Werden Sie auf der Implacable gut versorgt?«
Savos nahm vorsichtig Platz und setzte sich steif hin, dann nickte er: »Ja, Sir. Auf der Implacable kümmert man sich ganz hervorragend um uns, Sir. Exzellente Behandlung, auch wenn das Essen zu wünschen übrig lässt, das wir den Syndiks abgenommen haben.«
»Das müssen Sie mir nicht sagen. Ich sehne mich inzwischen bereits nach einem Danaka Yoruk-Riegel, was ich niemals für möglich gehalten hätte.« Geary hielt kurz inne. »Wie geht es Ihnen?«
»Ich fühle mich glücklicher, als ich es vor ein paar Tagen noch für möglich gehalten hätte, Sir«, erwiderte er grinsend, wurde aber gleich wieder ernst. »Die Syndiks haben uns hun-gern lassen und sind ziemlich grob mit uns umgesprungen.
Aber jetzt geht es uns ja wieder gut.«
»Sie sind der ranghöchste Offizier, den wir befreit haben.«
»Von den Gefangenen auf der Audacious, ja, Sir«, bestätigte Savos. »Nach allem was ich gehört habe, könnte auch der eine oder andere Captain in Gefangenschaft geraten sein, aber der wird dann auf eines der Syndik-Kriegsschiffe gebracht worden sein, um ihn zu verhören.« Der Commander machte eine Pause und sah besorgt drein. Geary wusste, was mit dem Mann los war. Er wurde ebenso von dem Gedanken daran geplagt, dass sich an Bord von einigen der Syndik-Kriegsschiffe, die im Verlauf der Schlacht zerstört worden waren, weitere Gefangene befunden haben mussten. Es war jedoch unmöglich, das mit Gewissheit zu sagen, und noch unmöglicher wäre es gewesen, auch nur einen von ihnen zu retten. Dennoch musste Geary immer wieder daran denken.
»Nachdem ich den Befehl gegeben hatte, die Spur zu verlassen«, redete Savos weiter, »war ich eine Weile nicht bei Bewusstsein, weil das Schiff durch einige Treffer heftig durchgeschüttelt worden war. Meine Crew brachte mich zu einer Rettungskapsel, aber es dauerte einige Tage, ehe ich wieder klar denken konnte. Vielleicht ließ man mich deswegen auf der Audacious, ansonsten hätten sie mich wohl auch zum Verhör mitgenommen.«
»Was sagen unsere Ärzte zu Ihrer Kopfverletzung?«
»Nichts, was sie nicht wiederherstellen könnten, Sir.« Savos lächelte schief und legte eine Hand an den Kopfverband.
»Wäre das nicht behandelt worden, hätte ich irgendwann später große Probleme bekommen. Aber so ist jetzt alles auf dem Weg der Besserung.«
»Gut. Das mit der Spur tut mir leid.«
Savos schaute betrübt drein, dann antwortete er: »Sie war nicht das einzige Schiff, das wir verloren haben, Sir.«
»Das stimmt. Aber sie hat den Feind nicht ungeschoren davonkommen lassen. Ihr Schiff hat gut gekämpft.« Er wusste, dass jedem befehlshabenden Offizier ein solcher Zuspruch gut tat. »Das Gefecht mit den Syndiks hat dafür gesorgt, dass die befreiten Gefangenen mit den Besatzungsmitgliedern anderer Schiffe zusammengepfercht wurden, die dem Feind zum Opfer gefallen waren. Wir sortieren momentan die Gefangenen aus, und sobald wir eine Liste der Spur vorliegen haben, bekommen Sie eine Kopie.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Wir werden die Leute vermutlich auf die Schiffe umver-teilen, die Personal verloren haben«, ließ Geary ihn wissen.
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn es jemanden gibt, mit dem Sie zusammen auf dem gleichen Schiff sein möchten.«
Commander Savos nickte. »Danke, Sir.«
Geary betrachtete den Offizier einen Moment lang. Savos hatte einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen, und er be-nötigte einen neuen Befehlshaber für die Orion. Würde Savos damit zurechtkommen? Von einem Leichten Kreuzer auf ein Schlachtschiff zu wechseln, war womöglich ein zu großer Schritt, zumal Savos noch mit den Folgen seiner Kriegsverlet-zung zu kämpfen hatte. Es war wohl besser, ihn nicht zu über-fordern. Wenn die Flotte Branwyn erreicht hatte, würde er sich Savos abermals ansehen, und dann konnte er immer noch entscheiden, ob er ihm das Kommando übertrug. »Ich weiß, der Geheimdienst befragt nach und nach alle befreiten Gefangenen, trotzdem möchte ich Sie fragen, ob Ihnen irgendetwas einfällt, was ich jetzt schon wissen sollte.«
Savos dachte darüber nach. »Wir haben wenig mitbekommen. Sie haben uns in kleinen Gruppen rausgeholt und uns arbeiten lassen, ansonsten waren wir die ganze Zeit in unseren Abteilen untergebracht. Aber eine Sache dürfte Sie interessieren.«
»Und zwar?«
»Wir wussten gestern nicht, was los war, aber den Syndiks war bekannt, dass ich ein höherrangiger Offizier bin. Ein paar Leute von ihrer Mobilen Eingreiftruppe zerrten mich nach draußen, hielten mir ihre Waffen unter die Nase und fragten mich, ob Sie tatsächlich das Kommando über die Flotte haben und ob es stimmt, dass Sie verboten haben, gefangene Syndiks zu töten.« Savos zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, warum sie mich das gefragt haben, aber ich habe wahrheitsge-mäß beides bejaht. Ich habe ihnen erklärt, dass Sie darauf bestehen, die alten Regeln der Kriegführung zu befolgen, und dass wir uns alle daran halten. Dann sagte einer von ihnen etwas in der Art von ›Zum Teufel mit unseren Befehlen«, und ich wurde wieder eingesperrt. Danach passierte eine Weile nichts mehr, bis auf einmal unsere Marines die Luke öffneten. Die Syndik-Wachposten müssen zu ihren Rettungskapseln gelaufen sein, gleich nachdem ich befragt worden war.«
Geary überlegte, von welchen »Befehlen« da wohl die Rede gewesen war. Hatten sie die Lebenserhaltungssysteme an Bord abschalten oder den Antrieb zur Überhitzung bringen sollen?
Offenbar hatte seine Drohung in Verbindung mit vorange-gangenen Beobachtungen Wirkung gezeigt. »Danke, Commander. Jetzt ruhen Sie sich erst mal aus, das haben Sie sich mehr als verdient. Wir sprechen uns bei Branwyn wieder.«
»Jawohl, Sir.« Savos machte eine Geste hin zu den Kontrollen an seinem Standort, dann hielt er inne. »Die haben Angst, Sir. Die haben Angst vor dieser Flotte und vor Ihnen.
Das konnte ich ihnen anmerken.«
»Hm.« Wie sollte er darauf reagieren? Er hatte noch nie seine Leute geführt, indem er sie in Angst und Schrecken versetzte. Allerdings war es auch ein Unterschied, ob die eigenen Untergebenen einen fürchteten oder ob der Feind Angst hatte. Trotzdem sah er sich nicht in einer solchen Rolle. »Tja, dann sollten sie sich vor jedem Einzelnen in dieser Flotte fürchten, denn ohne die Männer und Frauen auf jedem dieser Schiffe hätte ich überhaupt nichts erreicht.« Savos machte einen dankbaren Eindruck, als hätte er diese Antwort nicht erwartet. Dann verschwand sein Bild und Geary war wieder einmal allein.
»Das Shuttle mit Captain Casia und Commander Yin ist auf dem Weg zur Illustrious«, meldete Desjani so beiläufig, als sei es ganz normal, dass ein Senioroffizier auf dem Weg zu seiner Hinrichtung und ein zweiter auf dem Weg in die Arrestzelle war.
»Sie sind zusammen in dem Shuttle unterwegs?«
Desjanis Bild auf dem Display in seinem Quartier zeigte, wir sie bestätigend nickte. »Die Conqueror und die Orion liegen dicht beieinander, da wäre es unsinnig, die Brennstoffzellen von gleich zwei Shuttles zu verbrauchen. Der Vogel sollte die Illustrious in fünfundzwanzig Minuten erreichen.«
Damit blieben immer noch gut viereinhalb Tage, ehe die Flotte den Sprungpunkt nach Branwyn erreichte. Also noch genügend Zeit für das Erschießungskommando, seine Arbeit zu erledigen, solange sie sich im Lakota-System befänden, was Geary Casia versprochen hatte. Dennoch kam ihm die verbleibende Zeit viel zu kurz vor.
Es kam ihm verkehrt vor, in seinem Quartier zu sitzen, während das Shuttle mit den Gefangenen und ihren Bewachern die Illustrious ansteuerte. Also begab Geary sich auf die Brücke und nahm neben Desjani Platz. Unwillkürlich fragte er sich, ob Colonel Carabali wohl genügend Freiwillige hatte finden können, um ein Erschießungskommando zusammenzustellen. Aber er wollte sie jetzt nicht danach fragen. Dazu fühlte er sich noch nicht bereit. Er wollte über diese ganze Angelegenheit nicht nachdenken, und doch war sie das Einzige, was ihm durch den Kopf ging.