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Rückte noch etwa einen Meter weiter vor. Tastete mit den Armen umher. Berührte massiven Fels. Rechts vor mir.

Noch ein Rutscher nach vorn. Spürte, wie meine Füße jäh nach unten gingen, meine Knie sich beugten. Streckte die Hände schräg nach vorn und fühlte Stein auf beiden Seiten. Halb heraus aus dem Loch… und flach liegend schob ich mich vorsichtig Zentimeter für Zentimeter voran, bis meine Füße knirschend auf dem Boden des Stollens aufkamen. Selbst dann noch hielt ich die Knie gebeugt und schlängelte mich weiter, ohne den Kopf zu heben, wußte ich doch nur zu gut, wie hart und kantig das Gestein über mir war und wie verletzlich mein unbehelmter Schädel.

Ich landete auf den Knien im Stollen, keuchend und so angsterfüllt wie eh und je.

Denk nach.

Die Löcher waren auf der linken Seite gewesen, als wir herkamen. War ich erst mal im Stollen, hatte Yates gesagt, konnte ich mich nicht verlaufen.

Okay. Halt dich rechts. Immer geradeaus. Ganz einfach.

Ich stand vorsichtig auf und wandte mich mit dem Durchbruch im Rücken nach rechts. Legte eine Hand auf die rauhe Felswand. Machte einen Schritt nach vorn.

Das Knirschen meines Stiefels auf dem Felsboden brachte mir erst zum Bewußtsein, wie ruhig es war. In der

Strosse hatten die Steine und mein eigenes Herz mir in den Ohren geklungen. Nichts davon jetzt. Die Stille war so total wie die Dunkelheit.

Ich grübelte nicht groß darüber nach. Ging vorwärts, so schnell ich es wagte, vorsichtig, Schritt für Schritt. Kein Laut. Das hieß, die Belüftung war abgeschaltet, was kaum eine Rolle spielte; das ganze Bergwerk war noch voll von unverbrauchter Luft, mochte sie auch heiß sein.

Meine Hand verlor plötzlich den Kontakt mit der Wand, und mein Herz stimmte einen neuen Kanon an. Ich brachte meine Atmung unter Kontrolle und ging einen Schritt zurück. Die rechte Hand wieder an der Wand. Okay. Ausatmen. Gut, jetzt hinknien, am Boden entlangtasten, dabei rechts mit der Wand in Kontakt bleiben. Dich an einem der Löcher vorbeilotsen, die in die Strosse führten… Löcher, durch die der Explosionsdruck entweichen würde, wenn die Ladungen hochgingen.

Druckwellen pflanzen sich weit fort, wenn sie in einen langen, engen Raum gesperrt sind. Druck ist eine mörderische Kraft, so tödlich wie fliegendes Gestein.

O Gott, dachte ich. Hölle und Teufel. Woran denkt man, wenn man damit rechnet, jeden Augenblick zu sterben?

Ich dachte daran, so schnell ich konnte so weit wie möglich aus der Mine herauszukommen. Ich dachte daran, nicht den Kontakt mit der rechtsseitigen Wand zu verlieren, wenn ich an einem Durchbruch vorbeikam, denn sonst konnte es passieren, daß ich mich im Dunkeln drehte, die andere Wand ertastete und schnurstracks wieder auf die Explosion zuging. Ich dachte an nichts anderes. Nicht einmal an Charlie.

Ich ging weiter. Die Luft wurde immer heißer. Der Streckenabschnitt, der schon auf dem Hinweg heiß gewesen war, war jetzt ein Angriff auf die Nervenenden.

Wie schnell ich vorankam, mich voranquälte, wußte ich nicht. Sehr langsam vermutlich. Wie in einem Alptraum, wenn man vor etwas Entsetzlichem zu fliehen versucht und auf der Stelle tritt.

Ich gelangte schließlich wieder zu der Verbreiterung, und die Explosion war immer noch nicht erfolgt. Auch in dem Querschlag sollte gesprengt werden, aber die Biegung des Stollens würde den Druck einigermaßen verteilen.

Allmählich wagte ich doch wieder zu hoffen, und indem ich die Hand an der rechten Wand behielt, da buchstäblich mein Leben daran hing, tappte ich langsam weiter. Zwei Meilen vielleicht bis zum Fuß des Schachts… aber jeder Schritt brachte mich der Rettung näher.

Die tödlichen Ladungen Dynagel explodierten nicht; jedenfalls nicht, solange ich unter Tage war.

Eben noch machte ich einen Schritt ins Dunkle. Im nächsten Augenblick wurde ich von Licht geblendet.

Ich schloß die Augen, zuckte vor der Helligkeit zurück, dann blieb ich stehen und lehnte mich gegen die Wand. Als ich die Augen wieder aufschlug, brannte die Grubenbeleuchtung in ihrer ganzen Pracht, und die Strecke war so gediegen, so sicher und farblich so beruhigend anzusehen wie auf dem Hinweg.

Schwach vor Erleichterung stieß ich mich von der Wand ab und ging weiter mit plötzlich zitternden Knien und einem Kopf, der wie von einem Kater schmerzte.

Ein leises Summen erfüllte jetzt wieder die Mine, und ganz weit vorn im Stollen löste sich ein einzelnes Geräusch davon und wurde lauter: das Rattern der Förderwagen auf dem Weg ins Innere.

Bald hörte es auf, und das Geräusch von mehreren Paar

Stiefeln folgte, und schließlich kamen aus einer Biegung vier Männer in weißen Overalls.

Im Eilschritt.

Sie sahen mich und fingen an zu laufen. Verlangsamten ihr Tempo und blieben kurz vor mir stehen, und die Erleichterung darüber, daß ich auf den Beinen war, spiegelte sich in ihren Gesichtern. Losenwoldt war mit dabei; die anderen kannte ich nicht.

«Mr. Lincoln, alles in Ordnung?«fragte einer von ihnen besorgt.

«Klar«, sagte ich. Es hörte sich nicht richtig an. Ich sagte es noch einmal.»Klar. «Schon viel besser.

«Wieso sind Sie zurückgeblieben?«fragte Losenwoldt tadelnd, um jegliche Schuld von sich abzuwälzen. Nicht, daß ich ihm welche zugewiesen hätte; er baute lediglich vor.

Ich sagte:»Es tut mir leid, daß ich Ihnen solche Umstände bereite… Ich glaube, ich habe mir den Kopf gestoßen und bin umgekippt, aber richtig erinnern kann ich mich daran nicht. «Ich legte die Stirn in Falten.»Wirklich blöd von mir.«

Einer sagte:»Wo waren Sie denn genau?«

«In der Strosse«, sagte ich.

«Menschenskind. Wahrscheinlich haben Sie zu schnell den Kopf gehoben, oder ein Stück Stein ist von der Decke gefallen und hat Sie getroffen.«

«Ja«, sagte ich.

Ein anderer fragte:»Aber wenn Sie bewußtlos in der Strosse waren, wie sind Sie dann hierhergekommen?«

Ich erzählte ihnen von den Steinen. Sie sagten nichts. Schauten sich nur an.

Einer ging um mich herum und sagte nach einem Moment:»Sie haben etwas Blut im Haar und am Nacken, aber es sieht trocken aus. Ich glaube nicht, daß Sie noch bluten. «Er stellte sich neben mich.»Meinen Sie, Sie können bis zum Förderwagen laufen? Wir haben eine Trage mitgebracht — für alle Fälle.«

Ich lächelte.»Wird schon gehen.«

Wir gingen. Ich fragte:»Wie haben Sie festgestellt, daß ich noch unten war?«

Einer sagte kleinlaut:»Das System, nach dem wir prüfen, ob vor dem Sprengen alle aus der Grube raus sind, soll unfehlbar sein. Und soweit es die Arbeiter angeht, ist es das auch. Aber Gäste… Sie müssen wissen, daß wir inoffiziellen Besuch von kleinen Gruppen, so wie heute, nicht oft bekommen. Mr. van Horen lädt selten jemand ein, und sonst darf es keiner. Zu uns kommen fast immer nur vorangemeldete Reisegruppen von rund zwanzig Personen, und der Bergwerksbetrieb steht mehr oder weniger still, während wir die herumführen, aber das passiert so alle sechs Wochen mal. An diesen Tagen sprengen wir gewöhnlich gar nicht. Aber heute hat einer aus Ihrer Gruppe sich nicht wohlgefühlt und ist vor den anderen zurück nach oben, und irgendwie sind alle davon ausgegangen, daß Sie mit ihm hochgefahren sind. Tim Yates sagte, als er Sie zuletzt gesehen hat, wollten Sie gerade auf die Hauptstrecke zurück.«

«Ja«, sagte ich.»Daran entsinne ich mich.«

«Die drei anderen Besucher sind zusammen hochgefahren, und die Kontrolleure hatten alle Bergleute abgehakt, so daß wir annahmen, daß alles draußen sei, und klar zum Sprengen waren.«

Ein langer, dünner Mann führte die Geschichte fort.»Dann sagte einer von den Leuten, die zählen, wie viele ein- und ausfahren, es sei einer mehr runter als rauf. Die Schichtkontrolleure meinten, daß sei unmöglich, jeder

Trupp sei Name für Name ausgecheckt worden. Der Zähler sagte, er sei sicher. Tja, damit blieben nur die Besucher. Also haben wir die überprüft. Die drei im Umkleideraum sagten, Sie hätten sich noch nicht umgezogen, Ihre Kleider seien noch da, folglich müßten Sie in der Unfallstation bei diesem Conrad sein, der sich nicht wohl gefühlt hatte.«