte mir seinen Konferenzraum und sagte, er könne dort ein virtuelles Treffen mit seinen Captains einberufen.«

»Ja, Sir. Das erforderliche Datennetz ist innerhalb der Flotte noch funktionsfähig.«

»Gut. Ich will sie in zehn Minuten bei dieser Konferenz sehen, und innerhalb der nächsten fünf Minuten erwarte ich von jedem einzelnen Captain die Bestätigung meines Befehls. Und falls sich einer von ihnen drücken möchte, sagen sie ihm, jeder ist zur Teilnahme verpflichtet.«

»Ja, Sir.«

Mit einem Anflug von Schuldgefühlen fiel ihm ein, dass er Captain Desjani auf ihrem eigenen Schiff in einem ganz und gar unhöflichen Tonfall herumkommandiert hatte. Er selbst hatte das auch gehasst, als ihm so etwas einmal widerfahren war. Das musste er sich jetzt vor Augen halten. »Vielen Dank, Captain. Kommen Sie bitte zum Konferenzraum. Wir treffen uns davor in… acht Minuten.«

Wenn er sich nicht täuschte, war der Konferenzraum ungefähr fünf Minuten von seiner Kabine entfernt. Geary nutzte die verbleibenden drei Minuten, um noch einmal die Aufstellung der Flotte aufzurufen, dann sah er sich eindringlich die Positionen der verschiedenen Schiffe zueinander an und ging im Geiste durch, welches von ihnen wie stark beschädigt worden war. Was früher einmal eine pflichtgemäße geistige Übung gewesen war, hatte sich zu etwas entwickelt, das er innerhalb von drei Minuten so umfassend wie möglich in sich aufnehmen musste. Ihm fiel etwas auf, was auf der Anzeige fehlte, etwas, von dem er wusste, dass es dort sein sollte. Er ergänzte es und sah sich die Darstellung eine Weile an, während er zu verstehen versuchte, warum sie für ihn keinen Sinn ergab.

Wieder war er in den Gängen der Dauntless unterwegs, wieder waren die Gesichter der Crew ihm erwartungsvoll zugewandt. Geary erinnerte sich an das Versprechen, das er Admiral Bloch gegeben hatte, und versuchte, den Eindruck zu erwecken, als wisse er genau, was er da tue. Er war auch mal ein Junioroffizier gewesen und hatte sich diesen Trick vor langer Zeit angeeignet. Allerdings war er sich nicht sicher, was er sonst noch gelernt hatte, das sich jetzt wirklich als hilfreich erweisen konnte.

Ein Marine der Allianz stand stocksteif in Habtachtstellung vor dem Konferenzraum und salutierte, als Geary sich ihm näherte. Die Geste irritierte ihn einen Moment lang, bis er begriff, wenn es jemanden gab, der an alten Traditionen festhielt, dann waren es die Marines.

Captain Desjani trat vor. »Captain Geary, die Befehlshaber aller Schiffe sind anwesend.«

Er warf einen Blick in Richtung Konferenzraum, der aus seinem gegenwärtigen Blickwinkel leer zu sein schien. »Alle?«

»Ja, Sir. Die meisten von ihnen scheinen glücklich darüber zu sein, Ihre Befehle entgegenzunehmen«, fügte Desjani hastig an.

»Glücklich.« Natürlich waren sie glücklich. Sie hatten keine Ahnung gehabt, was sie tun sollten, aber jetzt konnten sie sich ja an ihn wenden. Und das galt auch für Desjani, die um mindestens zehn Jahre jünger geworden zu sein schien, seit er das Kommando übernommen hatte. Sie warten auf den Helden, der sie retten kommt, dachte Geary grimmig. Dabei ist das so unfair. Nach allem, was sie durchgemacht haben… Er überlegte, wie er sich fühlte mit dieser Leere in seinem Inneren, und er fragte sich, welche Leere diese Leute verspüren mochten, nachdem sich ihre Welt plötzlich so sehr verändert hatte, dass es ihre Vorstellungskraft überstieg. Forschend betrachtete er den Captain der Dauntless und versuchte zu erkennen, was sich unter dieser Erschöpfung befinden mochte. »In welcher Verfassung sind sie?«

Sie stutzte, als verstehe sie die Frage nicht richtig. »Alle Captains haben uns den aktuellen Status über die Schäden an ihren Schiffen gemeldet, Sir. Sie können sie abrufen und…«

»Das habe ich bereits. Aber ich rede nicht von den Schiffen. Sie haben mit diesen Leuten gesprochen, Captain. Ich darf annehmen, Sie kennen sie gut. In welcher Verfassung sind sie

Captain Desjani zögerte. »Sie haben alle die Nachricht der Syndiks gesehen, Sir.«

»Das sagten Sie bereits. Und jetzt möchte ich Ihre ehrliche Meinung zu diesen Schiffskommandanten hören. Fühlen sie sich geschlagen?«

»Wir sind nicht geschlagen, Sir!« Der Satz endete nicht in dem en-thusiastischen Tonfall, in dem er begonnen hatte, und Desjani senkte einen Moment lang den Blick. »Sie sind… erschöpft und müde, Sir.

So wie wir alle. Wir dachten, ein Schlag im Heimatsystem der Syndiks könnte eine Entscheidung zu unseren Gunsten herbeiführen und diesem Krieg ein Ende bereiten. Wir führen den Krieg schon seit langer Zeit, Sir, und aus dieser Hoffnung ist nichts weiter her-ausgekommen als… als…«

»…als das hier.« Geary wollte den Plan nicht noch einmal beschrieben bekommen. Admiral Bloch hatte ihn im Gespräch mit ihm ein Dutzend Mal oder öfter erläutert. Ein kühner Schlag gegen den Feind, möglich gemacht durch etwas namens Hypernet, was es zu Gearys Zeiten nicht gegeben hatte, und durch einen Verräter in den Reihen der Syndiks. Oder besser gesagt: durch einen angeblichen Verräter. »Darf ich annehmen, dass wir es hier mit dem größten Teil der Syndik-Flotte zu tun haben?«

»Ja, Sir. Nahezu deren gesamte Flotte.« Desjani wurde leiser und kämpfte sichtlich um ihre Selbstbeherrschung. »Die nur auf uns gewartet hatte. Unsere Vorhut hatte schlichtweg keine Chance.«

»Das Hauptfeld konnte sich aber den Weg freischießen.«

»Richtig, allerdings zu einem sehr hohen Preis. Nicht einmal Black… entschuldigen Sie. Wir können nicht darauf hoffen, mit den uns noch verbliebenen Schiffen die Syndik-Streitkräfte da draußen zu besiegen.«

Geary wurde nachdenklich und nahm nur beiläufig wahr, wie Desjani sich abrupt unterbrochen und das Thema gewechselt hatte.

Wichtiger war, was sie gesagt hatte. Keine Hoffnung. Der Legende zufolge enthielt die Büchse der Pandora inmitten all der schlechten Dinge angeblich ein wahres Geschenk: Hoffnung. Etwas, das die Menschen dazu brachte, auch dann nicht aufzugeben, wenn doch schon alles verloren war. Aber wenn diese Leute tatsächlich auch alle Hoffnung aufgegeben hatten… Er schaute Captain Desjani an und entdeckte wieder, was er gar nicht sehen wollte. In den Augen, die auf ihn gerichtet waren, flackerte immer noch ein Funken Hoffnung.

»Sir.« Sie sprach auf eine sonderbar gestelzte Weise. »Wenn ich frei reden darf, Sir. Wir brauchen Sie. Wir alle brauchen etwas, wor-an wir glauben können. Jemanden, der uns hier rausbringen kann.«

»Ich bin keine Legende, Captain, oder für was Sie mich auch halten mögen.« So. Jetzt hatte er es ausgesprochen. »Ich bin ein ganz normaler Mensch, ich kann keine Wunder vollbringen.«

»Sie sind ›Black Jack‹ Geary, Sir! Sie kämpften in einer der ersten Schlachten in diesem Krieg, obwohl Sie sich in einer aussichtslosen Situation befanden.«

»Und ich verlor diese Schlacht, Captain.«

»Nein, Sir!«, widersprach Desjani so nachdrücklich, dass er er-schrak. »Sie wehrten den Angriff ab und stellten sicher, dass alle Schiffe dieses Konvois sich in Sicherheit bringen konnten! Und dann hielten Sie weiter Ihre Position, damit auch die Begleitschiffe entkommen konnten! Sie trotzten den Syndiks und gaben Ihrer eigenen Crew den Befehl, den Rückzug anzutreten, während Sie bis zur Zerstörung Ihres Schiffs weiterkämpften. Diese Geschichte habe ich in der Schule gelernt, Sir, so wie jedes Kind in der Allianz.«