Der Befehlshaber der Schiffe der Callas-Republik und der Rift-Föderation sahen entsetzt zu Rione, doch die kam ihnen weit genug entgegen, um mit einem beschwichtigenden Lächeln zu reagieren.
Lieutenant Iger meldete sich in dem Tonfall zu Wort, mit dem er Besprechungen führte: »Ich wurde auf nicht autorisierte Veränderungen in der Sicherheitssoftware an Bord der Dauntless aufmerksam gemacht, die Co-Präsidentin Rione be-lasteten.«
»Warum sitzt sie dann hier?«, ging Captain Armus von der Colossus dazwischen. »Sie sollte…«
»Lassen Sie Lieutenant Iger ausreden«, unterbrach Geary ihn in frostigem Tonfall.
Iger führ fort, als wäre er in seinen Ausführungen nie ge-stört worden. »Co-Präsidentin Rione erklärte sich freiwillig bereit, in einer Verhörzelle der Klasse sechs befragt zu werden. Ihr wurden mehrere Fragen gestellt, um herauszufinden, ob sie mit diesen oder anderen Softwareveränderungen etwas zu tun hat. Ihre Antworten, mit denen sie jegliches Wissen oder irgendeine Beteiligung verneinte, waren wahr-heitsgemäß.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, dann meldete sich der Commander der Warspite zu Wort. »Klasse sechs? Gibt es eine Möglichkeit, eine Klasse sechs zu täuschen oder in die Irre zu führen?«
»Spezielles Training kann einen in die Lage versetzen, aus-weichende Antworten zu geben, Sir, aber mein Personal und ich, wir sind alle darauf geschult, die Anwendung solcher Techniken zu erkennen«, gab Lieutenant Iger zurück. »Es mag uns vielleicht nicht gelingen, eine Person dazu zu bringen, das zu sagen, was wir hören wollen, aber wir erkennen es, wenn diese Person der eigentlichen Frage ausweicht, damit die Antwort nicht als Lüge registriert wird. Co-Präsidentin Rione hat auf keine derartigen Methoden zurückgegriffen.
Ihre Antworten waren direkt und eindeutig.«
»Und was bedeutet das? Dass jemand versucht hat, Senato-rin Rione etwas anzuhängen?«
»Diesen Schluss würde ich daraus ziehen. Ja, Sir.«
»Das ist ebenfalls Verrat.« Der Befehlshaber der Warspile lehnte sich kopfschüttelnd zurück.
Geary beugte sich ein Stück weit vor und redete lauter als ge-wöhnlich: »Ich weiß, dass einige Offiziere dieser Flotte schon vom ersten Tag an nicht damit einverstanden waren, dass ich das Kommando übernehme. Mir ist bekannt, dass man Ge-rüchte über mich ausgestreut und versucht hat, Widerstand gegen mich aufzubauen. Aber das hier hat nichts mehr mit unterschiedlichen Ansichten darüber zu tun, wer diese Flotte befehligen soll. Jemand hat versucht, drei große Kriegsschiffe zu zerstören. Schiffe, auf denen Ihre Freunde und Kameraden dienen. Schiffe, die an Ihrer Seite in die Schlacht gezogen sind.
Mich kümmert nicht, wie lautstark Sie sich in der Vergangenheit womöglich gegen mich ausgesprochen haben, und mir ist auch egal, was Sie in der Vergangenheit unternommen haben, um mich aus dem Weg zu räumen. Hier geht es nicht um mich.
Wer immer das getan hat, wollte auch die Flotte treffen, und auch Schiffe, auf denen ich mich nicht aufhalte. Wenn einer von Ihnen in jedweder Form diese Verschwörer aktiv oder passiv unterstützt hat, dann sollte er jetzt noch einmal gründlich darüber nachdenken, wem seine Loyalität gilt. Ich verspreche vor Ihnen allen, dass jeder, der sich mit Informationen über diese heimtückische Sabotage an mich wendet, keine dis-ziplinarischen Folgen zu erwarten hat, solange er nicht aktiv an der Entwicklung und Einschleusung dieser Würmer mitgear-beitet hat oder solange ihm nicht bekannt war, in welcher Weise sie zum Einsatz kommen sollten.«
Wieder folgte Schweigen, allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, dass irgendjemand aufspringen, anklagend den Finger erheben und rufen würde: »Captain X hat's getan!« Das wäre in einem Roman eine nette Wendung gewesen, doch in der Realität fand sich nicht immer so schnell eine Lösung.
Schließlich äußerte sich Captain Badaya. »Jemand ist so skrupellos, dass er kein Problem damit hat, Allianz-Personal zu töten und Allianz-Schiffe zu zerstören. Bevor wir Lakota verließen, wurde ein Shuttle bei einem angeblichen Unfall vernichtet.« Er sah sich am Tisch um. »Ein sehr außergewöhnlicher Unfall, der aber glaubwürdig war, da es keinen Hinweis auf irgendwelche Manipulationen gab. Captain Casia und Captain Yin kamen in diesem Shuttle ums Leben, und jetzt vermute ich, dass sie sterben mussten, weil jemand fürchtete, sie könnten die Namen derjenigen nennen, die gegen Captain Geary arbeiten. Jeder, der in diese Sache verstrickt ist, sollte sich vor Augen halten, dass die Hintermänner dieser Verschwörung bereit sind, jede Schwachstelle in ihren Reihen dauerhaft auszumerzen. Wer überführt wird, der wird damit rechnen müssen, dass der Flottenkommandant ihn hinrichten lässt. Wenn Sie schweigen, laufen Sie Gefahr, von Ihren Mitverschwörern aus dem Weg geräumt zu werden. Sie haben nur eine Chance: Geben Sie sich zu erkennen«, schloss Badaya und ließ seinen zornigen Blick über den Tisch schweifen.
»Warum würde jemand so etwas machen?«, fragte der befehlshabende Offizier der Intrepid. »Jeder weiß, ein paar Leute sind nicht glücklich darüber, dass Captain Geary das Kommando hat. Ich selbst hatte auch meine Zweifel, aber er hat bewiesen, wozu er fähig ist. Die meisten Zweifler sind so wie ich längst sehr zufrieden damit, dass er uns anführt.«
»Damit könnten Sie den Grund für diese Vorgehensweise genannt haben«, gab Captain Duellos zurück. »Die Verschwörer haben die Hoffnung aufgegeben, die Captains dieser Flotte noch davon überzeugen zu können, dass sie Captain Geary absetzen sollen. Ihre einzige Chance, ihr Ziel zu erreichen, besteht jetzt darin, Captain Geary zu eliminieren.«
»Aber jeder, der auch nur dem Verdacht unterliegt, ihn und die Besatzungen von drei Kriegsschiffen ermordet zu haben…«
»Überlegen Sie, was passiert wäre, hätte man diese Würmer nicht entdeckt. Die Dauntless, die Furious und die Illustrious wären in den Sprungraum gewechselt, als sei alles in bester Ordnung. Die übrigen Schiffe hätten festgestellt, dass die Würmer den Antrieb lahmgelegt haben, und sobald die Systeme wieder arbeiteten, wären sie ebenfalls gesprungen. Das hätte uns einige Stunden gekostet, und wir wären der Ansicht gewesen, dass die Würmer, die unsere Systeme befallen hatten, bei den drei Schiffen keine Wirkung gezeigt haben. Bei der Ankunft in Wendig hätten wir dann festgestellt, dass die drei Schiffe nicht wie erwartet bereits dort sind. Niemand hätte jemals eine Spur von ihnen gefunden, und damit hätte es keinen Beweis gegeben, dass ihre Sprungantriebe mit einem anderen Wurm infiziert worden waren.«
Commander Neeson nickte, seine Miene war wie versteinert. »Kein Hinweis auf eine vorsätzliche Zerstörung der drei Kriegsschiffe. Sehr raffiniert. Das Verschwinden von drei Schiffen, und mit ihnen Captain Geary, hätte bei uns allen Trauer ausgelöst, aber letztlich hätten wir einen neuen Flottenbefehlshaber bestimmt. Ich frage, wer das wohl geworden wäre.«
»Wie wäre es mit Captain Numos?«, warf Armus ein.
Geary schüttelte den Kopf. »In Anbetracht der Schwere dieser versuchten Sabotage habe ich bereits angeordnet, dass Captain Numos verhört wird, ob er uns etwas über die Hintermänner sagen kann. Ich vermute aber, dass er uns keine Hilfe sein wird.«
»Wieso nicht?«, fragte Badaya.
»Weil sich an Bord der Orion nicht der gleiche Wurm fand wie auf der Dauntless, der Furious und der Illustrious. Numos hätte nicht den Hauch einer Chance, als Flottenkommandant akzeptiert zu werden. Falls Numos aber etwas über die Draht-zieher wüsste, hätte ihn das in die Lage versetzt, diese Leute zu erpressen, und deshalb hätten sie versucht, ihn möglichst schnell aus dem Weg zu räumen.«