«Tja, und woran erkennen Sie in dem noch nicht gesprengten Teil hier, wo das Reef ist?«
Für mich sah das alles gleich aus. Dunkelgrau von oben bis unten. Dunkelgraue unebene Decke, die sich über dunkelgrauen unebenen Wänden wölbte, die in dunkelgrauen Schotterboden übergingen.
«Ich hole Ihnen ein Stück«, sagte er entgegenkommend und kroch auf dem Bauch zu der Stelle hinüber, wo seine Kollegen arbeiteten. Es war kaum möglich, in der Strosse aufrecht zu sitzen. Man konnte gerade noch auf Händen und Knien kauern, wenn man den Kopf unten behielt. Ich stützte mich auf einen Ellenbogen auf und sah zu, wie er sich eine kleine Picke auslieh und einen Splitter aus der Wand brach.
Er kroch wieder zu mir her.
«Bitte sehr. Das ist ein Stück vom Reef.«
Wir richteten beide unsere Lampen darauf. Ein fünf Zentimeter langer, scharfkantiger grauer Stein mit schwach lichtreflektierenden Flecken und Streifen von dunklerem Grau auf der Oberfläche.
«Was sind denn das für dunkle Flecke?«sagte ich.
«Das ist das Erz«, antwortete er.»Die helleren Partien sind ganz gewöhnlicher Stein. Je mehr von diesen dunklen Stellen das Reef aufweist, desto größer der Goldertrag pro Tonne.«
«Das Dunkle ist also Gold?«fragte ich.
«Es enthält Gold«, sagte er nickend.»Effektiv setzt es sich aus vier Bestandteilen zusammen: Gold, Silber, Uran und Chrom. Das Erz wird gemahlen und seine Bestandteile auf chemischem Weg getrennt. Es enthält mehr Gold als Silber oder Uran.«
«Kann ich das Stück behalten?«fragte ich.
«Natürlich. «Er räusperte sich.»Entschuldigen Sie, aber die haben da drüben was für mich zu tun. Meinen Sie, Sie finden allein durch den Stollen zurück? Sie können sich nicht verlaufen.«
«In Ordnung«, sagte ich.»Gehen Sie nur. Ich möchte Sie nicht von Ihrer Arbeit abhalten.«
«Danke«, sagte er und kroch eilig davon, um es den Leuten recht zu machen, die wirklich für ihn zählten.
Ich blieb eine Weile, wo ich war, sah den Technikern zu und spähte in den endlosen, ansteigenden Hohlraum. Das Licht meiner Grubenlampe erreichte seine Grenzen nicht. Er erstreckte sich in undurchdringliche Schwärze.
Der Trupp unter mir zog langsam ab, hinaus in den Stollen, um den Rückweg zum Schacht anzutreten. Ich steckte das winzige Stück Reef in die Tasche, sah mich ein letztes Mal um und schob mich auf das Loch zu, durch das ich hereingekommen war. Ich drehte mich, um mit den Füßen voran in den Stollen zu kommen, doch während ich herumbalancierte, hörte ich jemand hinter mir in die Strosse klettern, und das Licht seiner Lampe fiel auf meinen Overall. Ich hielt an, um ihn vorbeizulassen. Er kam ein wenig näher heran, und ich blickte kurz über meine Schulter, um zu sehen, wer es war. Ich konnte nur den Schirm seines Helms sehen und darunter Schatten.
Dann flog mein Helm nach vorn, und ein dicker Brocken vom alten Afrika knallte mit Wucht auf meinen Hinterkopf.
Mir war, als spürte ich, wie das Bewußtsein mich langsam verließ; benommen stürzte ich durch endlose Bergwerksschächte, flimmernde Punkte vor meinen Augen.
Ich war längst bewußtlos, bevor ich unten ankam.
Kapitel 10
Schwärze.
Nichts.
Ich schlug die Augen auf. Konnte nichts sehen. Hob die Hand ans Gesicht, um zu fühlen, ob meine Lider geöffnet waren.
Sie waren es.
Mein Denken war völlig aus den Fugen. Ich wußte weder, wo ich war, noch warum ich da war, noch wieso ich nichts sehen konnte. Die Zeit schien aufgehoben. Ich wurde mir nicht klar darüber, ob ich schlief oder wach war, und eine Weile konnte ich mich nicht einmal entsinnen, wie ich hieß.
Driftete wieder weg. Kam zu mir. War mit einem Schlag dann bei Besinnung. Wußte, daß ich wach war. Wußte, daß ich ich war.
Konnte immer noch nichts sehen.
Ich bewegte mich; versuchte mich aufzusetzen. Stellte fest, daß ich auf der Seite lag. Als ich mich bewegte, hörte ich das knirschende Geräusch und spürte den Druck der scharfen Steinsplitter.
In der Strosse.
Vorsichtig hob ich die Hand. Die Gesteinsdecke war einen halben Meter über mir.
Kein Helm auf meinem Kopf. Eine empfindliche Beule hinten am Schädel und drinnen ein pochender Schmerz.
Verdammter Mist, dachte ich. Ich muß mir den Kopf gestoßen haben. Ich bin in der Strosse. Ich kann nichts sehen, weil nirgends Licht ist. Alle haben die Mine verlassen. Und jeden Augenblick werden die Sprengladungen hochgehen.
Eine Ewigkeit konnte ich an nichts anderes denken, als daß es mich in Stücke reißen würde, bevor ich die Situation noch ganz erfaßt hatte. Dann dachte ich, daß es vielleicht besser gewesen wäre, es hätte mich in Stücke gerissen, bevor ich zu mir gekommen war. Dann würde ich jetzt wenigstens nicht wach sein und mich quälen. Danach, und keinesfalls zu früh, sann ich auf Abhilfe.
Zuerst mal Licht.
Ich suchte tastend hinter mir, fand das Kabel und zog es sachte heran. Das andere Ende schrappte über den Schotter auf mich zu, doch als ich die Lampe aufhob, wußte ich, daß ich kein Licht bekommen würde. Das Deckglas und die Birne waren zerbrochen.
Die Lampe hatte sich aus der Fassung am Helm gelöst. Ich tastete mit ausgestreckter Hand um mich herum, konnte aber den Helm nicht finden.
Nur raus hier, dachte ich verzweifelt — und fragte mich in demselben Sekundenbruchteil, wo es hinausging.
Ich zwang mich, still zu liegen. Das letzte, woran ich mich erinnerte, war, daß ich Yates versichert hatte, ich fände allein zurück. Ich mußte vergessen haben, den Kopf einzuziehen. Mußte buchstäblich die Decke eingerannt haben. Erinnern konnte ich mich daran nicht. Klar zu sein schien nur, daß ich im Fallen meine Grubenlampe zerschlagen hatte und daß mich im Dunkeln da niemand hatte liegen sehen.
Dummkopf, beschimpfte ich mich. Ungeschickter Trottel, dich so in die Klemme zu bringen.
Vorsichtig, den einen Arm ausgestreckt, schob ich mich ein Stück vor. Meine Finger fanden nichts zum Anfassen als Steinsplitter.
Ich mußte wissen, in welche Richtung es ging. Sonst kroch ich womöglich noch auf die Gefahr zu, statt weg von ihr. Ich mußte den Durchbruch zum Stollen finden.
Ich ergriff eine Handvoll von den quarzähnlichen Steinen und begann sie systematisch von rechts im Kreis um mich zu werfen. Es war ein Versuch voller Irrtümer, denn etliche trafen die Decke und andere den Boden, aber ein paar flogen weit genug, um mir die Gewißheit zu geben, daß vor mir leerer Raum lag.
Ich rollte mich auf den Rücken, und die Batterie drückte mir ins Kreuz. Ich schnallte den Gurt auf und legte ihn ab. Dann warf ich eine Handvoll Steine im Bogen um meine Beine herum.
Da war die Stollenwand. Viele von den Steinen trafen sie.
Mein Herz klopfte inzwischen so sehr, daß mir die Ohren dröhnten. Ruhig, ruhig, sagte ich mir. Hab nicht so verdammte Angst; du kannst sie nicht gebrauchen.
Ich warf wieder Steine, diesmal nicht, um die Wand zu finden, sondern das Loch darin. Ich fand es fast sofort. Warf noch mehr Steine, um sicherzugehen; aber da mußte es sein, ein wenig links von der Richtung, in die meine Füße zeigten, denn alle Steine, die ich dorthin warf, landeten weiter weg und klapperten noch nach. Sie waren nicht rund genug, um zu kullern, aber schwer genug, um bergab weiterzuschlittern, wenn sie herunterfielen. Bergab… die steile kleine Schräge von der Strosse in den Stollen.
Noch mehr Steine. Ich bewegte erst die Füße, dann den ganzen Körper, bis das Loch genau vor mir, über meinen Zehenspitzen war. Dann rutschte ich auf Ellbogen und Hintern voran, wobei ich den Kopf schön unten ließ.
Noch mehr Steine. Das Loch war noch da.
Weiterrutschen. Noch eine Kontrolle.
Es konnten nicht mehr als drei Meter sein. Sie kamen mir vor wie dreitausend.
Ich schwenkte versuchsweise die Arme in der Luft. Fühlte die Decke, sonst nichts.