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»Black Jack lebt nach seinen eigenen Regeln. Ich finde, Black Jack sollte auf der Stelle befehlen, dass Numos verhört wird.«

»Ja, das hast du mir schon gesagt.« Er setzte sich hin und rieb sich die Stirn. »Ich habe auch mit anderen Offizieren gesprochen, und alle sind sie der Meinung, dass ich damit auch durchkommen würde. Aber damit würde ich die erschrecken, die fürchten, ich könnte mich zum Diktator aufschwingen, und es würde die ermutigen, die mich zum Diktator machen wollen. Beides könnte Entwicklungen auslösen, die ich nicht haben möchte. Ich brauche eine klarere Rechtfertigung.«

»Eine solche klarere Rechtfertigung könnte bedeuten, dass wieder Menschen sterben müssen«, betonte Rione.

»Das weiß ich auch. Aber wenn ich vorschnell handele, könnte das noch mehr Leben kosten. Ich nehme an, deine Spione haben nichts Neues zu berichten?«

»Nein.« Sie machte eine ernste Miene. »In der Flotte disku-tiert man über den Shuttle-Unfall, aber alle scheinen überrascht zu sein und zu grübeln, wie es zu einem Versagen der Brennstoffzelle kommen konnte. Niemand hat bislang eine Vermutung in der Richtung geäußert, du könntest damit etwas zu tun haben. Allerdings ist auch jeder andere Flottenangehörige intelligenter als Numos und weiß, dass du kein Shuttle hochgehen lassen musstest, um Casia und Yin aus dem Weg zu räumen. Was mich stört, ist die Tatsache, dass von deinen Widersachern kein Ton zu hören ist. Ich wünschte, ich wüsste, was das zu bedeuten hat.«

Fast eine Minute lang musterte er sie schweigend, bevor er eine Sache ansprach, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass ein Teil des Widerstands in dieser Flotte damit zu tun hat, dass die Leute glauben, ich könnte mich zum Diktator aufschwingen?«

Sie reagierte mit einer wegwerfenden Geste. »Weil die Motive für den Widerstand ohne praktische Bedeutung sind.«

»Du hast selbst gesagt, du würdest mich eher umbringen, anstatt zuzulassen, dass ich zum Diktator aufsteige.« Rione sagte nichts, und er verspürte die Notwendigkeit, Klarheit zu schaffen. »Ich nehme an, zu der Maßnahme wirst du immer noch greifen, wenn du es für notwendig hältst. Aber ich halte die Motive für wichtig, wenn diese Leute genauso denken wie du. Warum haben sie nicht mit dir Kontakt aufgenommen, wenn doch jeder weiß, wie loyal du zur Allianz stehst? Oder haben sie dich angesprochen?«

Sie begann zu lachen. »Wirst du jetzt paranoid? Aus dir werde ich wohl noch einen richtigen Politiker machen. Nein, John Geary, sie haben mich nicht angesprochen. Ich bin auch davon überzeugt, dass sich unsere Interessen nur in einem Punkt überschneiden. Keiner von uns will dich als Diktator haben. Aber ich will, dass die gewählte Regierung der Allianz an der Macht bleibt, während ich vermute, dass die Freunde von Casia und Yin die Notwendigkeit für eine Militärdiktatur sehen. Sie wollen bloß nicht, dass du dabei an der Spitze stehst.«

Das klang überzeugend. »Sie wünschen sich jemanden wie Falco«, überlegte Geary laut, »einen anderen Senioroffizier, der ebenfalls der Ansicht ist, die Allianz sei nur noch zu retten, wenn die Regierung gestürzt wird.« Rione nickte. »Allerdings fällt es mir immer schwerer zu glauben, dass diese Leute hinter Numos stehen. Das Gespräch mit ihm hat bestätigt, dass er viel zu arrogant ist, um sich zur Marionette machen zu lassen, dass er aber auch zu dumm ist, um das allein in die Hand zu nehmen. Aber er ist jemand, der mir Knüppel zwischen die Beine wirft, und damit ist er für die anderen vermutlich von Nutzen.«

»Das könnte sein«, sagte sie. »Ich halte deine Einschätzung für richtig, dass die Verschwörer Numos' Feindseligkeit dir gegenüber zu ihrem Vorteil nutzen, dass er sich aber nicht vor ihren Karren spannen lässt. So gesehen ist es wohl nicht so sinnvoll, ihn zu verhören.«

»Genau. Ich möchte wetten, dass er nichts weiß, was uns wei-terhilft.« Geary starrte auf das Sternendisplay. Schließlich schnitt er ein anderes Thema an, das er für wichtig hielt. »Wie viele Offiziere in dieser Flotte sind eigentlich bereit, eine Diktatur zu unterstützen? Ich habe davon gehört, dass es sich um eine große Mehrheit handeln soll, darum sollte ich vielleicht besser fragen, wie viele von ihnen dagegen sind, weil das dem-nach deutlich weniger sein müssten. Duellos gehört dazu, Tulev sicher auch, Cresida…«

»Sei dir bei Cresida nicht so sicher«, wandte Rione ein.

»Und was Tulev angeht, habe ich auch so meine Zweifel.

Lange bevor du von den Toten auferstanden bist, wuchs in der Zivilregierung die Sorge, das Offizierskorps könnte in seiner Loyalität nachlassen. Wir tragen die Schuld daran, und das wissen wir auch: Sie sind an der Front, sie müssen miterleben, wie ihre Freunde und Kameraden sterben, und wir können ihnen nicht berichten, dass uns das einem Sieg auch nur einen Schritt näher bringt. So geht das jetzt schon seit hundert Jahren. Ihre Großeltern und ihre Eltern sahen mit an, wie Kameraden fielen, oder sie fielen selbst in einer der zahllosen Schlachten. Manchmal wundere ich mich, dass unsere ge-wählte Regierung so lange durchgehalten hat.«

»Hat unsere Regierung so viele Fehler gemacht?«

Sie winkte wütend ab. »Sie hat genug Fehler gemacht. Doch das Militär ebenfalls. Aber darum geht es nicht, sondern um den Frust. Einhundert Jahre Krieg und kein Ende in Sicht. Die Leute wollen Resultate sehen, sie wollen sich an der Hoffnung festklammern, dass ein Ende in Sicht kommt.« Rione schüttelte den Kopf. »Und dann bist du aufgetaucht. Der Held, von dem die Legende sagt, dass er in der Stunde der größten Not zurückkehrt, um der Allianz zu helfen. Wundert es dich da, dass so viele zu dir aufblicken?«

»Dieser Held ist ein Mythos«, beharrte Geary.

»Nicht nur, und abgesehen davon, es kümmert sowieso niemanden, was du davon hältst. Es zählt nur, was die anderen denken. Du kannst die Allianz retten… oder sie zerstören. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu erkennen. Du verkör-perst die uralte Dualität: auf der einen Seite der Bewahrer, auf der anderen Seite der Zerstörer. Zuerst sah ich in dir nur den Zerstörer, dann nur den Bewahrer, und nun sehe ich beide Seiten.« Abermals schüttelte sie den Kopf. »Ich beneide dich nicht darum, diese beiden widersprüchlichen Rollen spielen zu müssen, aber das hat man davon, wenn man ein legendärer Held ist.«

»Ich habe nie gesagt, dass ich ein legendärer Held sein wollte!« Er stand auf und ging wütend hin und her. »Du hast mir das angetan, du und die Regierung. Während ich im künstlichen Schlaf durch das Grendel-System trieb, habt ihr jedem Schulkind eingetrichtert, dass ich ihr größter Held zu sein habe, damit ihr etwas habt, um die Leute zum Kämpfen zu inspirieren.«

»Die Allianz-Regierung hat einen Mythos geschaffen, John Geary. Du bist real, und du besitzt die reale Macht, um die Allianz zu retten oder zu zerstören. Wenn du diese Tatsache bislang noch nicht akzeptiert hast, dann tu es jetzt.«

Er blieb stehen und schaute sie mürrisch an. »Ich habe nie daran geglaubt, dass die lebenden Sterne mich geschickt haben, damit ich das Universum oder auch nur die Allianz rette.«

Rione zog eine Braue hoch. »Vielleicht ist das ja das Einzige, was dich davon abhält, die Allianz zu zerstören. Vielleicht wurdest du deshalb auserwählt.«

»Sag nicht, dass du jetzt auch noch anfängst, daran zu glauben !« Er machte ein frustriertes Gesicht. »Von der Art bekomme ich schon mehr als genug zu hören.«

»Ich dachte, es gefällt dir, wenn dein Captain dich so an-betungsvoll ansieht.«

»Nein, es gefällt mir nicht, und das macht sie auch gar nicht.

Und warum bitte reden wir jetzt plötzlich wieder über Captain Desjani?«

Anstatt zu antworten, stand Rione auf und erklärte: »Ich muss mich noch um einige andere Dinge kümmern. Du wirst weiter wie geplant mit der Flotte nach Branwyn springen?«

»Ja«, herrschte er sie an, da er immer noch wütend auf sie war. »In vier Tagen werden wir den Sprungpunkt erreicht haben, sofern es keine weiteren ›Unfälle‹ gibt.«