»Und was haben wir davon?«, wollte Badaya wissen. »Wir kommen nicht nahe genug an ein Syndik-Portal heran, um sie rechtzeitig zu stoppen, und unsere eigenen Portale wollen wir ganz sicher nicht zerstören.«
»Aber wenn die Syndiks versuchen sollten, unsere Portale zusammenbrechen zu lassen«, hielt sie dagegen, »und wenn wir Selbstzerstörungsmechanismen an allen Portaltrossen montieren, die an ein vollautomatisches Programm angeschlossen sind, das gestartet wird, sobald ein Portal ein gewisses Maß an Schäden erlitten hat…«
Die Erleichterung, die die Runde machte, ließ sich nahezu mit den Fingern greifen. »Dann könnten wir sicherstellen, dass keines unserer Portale ein ganzes System auslöschen kann!«
»Möglicherweise«, sagte Geary zurückhaltend. »Wir wissen nicht, wie zuverlässig der Algorithmus ist. Schließlich stammen die Daten von nur zwei Zusammenbrüchen. Wenn er nicht so zuverlässig ist, wie wir glauben, dann würde das keiner von uns am eigenen Leib herausfinden wollen. Außerdem braucht es seine Zeit, bis diese Technik ausgearbeitet und genehmigt worden ist, ganz abgesehen davon, dass dann erst noch jedes Portal in Reichweite der Syndiks damit ausgerüstet werden muss.«
Captain Cresida verzog missmutig das Gesicht. »Da haben Sie allerdings recht, Sir.«
»Aber es ist schon mal besser als gar nichts«, meinte Tulev.
»Viel besser«, stimmte Geary zu. »Captain Cresida, arbeiten Sie dieses Konzept bitte weiter aus. Wenn wir es vorlegen können, sobald wir zurück in der Allianz sind, wird es unsere Welten vor dem beschützen, was sich hier abgespielt hat.« Er sah wieder zum Sternendisplay, während ihm bewusst wurde, wie weit der Weg nach Hause noch war. Eine Flotte, die immer noch nicht ihre Vorräte hatte richtig aufstocken können, die nach wie vor von Syndik-Streitkräften verfolgt wurde, die in der Lage waren, sie zu vernichten, wenn sie sie nur am falschen Ort erwischten.
Niemand sonst schien sich darüber Gedanken zu machen, und niemand ersetzte sein »sobald« durch ein »falls«. Es beunruhigte ihn, dass diese Flotte — oder zumindest der größte Teil davon — alles tun würde, was er befahl, weil sie alle davon überzeugt waren, dass alles gelänge, was er befahl. Es wäre großartig gewesen, wenn es sich bei seiner Person um ein Genie gehandelt hätte, doch ihm waren schon genug Fehler unterlaufen. Vorfahren, ich will das Vertrauen dieser Leute, aber nicht deren bedingungslosen Glauben. Dummerweise schien es so, als ob er nur beides zusammen bekommen konnte, ob es ihm gefiel oder nicht — und das, nachdem er sich so sehr damit gequält hatte, den Hinrichtungsbefehl für Casia zu erteilen.
»Vielen Dank«, sagte er schließlich. »Ich danke Ihnen und Ihren Besatzungen, dass wir einen Sieg erringen konnten, an den man so lange zurückdenken wird, wie die Allianz existiert.« Er bemerkte die Blicke von Duellos und Badaya, die beide erkennen ließen, dass sie nach dem Ende der Konferenz noch bleiben wollten. Im Moment konnte er sich das aber nicht aufbürden, also schüttelte er fast unmerklich den Kopf, um ihnen zu verstehen zu geben, dass er später mit ihnen reden würde. »Wir sehen unsdann im Branwyn-System wieder.«
Die Bilder der Offiziere verschwanden, gleichzeitig schien der Raum unglaublich schnell zu schrumpfen. Geary ließ sich in seinen Sessel sinken, nachdem das letzte Hologramm sich aufgelöst hatte. Er betrachtete das Sternendisplay und fragte sich, wie lange es ihm wohl noch gelingen würde, keinen für die gesamte Flotte fatalen Fehler zu begehen. Und er fragte sich, ob er tatsächlich dabei würde mithelfen können, die Bomben in Form der Hypernet-Portale zu entschärfen, die die Aliens den Menschen auf beiden Seiten untergeschoben hatten.
»Wir werden das schon schaffen.«
Geary hatte vergessen, dass Desjani körperlich anwesend war, und ihm war auch nicht aufgefallen, dass sie noch immer am Tisch saß und ihn nun beobachtete.
»Ich weiß, es ist schwierig, Sir, aber bis hierhin haben Sie uns schon mal gebracht.« Sie zeigte auf das Display.
»Ich kann keine Wunder wirken«, erwiderte er tonlos.
»Wenn Sie uns richtig führen, dann wird die Flotte das mit den Wundern für Sie erledigen. Das haben Sie hier bei Lakota gesehen.«
Er lachte kurz auf. »Ich wünschte, ich könnte das glauben. Aber die Flotte hat tatsächlich Erstaunliches geleistet.
Da werde ich Ihnen nicht widersprechen.« Sein Lachen verstummte, und er deutete mit einem Nicken auf die Sterne.
»Beim ersten Mal hier in Lakota wären mir fast ein paar tödliche Fehler unterlaufen. Mehr von der Sorte kann ich mir nicht leisten, und genau das macht mir Angst, Tanya.«
»Sie müssen nicht vollkommen sein, Sir.«
»Ist es aber nicht genau das, was die lebenden Sterne von mir erwarten?«, fragte er und merkte, wie seine Stimme angespannter wurde.
Sie stutzte. »Ich bin nicht weise genug, um zu wissen, was sie wollen, aber ich bin klug genug, um zu erkennen, dass sie uns keinen Menschen geschickt hätten, wenn es ihnen auf Voll-kommenheit angekommen wäre. Sir, zu siegen bedeutet für gewöhnlich, einen Fehler weniger zu machen als der Gegner oder einmal mehr aufzustehen als er, wenn man von ihm zu Boden geschickt worden ist. Sie machen beides gleichzeitig.«
Er sah sie eindringlich an. »Danke. Mir ist klar, Sie haben mir schon mehr als einmal gesagt, Sie wüssten, dass ich auch nur ein Mensch bin. Aber manchmal denke ich dennoch, dass Sie von mir erwarten, ein vollkommenes, gottgleiches Wesen zu sein.«
Desjani legte die Stirn in noch tiefere Falten. »Das wäre Blasphemie, Sir. Und Ihnen gegenüber wäre es ungerecht.«
»Aber Sie glauben trotzdem, ich kann es schaffen?« Es war eine Sache, wenn Desjani sagte, dass sie ihn für vollkommen hielt, aber wenn sie wusste, er war es nicht, und sie dennoch an ihn glaubte, dann bedeutete das weitaus mehr.
»Ja, Sir.« Einen Moment lang senkte sie den Blick. »Meine Vorfahren sagen mir, ich soll Ihnen vertrauen. Sie sagen mir, dass es unsere Bestimmung ist… gemeinsam zu dienen.«
Er ließ sich ein paar Sekunden Zeit mit seiner Antwort, weil er aufpassen musste, dass er nicht etwas Falsches von sich gab.
»Ich bin froh, dass wir gemeinsam dienen. Sie sind für mich von unschätzbarem Wert.«
»Vielen Dank, Sir.«
Warum er es tat, wusste er selbst nicht, dennoch verspürte er den dringenden Wunsch, noch etwas anzufügen. »Die Vambrace wurde in der Schlacht vernichtet. Ich sah, dass Lieutenant Riva noch entkommen konnte. Er ist jetzt auf der Inspire.«
»Da ist er bestimmt glücklich«, gab Desjani mit deutlich kühlerem Unterton zurück. »Auf der Inspire gibt es unter den Offizieren viele attraktive Frauen, es sei denn, er interessiert sich diesmal für eine attraktive Unteroffizierin.« Sie bemerkte seine Reaktion und zuckte desinteressiert mit den Schultern.
»Lieutenant Riva hat sich vor einem Jahrzehnt von mir getrennt, Sir, auch wenn mir das erst vor Kurzem bewusst geworden ist. Ich bedauere den Verlust eines jeden Angehörigen dieser Flotte, aber persönlich ist es mir völlig egal, ob ich seinen Namen je wieder zu hören bekomme.«
»Tut mir leid«, sagte Geary und schob sofort nach: »Ich meine, es tut mir leid, dass ich das Thema überhaupt ange-schnitten habe.«
»Ist schon okay. Seit ich mit ihm zusammen war, habe ich viel über Männer gelernt. Auch darüber, wie ein Mann sein sollte.« Sie sah nach unten und biss sich auf die Lippe. »Aber wir sprachen über unsere Rückkehr nach Hause. Und da-rüber, dass Sie das schaffen werden.«