Allerdings hatte der Moder keinen angenehmen Geruch gehabt. Jetzt roch der Raum wie der Ozean. Teroan lachte leise, während er auf den einzigen anderen Benutzer des Raumes zuging.
»Du hast dir wieder mal Seesalze ausgesucht, Dameen?«
Der Mann blickte auf und grinste. »Sie erinnern mich an zu Hause.«
Teroan schälte sich aus den Schichten seiner Roben und warf sie auf die Bank neben Dameens säuberlich zusammengelegten Kleidern. Er stieg in das lauwarme Wasser hinab, dann ließ er sich auf eine der Bänke im Becken sinken. Das trübe, rotbraune Wasser konnte weder seine Fettwülste verbergen noch die Tatsache, dass seinem Freund unterhalb der Knie die Beine fehlten. Irgendwie war es Dameen gelungen, sich trotz seiner Verletzung sein muskulöses, gutes Aussehen zu bewahren. Teroan vermutete, dass der Mann gewohnheitsmäßig weiterhin für regelmäßige körperliche Ertüchtigung sorgte, außerstande, seine Ausbildung als Krieger gänzlich abzustreifen.
Eine Weile saßen sie schweigend da, zufrieden damit, sich in der Gesellschaft des anderen zu entspannen.
»Ich hatte letzte Nacht einen seltsamen Traum«, sagte Dameen nach einer Weile.
»Tatsächlich?«
»Ich habe geträumt, der Anführer der Traumweber sei nach Südithania gekommen.«
Teroan sah seinen Freund überrascht an. »Ich habe gestern Nacht von demselben Mann geträumt. Wahrscheinlich beschäftigen uns die Gerüchte über seine Rückkehr. Was ist in deinem Traum geschehen?«
»Ich habe mich gefragt, was ich tun würde, wenn ich eine der Stimmen wäre …« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »Oder vielleicht hat mir auch jemand anders diese Frage gestellt… Ich erinnere mich nicht.«
»In meinem Traum ist dasselbe passiert. Zu welchem Schluss bist du gekommen?«
»Dass ich nichts unternehmen würde, solange er keinen Ärger macht.«
Teroan nickte. »Ich habe mich genauso entschieden. Es könnte nur von Vorteil sein, wenn er zurückkehrte. Ihm haben die Traumweber ihre guten Kenntnisse der Heilkunst zu verdanken; vielleicht würden sie unter seiner Führung noch besser werden. Sie haben uns nach der Schlacht sehr geholfen, und dafür stehen wir tief in ihrer Schuld.«
»Ja.« Dameen blickte auf die Stumpen seiner Beine hinab und zuckte die Achseln. »Aber andererseits bin ich voreingenommen. Heute Morgen habe ich noch einmal darüber nachgedacht. Die Stimmen würden ein solches Ereignis vielleicht anders beurteilen. Sie würden einen mächtigen Zauberer sehen, der das Volk gegen sie aufbringen könnte.«
»Was glaubst du, was sie tun würden?«
»Kuar hätte ihn zu seinem Verbündeten gemacht.« Er runzelte die Stirn. »Was Nekaun betrifft, bin ich mir nicht sicher. Ich habe keine Ahnung, was er tun würde.«
Teroan lächelte. Der Krieger konnte nicht aus seiner Haut heraus. Er hätte seine Vergangenheit eigentlich hinter sich lassen sollen, aber auch wenn sein Körper nicht mehr unversehrt war, war sein Geist doch so lebhaft wie eh und je.
Was für eine Verschwendung, dachte Teroan. Er konnte niemanden als Ersatz für Kuar akzeptieren, daher ist er hier gelandet, und seine Fähigkeiten als Berater bleiben ungenutzt.
Was Teroan mit eigennütziger Dankbarkeit erfüllte. Wenn Dameen Klaff verließe, wer wäre dann noch hier, der interessant und intelligent genug für angeregte Gespräche wäre? Gewiss nicht die Vogelzüchter. Oder seine Frau.
»Findest du es eigenartig, dass wir in derselben Nacht denselben Traum hatten?«, fragte Teroan.
Dameens kluge Augen wurden schmal. »Du hast den Verdacht, dass die Traumweber sich an unseren Träumen zu schaffen machen?«
Teroan zuckte die Achseln. »Wenn zwei Menschen in derselben Nacht dasselbe träumen, könnte das ein bloßer Zufall sein. Wenn wir noch jemand anderen finden, der diesen Traum hatte, dann steckt vielleicht mehr dahinter.«
»Und wenn Mirar tatsächlich in Südithania auftaucht?«
Teroan nickte. »Ja. Auch das könnte mich überzeugen.« Glühende Kohlen waren alles, was im Kohleofen zurückgeblieben war. Etliche Kissen waren vor der Feuerstelle verstreut worden, und darauf lag eine Frau und schlief. Neben ihr standen ein leerer Krug und ein Becher. Danjin hielt inne, um die Wölbung ihrer Hüfte und den feinen Schnitt ihres Gesichts zu bewundern, bevor er auf sie zuging. Warme Zuneigung stieg in ihm auf. Er konnte sich wahrhaft glücklich schätzen, Silava zur Frau zu haben.
Es hatte Zeiten gegeben, da er glaubte, verflucht zu sein, aber diese Zeiten lagen lange zurück.
Sie regte sich, wahrscheinlich geweckt vom Geräusch seiner Sandalen auf dem Boden. Einen Moment später öffnete sie die Augen und blinzelte ihn an, dann lächelte sie.
»Dajin«, sagte sie.
»Silava. Du hast doch nicht auf mich gewartet, oder?«
»Ja und nein. Ich habe eine private Feier veranstaltet. Wenn du zufällig rechtzeitig zurückgekehrt wärst, um dich mir anzuschließen, umso besser.«
»Was feierst du denn?«
»Wir«, korrigierte sie ihn. »Wir feiern die Geburt eines weiteren Enkelkindes. Einer Enkeltochter.«
Er sah sie überrascht an. »Sie ist früher gekommen als erwartet?«
»Ja.« Silava zögerte. »Ich möchte für eine Weile bei Tivela wohnen.«
Er nickte. »Ja. Hilf ihr mit dem Säugling. Wann wirst du abreisen?«
Silava musterte ihn mit schmalen Augen. »Du zeigst nicht annähernd genug Widerstreben oder Enttäuschung über die Aussicht, auf mich verzichten zu müssen.«
»Nein«, gab er ihr kichernd recht. »Obwohl man mich glauben gemacht hat, dass ein solches Verhalten gegen alle Gesetze der Natur und der Götter verstoßen würde.«
Ihre Augen wurden noch schmaler.
»Ich habe übrigens ebenfalls Neuigkeiten«, sprach er hastig weiter. »Du wirst sie vielleicht hören wollen, bevor du mir bei lebendigem Leib die Haut abziehst.«
»Oh?«
»Ellareen wird nach Dunwegen reisen, und sie möchte, dass ich sie begleite.«
»Oh.« Einen Moment lang wirkte sie niedergeschmettert, dann lächelte sie. »Siehst du? So zeigt man Enttäuschung. Es ist ganz einfach und sollte durchaus innerhalb der Fähigkeiten eines Ratgebers liegen. Warum Dunwegen?«
»Hania ist nicht das einzige Land, das die Pentadrianer zu bekehren versucht haben. Sie haben ihre Götterdiener überall in Nordithania verteilt - wobei sie aus irgendeinem Grund niemanden nach Si geschickt haben. Vielleicht liegt es daran, dass Auraya dort ist, obwohl ich keine Ahnung habe, warum sie das als Hindernis betrachten sollten.«
»Sie haben durchaus Leute nach Si geschickt«, sagte Silava. »Das war der Grund, warum Auraya dorthin zurückgekehrt ist.«
Er schlug sich an die Stirn. »Natürlich! Das hatte ich vollkommen vergessen. Es scheint so lange her zu sein.«
Silava hakte sich bei ihm unter und schob ihn sanft zur Tür hinüber. »Du vermisst sie, nicht wahr?«
Danjin runzelte die Stirn. »Ja, wahrscheinlich.«
»Du magst Ella nicht so sehr wie Auraya, hab ich recht?«
Er sah sie überrascht an. »Warum sagst du das?«
»Du sprichst nicht auf die gleiche Weise von ihr. Magst du sie?«
Er zuckte die Achseln. »Ella ist durchaus ein netter Mensch, aber … bei Auraya wusste ich, dass es Dinge gab, die sie mir nicht erzählen konnte, aber es war leicht, das zu vergessen. Bei Ella fühle ich mich ständig daran erinnert.«
»Vielleicht hat sie mehr Geheimnisse als Auraya.«
Danjin lachte. »Mehr als Auraya? Das will ich nicht hoffen!« Oder zumindest hoffte er, dass sie keine so skandalösen Geheimnisse hütete wie die ehemalige Weiße. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Ella einen Traumweber zum Geliebten nahm. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Ella überhaupt jemanden zum Geliebten nahm. Obwohl sie ihre Arbeit mit der gleichen Leidenschaft versah wie Auraya, wirkte sie doch irgendwie kühler und reservierter.