«Sie sind doch kräftig«, meinte er.
Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Es hätte überheblich geklungen, ihm zu sagen, daß ich mich nach sogenannten» persönlichen Auftritten «ausgehöhlt, ausgelaugt und aufgerieben fühlte und daß ich schmeichelhaften Grußreden nichts abgewinnen konnte. Das einzige Kompliment, daß ich wirklich gelten ließ, war das Geld, das die Leute an der Kinokasse zahlten.
«Wohin wollen Sie denn nächste Woche?«fragte er.
«Afrika ist groß«, sagte ich, und er lachte.
Wir schlenderten zurück, um uns den nächsten hoffnungsvollen Trupp im Führring anzusehen, und identifizierten die Nummer acht als Nerissas Stute Lebona.
«Sie sieht tadellos aus«, bemerkte van Horen.
«Sie wird auch tadellos ab kommen«, stimmte ich zu.»Und drei Viertel der Strecke wird sie gut laufen. Dann wird sie innerhalb von wenigen Schritten plötzlich ermüden und weg vom Fenster sein, und wenn sie zurückkommt, heben sich ihre Seiten, und sie sieht erschöpft aus.«
Er war verblüfft.»Das hört sich an, als wüßten Sie, was kommt.«
«Reine Vermutung. Ich habe Chink am Mittwoch in Newmarket so laufen sehen.«
«Aber glauben Sie denn, die laufen alle nach dem gleichen Muster?«
«Den Rennberichten nach sieht es so aus.«
«Was werden Sie Nerissa sagen?«
Ich zuckte die Achseln.»Ich weiß nicht… Wahrscheinlich, daß sie ihren Trainer wechseln soll.«
Zur gegebenen Zeit kehrten wir auf die Tribüne zurück und sahen Lebona wie erwartet laufen. Da van Horen offenbar nicht darauf brannte, mich zugunsten anregenderer Gesellschaft loszuwerden, und ich ihn ganz gern als Puffer um mich hatte, beschlossen wir, uns an einen der Tische unter den Sonnenschirmen der Cafeterrasse zu setzen und eine Erfrischung zu bestellen.
Zum erstenmal seit meiner Ankunft schien die Sonne richtig warm. Kein Luftzug bewegte die Fransen an den geblümten Schirmen, und rings umher legten die Damen ihre Mäntel ab.
Van Horen seufzte jedoch, als ich auf das schöne Wetter zu sprechen kam.
«Mir ist der Winter am liebsten«, sagte er.»Wenn es kalt, trocken und sonnig ist. Die Sommer sind naß und viel zu heiß, auch hier oben auf dem Highveld.«
«In Südafrika stellt man es sich immer heiß vor.«
«Das ist es natürlich auch. Kommt man erst runter auf Meereshöhe, kann es selbst um diese Jahreszeit schon sengend heiß sein.«
Der Schatten von zwei Männern fiel über den Tisch, und wir blickten auf.
Zwei Männer, die ich kannte. Conrad… und Evan Pentelow.
Ich übernahm die Vorstellung, und sie zogen Stühle heran und setzten sich zu uns: Conrad extravagant wie gewohnt, mit» lieber Junge «nur so um sich werfend, und Evan, die Haare widerspenstig wie gehabt, die Augen brennend wie eh und je.
Evan stürzte sich gleich ins Gefecht.»Jetzt weigern Sie sich ja wohl hoffentlich auch nicht, zu der Premiere von meinem Mann im Wagen zu erscheinen.«»Das klingt aber sehr nach Besitzerstolz«, sagte ich mild.»Es ist nicht ganz allein Ihr Werk.«
«Mein Name erscheint als erster im Vorspann«, entgeg-nete er aggressiv.
«Vor meinem?«
Die Plakate von Evans Filmen waren meist so gestaltet, daß oben groß»EVAN PENTELOW «stand, darunter der Titel des Films und darunter, eng zusammengedrängt im letzten Plakatdrittel, die Namen der Schauspieler. Piraterie war das, oder doch beinah.
Evan blickte böse, und ich nahm an, daß er meinen Vertrag für den Film eingesehen und dabei, wie ich selbst, festgestellt hatte, daß mein Agent in der Frage der Plazierung keine Mißverständnisse aufkommen ließ.
«Vor dem anderen Regisseur«, sagte er widerwillig.
Das mochte angehen. Er hatte zwar bei weniger als einem Viertel des Films Regie geführt, aber die Endfassung würde auf seiner Idee beruhen.
Van Horen verfolgte aufmerksam amüsiert unser Geplänkel.
«Wer an welcher Stelle genannt wird, ist also doch so wichtig wie man immer hört.«
«Es kommt darauf an«, - ich lächelte —»wer wem das Messer in den Rücken stößt.«
Evan hatte keinen Humor und war nicht belustigt. Statt dessen begann er von dem Film zu reden, den er als nächstes drehen wollte.
«Es ist eine Allegorie… Jeder Szene mit Menschen wird eine ähnliche gegenübergestellt, die unter Elefanten spielt. Sie sollten ursprünglich die Guten in der Handlung sein, aber inzwischen habe ich so einiges über Elefanten gelernt. Wußten Sie, daß die dem Menschen gefährlicher werden als jedes andere Tier in Afrika? Wußten Sie, daß die keinerlei Feinde haben außer den Elfenbeinjägern und daß infolge des Elfenbeinjagdverbots im Krüger-Park die Elefanten dort mitten in einer Bevölkerungsexplosion stehen? Sie vermehren sich pro Jahr um tausend, so daß in zehn Jahren für irgendwelche anderen Tiere kein Platz mehr sein wird und der Park wahrscheinlich auch keine Bäume mehr hat, da die Elefanten sie zu Hunderten ausreißen.«
Evan war wie immer, wenn ein Thema seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, dogmatisch und eindringlich.
«Und wußten Sie schon«, fuhr er fort,»daß Elefanten keine Volkswagen mögen? Diese kleinen, meine ich. Für gewöhnlich greifen Elefanten selten Autos an, aber auf Volkswagen scheinen sie geradewegs loszugehen.«
Van Horen lächelte ungläubig, was Evan naturgemäß zu noch größerem Eifer anspornte.»Es ist wahr! Ich nehme es vielleicht sogar mit in den Film rein.«
«Dürfte interessant sein«, meinte Conrad mit mehr als einem Hauch trockenen Humors.»Ein Auto, das als Köder rumsteht, ist doch mal etwas anderes als immer Ziegen und Tiger.«
Evan sah ihn scharf an, nickte aber.»Wir fahren am Mittwoch in den Park.«
Van Horen wandte sich mit bedauernder Miene zu mir.
«Schade, daß Sie nächste Woche da nicht auch hinfahren können, Link. Sie suchen ja etwas, und da hätte es Ihnen gefallen. Die Wildschutzgebiete sind so ungefähr das einzige, was noch vom alten, natürlichen Afrika geblieben ist, und der Krüger-Park ist groß und offen und noch immer ziemlich wild. Aber ich weiß, daß die Unterkünfte dort immer Monate im voraus ausgebucht sind.«
Ich hätte nie gedacht, daß Evan mich würde dabeihaben wollen, doch zu meiner Überraschung sagte er langsam:»Nun, zufälligerweise haben wir für Drix Goddart mitgebucht, aber der kommt erst in ein, zwei Wochen. Wir haben die Reservierung nicht rückgängig gemacht… Da wäre also ein Bett frei, wenn Sie mitkommen wollen.«
Ich blickte erstaunt zu Conrad, fand aber in seinen hochgezogenen Brauen und dem ironischen Mund keine Erklärung.
Wäre Evan nicht gewesen, hätte ich begeistert zugegriffen; aber selbst er war dem Programm von Clifford Wenkins wohl bei weitem vorzuziehen. Und wenn ich nicht zum Krüger-Park fuhr, der mich wirklich reizte, wohin dann?
«Würde ich gern«, sagte ich.»Schönen Dank auch.«
Kapitel 8
Danilo stieß, flankiert von seinen beiden van-Horen-Satelliten, wieder zu uns.
Sally wartete nicht, bis sie Conrad und Evan vorgestellt wurde. Sie paßte auf, daß sie niemanden mitten im Satz unterbrach, und sprach ihren Vater direkt an.
«Wir haben Danilo gesagt, daß du Link am Montag mit in die Goldmine nehmen willst, und er wüßte gern, ob er auch mitkommen kann.«
Danilo schien etwas verlegen darüber, daß seine Bitte so unverblümt vorgebracht wurde, doch nach nur einem winzigen Zögern sagte van Horen:»Aber natürlich, Danilo, wenn Sie möchten.«
«Klar möchte ich«, sagte er ernst.
«Goldmine?«sagte Evan gespannt, sich auf das Wort stürzend.
«Das Familienunternehmen«, erklärte van Horen und machte alle miteinander bekannt.
«Das könnte tolles Hintergrundmaterial geben. Eine Goldmine… ließe sich vielleicht eines Tages verwerten. «Er sah van Horen erwartungsvoll an, der unfairerweise damit vor die Wahl gestellt war, sich nötigen zu lassen oder stur zu sein. Ein Klacks für ihn.