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Wie war es in seinen Kopf gelangt?

Vielleicht wurde er tatsächlich geführt. Er wusste, was sein Herz ihm sagte, und er wusste, was ihm alles sagte, was er je gelernt hatte. Dem gegenüber stand die grausame Realität des Krieges, verbunden mit den Notwendigkeiten, die mit dem Kommando einhergingen. Aber ihnen saß momentan keine Syndik-Flotte im Nacken, also gab es keine unmittelbare Bedrohung, die schwerer wog als die Rettung dieser unschuldigen Zivilisten.

Alle beobachteten ihn und warteten auf seine Entscheidung.

Nur er konnte die Entscheidung treffen. Diese Erkenntnis gab den Ausschlag, denn es lag in seiner Verantwortung, schwierige Entscheidungen zu fällen. Aber weiterzufliegen und die Kolo-nisten ihrem Schicksal zu überlassen, machte gar keine Entscheidung erforderlich, sondern bedeutete nur das Fehlen einer solchen, bis der Punkt erreicht war, an dem es zu spät war, die Rettungsaktion auszuführen. »Ich habe das Gefühl«, begann Geary, »dass es unsere Pflicht ist, diesen Leuten zu helfen. Dass dies eine Prüfung ist, die wir bestehen müssen, um zu beweisen, dass wir immer noch an die Dinge glauben, die die Allianz groß gemacht haben. Wir werden diesen Test bestehen.«

Es kam ihm vor, als hätten alle auf der Brücke der Dauntless gebannt den Atem angehalten, bis er diese Worte sprach. Geary sah zu Desjani und fürchtete, einem missbilligenden Blick zu begegnen. Er wusste, wie sie über die Syndiks dachte. Und jetzt wollte Geary ihr Schiff aufs Spiel setzen, um einige von diesen Syndiks zu retten.

Aber Desjani schien nicht wütend zu sein. Stattdessen musterte sie ihn auf eine Art, als versuche sie etwas zu sehen, das man mit dem bloßen Auge nicht erkennen konnte. »Ja, Sir«, sagte sie. »Wir werden den Test bestehen.«

Die Videoverbindung von Wendig I zur Flotte wurde von statischem Rauschen überlagert, das daran erinnerte, was sie in Lakota hinter sich gelassen hatten. »Ich kann das nicht auf Interferenzen zurückführen. Vermutlich liegt es daran, dass ihre Ausrüstung zusammengeschustert ist«, erklärte der Komm-Wachhabende.

Ein Mann sah sie verdutzt an. »Allianz-Schiff, wir haben Ihre Nachricht empfangen. Wir sind unendlich dankbar, dass Sie uns helfen wollen. Sagen Sie, ist der Krieg vorüber? Oder wie kann es sonst sein, dass Sie sich so tief im Territorium der Syndikatwelten befinden?«

Geary überprüfte die Distanz und stellte fest, dass die Flotte noch immer gut zwei Lichtstunden von Wendig I entfernt war.

Das waren nicht die besten Voraussetzungen für eine Unterhaltung. Genau genommen waren es sogar äußerst lästige Voraussetzungen, wenn seine Antwort zwei Stunden benötigte, ehe sie den Syndik erreichte, und abermals zwei Stunden ver-gehen mussten, bevor dessen Reaktion bei Geary eintraf. »Hier spricht der Befehlshaber der Allianz-Flotte. Wir beabsichtigen nicht, Ihnen etwas vorzumachen. Der Krieg ist nicht vorüber, und diese Flotte ist in einer Gefechtsmission unterwegs, um ins Gebiet der Allianz zurückzukehren. Aber wir greifen keine Zivilisten und keine Kinder an. Wir werden von unserem Kurs durch das System weit genug abweichen, um Shuttles zu Ihnen zu schicken und Ihre Siedlung zu evakuieren. Es darf dabei nicht zu irgendwelchen Verzögerungen kommen. Bei meinen Vorfahren gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, dass man Sie gut behandeln wird, solange Sie sich an Bord meiner Schiffe befinden, und dass wir Sie im nächsten bewohnten Sternensystem der Syndikatwelten absetzen werden. Teilen Sie uns bitte die präzise Personenzahl mit, aufgegliedert nach Familien, damit wir sicherstellen können, dass während des Transits die Familienangehörigen nicht voneinander getrennt werden. Wir haben den Landeplatz im Nordwesten Ihrer Stadt als die beste Stelle identifiziert, um unsere Shuttles landen zu lassen. Ein Teil des Platzes ist mit Sandverwehungen bedeckt, die Ihre Leute nach Möglichkeit wegschaffen sollten. Alle müssen sich am nächstgelegenen Zugang zum Landeplatz eingefunden haben, wenn unsere Shuttles eintreffen. Waffen dürfen nicht mitgebracht werden, auch nichts, was als Waffe benutzt werden könnte. Das persönliche Gepäck darf zehn Kilo pro Person nicht überschreiten. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«

Geary lehnte sich nach hinten und schloss die Augen. Falls es Fragen gab, würde er die erst in vier Stunden zu hören bekommen.

Nach weniger als zwei Stunden ging bei Captain Desjani eine Meldung ein, woraufhin sie ihren Platz verließ, zu Geary kam und das akustische Eindämmfeld aktivierte. »Mein Offizier von der Systemsicherheit meldet, dass das Subnetz, über das wir uns vor dem Sprung aus Branwyn unterhalten haben, erneut benutzt wurde, um einen Wurm einzuschleusen. Der konnte identifiziert und blockiert werden, aber alle Versuche, den Absender ausfindig zu machen, sind fehlgeschlagen.«

»Wieder ein Angriff auf den Sprungantrieb?«

»Nein, Sir.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das Sternendisplay. »Dieser Wurm hätte die Gefechtssysteme von zwei Kriegsschiffen infiltriert und den Abschuss kinetischer Munition ausgelöst, die die Syndik-Stadt zum Ziel haben sollte. Ein Alarm ist an alle Schiffe ausgegeben worden, damit sie ihre Gefechtssysteme auf Würmer untersuchen, die auf einem anderen Weg verteilt worden sein könnten.«

Geary stockte sekundenlang der Atem. »Dann wollen unsere Saboteure also nicht nur ihre ahnungslosen Kameraden ermorden, sondern jetzt auch noch wehrlose Syndik-Zivilisten. Um welche Schiffe geht es?«

»Die Munition wäre von der Courageous und der Furious abgefeuert worden, Sir.«

»Schiffe, deren Kommandanten zu meinen stärksten Befür-wortern in dieser Flotte gehören.« Er spürte, wie die Wut in ihm hochstieg. Weder die Flotte noch die Shuttles hätten die Uberlebenden rechtzeitig erreichen können, um sie vor der Munition in Sicherheit zu bringen. »Da hat jemand äußerst kranke Rachegelüste, und er ist offenbar zu allem bereit.«

Desjanis Miene ließ erkennen, dass sie seine Meinung teilte.

»In einer halben Stunde werden sie wissen, dass ihr Plan fehlgeschlagen ist. Dann sollten die Schiffe ihr Ziel erfassen und das Bombardement beginnen.«

»Vielen Dank, Captain. Es gibt da einige Leute, mit denen ich reden muss.« Mit diesen Worten verließ er die Brücke, und erst als er in seinem Quartier war und alle Sicherheitsmaßnahmen aktiviert waren, nahm er mit Rione Kontakt auf und brachte sie auf den neuesten Stand. »Ich weiß nicht, ob irgendjemand eine Reaktion erkennen lassen wird, wenn der Wurm nicht funktioniert, aber es wäre nicht schlecht, wenn Ihre Quellen die Augen offenhalten könnten.«

Rione, die kreidebleich geworden war, nickte zustimmend.

Dann informierte Geary Captain Duellos und wartete ab. Er überlegte, was er unternehmen sollte, wenn irgendein anderer Wurm nicht entdeckt und gestoppt worden war und einige seiner Schiffe dennoch damit begannen, die im Sterben liegende Syndik-Kolonie zu bombardieren. Aber nichts geschah, und niemand meldete sich bei ihm. Natürlich hatte er auch nicht erwartet, dass jemand einen Tobsuchtsanfall bekam, wenn die Zeit verstrich und der Angriff nicht stattfand, doch es hatte offenbar nicht mal unterschwellige Anzeichen von Verärgerung über diesen neuerlichen Fehlschlag gegeben.

Gewissheit gab es lediglich in dem Punkt, dass die Verschwörer spätestens jetzt wussten, dass der von ihnen gewählte Weg über das Subnetz entdeckt worden war.

Wer immer zuvor versucht haben mochte, die drei Allianz-Schiffe zu zerstören, war also auch dagegen, dass Geary diesen Syndiks half. Das war zumindest ein Zeichen dafür, dass er sich tatsächlich richtig entschieden hatte.

Dann endlich traf die Antwort von der Syndik-Kolonie ein.

Der gleiche Syndik wie zuvor war auf dem Display zu sehen und machte nun einen nervösen Eindruck. Unwillkürlich musste Geary daran denken, wie viel nervöser der Mann noch sein würde, wenn er wüsste, wie dicht seine Stadt davorgestan-den hatte, in einen großen Krater verwandelt zu werden. »Sir, meine Leute sind sehr besorgt. Verstehen Sie das bitte nicht falsch, aber viele von ihnen trauen der Allianz nicht. Wenn sich nichts Grundlegendes geändert hat, seit wir vor vielen Jahrzehnten das letzte Mal Kontakt mit der Außenwelt hatten, dann nimmt dieser Krieg kaum Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Ich versuche die Leute davon zu überzeugen, Ihnen zu vertrauen, weil ich keinen Grund wüsste, warum Sie sich die Mühe machen sollten, uns an Bord zu holen und uns dort zu töten, wenn Sie uns genauso gut hier unten sterben lassen könnten. Außer vielleicht… die Frauen… die Mädchen… all unsere Kinder. Es tut mir leid, aber Sie müssen verstehen, wovor wir Angst haben. Was kann ich meinen Leuten sagen, Sir?«