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Und damit hatte auch die Legende von Black Jack Geary begonnen. Ein heldenhaftes Vorbild, das für jeden anderen eine Inspiration sein sollte. Geary versuchte zu ignorieren, dass die anderen ihn ansahen.

Tulev zuckte mit den Schultern. »Es mag ein nützliches Argument für die Allianz gewesen sein, aber das heißt nicht, dass es nicht auch wahr sein könnte«, sagte er und sah dabei zu Desjani hinüber, die auf Riones Tonfall reagiert hatte, indem sie argwöhnisch die Augen zusammenkniff. »Welche anderen Erklärungen lassen sich noch finden?«

»Womöglich haben sie mit den Aliens irgendeine Absprache getroffen«, überlegte Rione. »Eine Absprache, auf die sie zurückkommen wollten, sobald sie mit uns fertig gewesen wären.«

»Was für eine Absprache könnte das gewesen sein?«, fragte Geary und dachte an die Zeit zurück, die für ihn die jüngere Vergangenheit darstellte, die für alle anderen Anwesenden dagegen ein Jahrhundert alt war. »Ein Nichtangriffspakt könnte ihre Grenze zu den Aliens vorübergehend sichern, aber die Syndiks hätten der Allianz niemals einen vernichtenden Schlag zufügen können. Sie verfügten nicht über eine ausreichend große Streitmacht, um das gesamte Allianz-Territorium zu besetzen, und ebenso wäre die Allianz nicht in der Lage gewesen, genug Streitkräfte aufzubieten, um die Syndikatwelten in ihrer ganzen Ausdehnung unter Kontrolle zu bringen. Wir wussten das so gut wie sie. Deshalb waren die Überraschungsangriffe, wie auch der auf Grendel, für uns ein solcher Schock.«

»Vielleicht ist das ja die Antwort«, rief Desjani dazwischen, der anzusehen war, dass sie auf eine Idee gekommen war. »All Ihre Überlegungen haben mich an etwas denken lassen.« Sie betätigte ein paar Tasten, dann wurde über dem Tisch ein Bereich des Alls projiziert, der Geary nur allzu vertraut war.

»Das Allianz-Gebiet entlang der Grenze zu den Syndikatwelten«, erklärte Desjani an Rione gewandt, als könne man bei ihr nicht annehmen, die Darstellung erkennen zu können.

Riones Miene verhärtete sich daraufhin ein wenig. »Ich habe mich in letzter Zeit etwas intensiver mit der Epoche beschäftigt, in der der Krieg ausbrach. Diese Darstellung zeigt die ersten Angriffe der Syndiks vor einhundert Jahren. Shukra, Tha-bas, Diomede, Baldur, Grendel. Warum wählten sie Diomede anstelle von Varandal? Warum Shukra anstelle von Ulani?«

Geary wurde stutzig. Diese Dinge hörte er jetzt zum ersten Mal. Er hatte davon nichts mitbekommen, weil er nach dem ersten Überraschungsangriff der Syndiks bei Grendel in künstlichen Tiefschlaf versetzt worden war. Und in den Monaten nach seiner Rettung und Wiederbelebung hatte er einen großen Bogen um das Thema der ersten Syndik-Angriffe gemacht, weil es ihn zu sehr schmerzte, dass seine komplette damalige Besatzung längst tot war, vielleicht in dieser oder einer der nachfolgenden Schlachten gefallen, oder mit viel Glück erst deutlich später an Altersschwäche gestorben, während Gearys Rettungskapsel inmitten der Überreste der Schlacht von Grendel trieb. »Gute Frage. Ich habe mich mit diesen Ereignissen nur oberflächlich befasst und bin davon uusgegangen, dass sie die Allianz-Basis bei Varandal angegriffen hatten.«

»Aber das haben sie nicht«, widersprach Duellos und betrachtete das Display. »War Varandal damals auch schon eine wichtige Basis?«

Desjani nickte. »Dort befand sich die zentrale Kommandostation der Allianz-Flotte für den gesamten Raumsektor mitsamt Andockplätzen für Reparaturen und einem großen Vor-ratslager.«

»Das sollte eigentlich ein viel wichtigeres Ziel gewesen sein als die meisten anderen, die sie angegriffen haben. Weiß jemand, warum Varandal verschont blieb?«

Abermals lieferte Desjani die Antwort. »Unsere Geschichts-aufzeichnungen besagen einstimmig, dass man davon ausging, Varandal, Ulani und andere hochwertige Sternensysteme hätten bei nachfolgenden Angriffswellen das Ziel dargestellt, zu denen es dann aber nicht kam, weil die Syndiks bei der ersten Welle zu schwere Verluste hinnehmen mussten. Wohlgemerkt ist das nur eine Annahme«, betonte Desjani. »Offensichtlich gelangte man zu dieser Annahme, weil man sich auf der Allianz-Seite einig war, dass die Syndiks nicht davon hatten ausgehen können, mit ihrer ersten Angriffswelle so schwere Schäden anzurichten, dass die Allianz sich mit Ausbruch des Kriegs sofort hätte geschlagen geben müssen. Wie Captain Geary schon sagte, hatten die Syndiks keine ausreichend große Streitmacht, um überall dort zuschlagen zu können, wo sie hätten zuschlagen müssen.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Rione.

Desjani warf ihr einen frostigen Blick zu, ließ ihren Tonfall jedoch unverändert. »Vielleicht haben die Syndiks damit gerechnet, mit einer größeren Streitmacht als von uns erwartet zuzuschlagen. Angenommen, die Syndiks hätten eine Abmachung getroffen und mit Unterstützung gerechnet. Angenommen, sie erwarteten einen Verbündeten, einen sehr mächtigen Verbündeten, der Varandal angreifen sollte, während sie Diomede unter Beschuss nahmen.«

Diesmal dauerte das allgemeine Schweigen länger als zuvor.

Riones Gesichtszüge verhärteten sich noch etwas mehr, doch diesmal galt ihre Wut nicht Desjani. »Die Aliens haben die Syndiks hinters Licht geführt.«

»Indem sie versprachen, beim Angriff auf die Allianz mit-zumachen.«

»Und dann sind sie nicht erschienen, und die Syndiks mussten ihren Kampf allein austragen. Sie haben die Syndik-Anführer reingelegt, die sich selbst für Großmeister der Raffi-nesse hielten, und ihnen einen Krieg gegen die Allianz auf-gezwungen, den die Syndiks gar nicht gewinnen konnten.

Aber die Syndik-Führer konnten nicht zugeben, dass ihnen ein Fehler von dieser Größenordnung unterlaufen war. Zudem hatten sie die Allianz gegen sich aufgebracht, und sie konnten sich nicht mehr aus dem Krieg davonstehlen, weil sie dann ihren kapitalen Fehler hätten zugeben müssen.«

Jetzt nickte Cresida. »Die Aliens wollen nicht, dass eine von beiden Seiten siegt. Darum haben sie bei Lakota eingegriffen.

Captain Geary leistete zu gute Arbeit, er fügte dem Gegner große Verluste zu, vielleicht sogar so große, die drohten, das Machtgleichgewicht aus dem Lot zu bringen, und er kam dem Allianz-Gebiet immer näher, wohin er den Hypernet-Schlüssel bringen sollte. Die Aliens wollen, dass die Menschheit sich weiterhin im Krieg mit sich selbst befindet, und sie wollen, dass wir um uns herum nichts anderes mehr wahrnehmen. Aber ist das ausschließlich defensiv gedacht? Oder warten sie ab, wie sehr wir uns noch gegenseitig schwächen, bevor sie selbst ein-greifen?«

»Wir glauben, dass sie uns mithilfe der Hypernet-Portale jederzeit auslöschen können«, merkte Geary an.

»Aber das haben sie noch nicht getan«, wandte Cresida ein.

»Wenn sie uns beobachten, was die Ereignisse hier bei Lakota zu belegen scheinen, dann müssen sie wissen, dass wir durch den Zusammenbruch des Hypernet-Portals bei Sancere auf das zerstörerische Potential der Tore aufmerksam geworden sind. Wenn sie uns mithilfe der Tore auslöschen wollen, warum haben sie sie nicht schon längst gezündet?«

»Federn oder Blei?«, warf Duellos ein, der interessiert seine Fingernägel betrachtete.

So frustrierend es auch war, musste Geary doch zugeben, dass Duellos recht hatte. »Wir können bis in alle Ewigkeit spekulieren, ohne zu einem Schluss zu kommen, weil wir keinerlei Ahnung haben, was es mit unserem Gegner auf sich hat.«

»Wir wissen, dass sie dahintergekommen sind, wie sie mit uns spielen können«, beharrte Desjani. »Sir, sehen Sie sich das Muster an. Sie greifen auf verborgene Weise ein, und sie wissen, wie sie uns dazu kriegen, etwas zu tun, mit dem wir uns selbst oder den Syndikatwelten schaden.«

»Gutes Argument«, räumte Duellos ein. »Was bedeuten dürfte, dass sie selbst zu ganz ähnlichen Taktiken greifen. Sie scheinen es zu bevorzugen, einen Gegner dazu zu bringen, Fehler zu machen, bei denen er sich ins eigene Fleisch schnei-det.«