Beide Frauen griffen in den Eimer mit Beeren und begannen zu essen. Auraya dachte an Jade. Diese Beeren hätten ihr geschmeckt. Ich nehme an, sie ist immer noch auf dem Weg hinaus aus Si.
Sie war überrascht festzustellen, dass sie die Frau vermisste. Obwohl sie herrisch und launisch war, war sie ein Quell interessanter Anekdoten und großen Wissens gewesen. Auraya lächelte. Jade mochte ungeheuer alt sein, aber es war Auraya einige Male gelungen, sie zu überraschen.
»Ich frage mich, ob es möglich wäre, den Leeren Raum zu beseitigen«, hatte Auraya eines Abends gesagt. »Vielleicht, wenn man Magie von einem anderen Ort heranzöge und hier wieder freisetzte, um damit den Leeren Raum zu füllen.«
Jade hatte sie überrascht angestarrt. »Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen.«
Als Sirri ihre Handvoll Beeren gegessen hatte, begann sie, von den Kämpfen der Stämme um die Minen zu erzählen. Obwohl Auraya das alles schon am vergangenen Abend gehört hatte, ließ sie die Frau noch einmal darüber sprechen, denn sie wusste, dass Sirri lediglich das Bedürfnis hatte, ihrem Ärger Luft zu machen.
Auraya.
Beim Klang der Stimme in ihren Gedanken zuckte sie zusammen, dann blickte sie auf ihren Priesterring hinab. Juran rief sie durch den Ring. Nun, jetzt brauche ich mich nicht länger zu fragen, ob der Ring noch funktioniert, nachdem ich gelernt habe, meinen Geist abzuschirmen.
Juran?, erwiderte sie.
Ja. Wo bist du?
Im Offenen Dorf.
Ist Sprecherin Sirri bei dir?
Ja.
Ich habe eine Bitte an sie. Würdest du für mich sprechen?
Natürlich.
»Sprecherin Sirri«, unterbrach Auraya die Siyee. »Juran von den Weißen wünscht, dass ich eine Bitte an dich weitergebe.«
Sirri erstarrte mit offenem Mund. Als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, richtete sie sich auf, lächelte und nickte. »Sag ihm, dass ich zuhöre - und übermittle ihm meine Grüße und meine besten Wünsche.«
Danke ihr von mir, sagte Juran. Wir haben vor kurzem in Jarime eine pentadrianische Verschwörung aufgedeckt, durch die Bürger unserer Stadt ermordet und andere mit einer List dazu gebracht wurden, zur pentadrianischen Religion überzutreten.
Auraya gab dies an Sirri weiter.
Wir haben auch in Toren und Genria solche Verschwörungen enthüllt und gehen jetzt anderen Berichten über ähnliche Ereignisse nach. Das Ziel der Pentadrianer war es, still und leise die Herrschaft in diesen Ländern zu untergraben, indem sie Zirkler dazu verleiteten, den Göttern abzuschwören und ihren eigenen Göttern zu huldigen. Als Anreiz haben sie jenen, die keine Gaben besaßen, Machtpositionen versprochen. Sind in letzter Zeit in Si Pentadrianer oder verdächtige Fremdländer gesehen worden?
»Nicht in letzter Zeit«, erwiderte Sirri. »Nicht seit dem vergangenen Frühling, als wir Aurayas Hilfe erbeten haben. Seither haben wir an unseren Grenzen Wächter postiert. Die einzigen Besucher waren Elai.«
Ich hoffe, du hast recht. Wir haben lange darüber diskutiert, welche Reaktion auf die pentadrianischen Angriffe in unseren Städten angemessen wäre. Wenn wir die Pentadrianer ignorieren, werden sie vielleicht kühner. Sie könnten versuchen, abermals in unser Land einzudringen. Gewiss werden sie erneut versuchen, andere zu bekehren. Wir müssen ihnen klarmachen, dass sie uns nicht angreifen können, ohne einen Gegenschlag erwarten zu müssen. Werdet ihr uns helfen? »Natürlich«, antwortete Sirri. »Was können wir tun?«
Huan selbst hat vorgeschlagen, dass wir sie in ihrem eigenen Land angreifen. Schnelligkeit und das Moment der Überraschung werden von größter Bedeutung sein, daher sind uns sofort eure Krieger in den Sinn gekommen. Und damit war das Ziel eines möglichen Angriffs offenkundig: die Zucht der schwarzen Vögel.
Sirris Augen weiteten sich. »Das wäre ein riskanter und … verwegener Angriff. Ich gehe davon aus, dass du weißt, wo sich diese Zucht befindet?«
In einer abgelegenen Stadt, weit entfernt von den größeren pentadrianischen Städten. Wir werden dir Karten und Informationen über die Stadt, den Tagesablauf der Züchter und ihre Vögel schicken - alles, was eure Krieger benötigen werden.
Auraya spürte, dass ihr Herz wild hämmerte. Juran bat die Siyee, ein großes Risiko einzugehen. Sie würden in feindliches Land eindringen. Wenn sie scheiterten, konnte ihnen niemand helfen.
»Ich werde mit ihnen gehen«, sagte sie.
Sirri runzelte die Stirn. »Juran wird … oh! Natürlich. Du hast für dich selbst gesprochen, Auraya. Danke.«
Du kannst sie begleiten, wenn du es wünschst, sagte Juran. Aber die Götter verbieten dir, deine Gaben zu benutzen, um den Siyee zu helfen oder den Feind zu behindern. Dies muss ein Schlag sein, den die Siyee führen. Es darf keine Weiße daran beteiligt sein, nicht einmal eine ehemalige Weiße.
Auraya sog ungläubig die Luft ein.
Erwartest du wirklich von mir, dass ich sie sterben lasse, wenn sie angegriffen werden?, fragte sie im Stillen.
Die Götter erwarten es, antwortete Juran. Dieser Angriff ist nicht nur ein Versuch, dem Feind Schaden zuzufügen, sondern auch ein symbolischer Akt. Wenn du den Göttern in diesem Punkt nicht gehorchen kannst, solltest du die Siyee nicht begleiten.
Darf ich sie heilen, wenn sie verletzt sind?
Juran zögerte kurz.
Ich nehme an, das würde den symbolischen Wert des Angriffs nicht mindern.
Auraya runzelte die Stirn.
Ich nehme an, es würde den symbolischen Wert noch steigern, wenn sämtliche Siyee bei dem Angriff ums Leben kämen? Ein nobles Opfer und so weiter?
Natürlich wäre es nicht besser. Es wäre ein viel stärkerer Beweis unserer Fähigkeit zurückzuschlagen, wenn sie angreifen und entkommen würden.
»Nun?«, fragte Sirri.
Auraya wurde bewusst, dass sie Jurans Worte nicht mehr weitergegeben hatte, seit er ihr offenbart hatte, dass sie ihre Gaben nicht benutzen durfte, und sie sah Sirri entschuldigend an. »Tut mir leid. Die Götter haben beschlossen, dass ich die Siyee heilen darf, aber davon abgesehen werden mir die Hände gebunden sein. Ich darf nicht gegen die Pentadrianer kämpfen.«
»Nun«, sagte Sirri grimmig, »das ist besser als gar nichts.«
Werden die Siyee gehen?, fragte Juran.
»Wie immer muss ich mich auch in diesem Fall mit den Sprechern der Stämme beraten«, erwiderte Sirri. »Obwohl ich bezweifle, dass sie etwas ablehnen würden, das wir in unserem Bündnisvertrag vereinbart haben. Wann wird dieser Angriff stattfinden?«
Erst in einigen Monaten. Wir müssen vorher die Landkarten und genaue Anweisungen nach Si schaffen.
»Ich werde es euch wissen lassen, sobald eine Entscheidung getroffen wurde«, versprach Sirri.
Danke. Auf Wiedersehen, Sprecherin Sirri, Auraya.
Als sein Geist verblasste, stieg brodelnder Zorn in Auraya auf. Die Götter wollten offensichtlich, dass sie in Si zurückblieb. Dann spürte sie eine leichte Berührung und blickte hinab. Sirris kleine Hand lag auf ihrer.
»Du wirst sicher eine Möglichkeit finden, ihre Einschränkungen zu umgehen«, sagte die Sprecherin.
Auraya sah Sirri in die Augen und nickte, obwohl sie die Fragen in den Gedanken der Frau sehen konnte und sich wünschte, sie hätte sie beantworten können.
Warum stellen die Götter sie auf solche Weise auf die Probe?, ging es Sirri durch den Kopf.
Weil einige von ihnen mich hassen, antwortete Auraya im Stillen, obwohl sie wusste, dass die Frau sie nicht hören konnte. Dann unterdrückte sie einen Fluch. Als Chaia sagte, Huan würde vielleicht versuchen, zum Schlag gegen jene auszuholen, die ich liebe, habe ich keinen Moment lang an die Siyee gedacht.