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Sheridan Lorrimore, der an einem anderen Tisch als seine Eltern saß, verlangte, ich solle ihm sofort einen doppelten Scotch bringen. Er hatte eine tragende Stimme, und seine Schwester, zwei Tische weiter, drehte sich mißbilligend um.

«Nein, nein, das sollst du doch nicht«, sagte sie.

«Kümmer dich um deinen Kram. «Er wandte mir leicht den Kopf zu und sprach in Richtung meiner Krawatte.»Doppelten Scotch, aber dalli.«

«Bringen Sie ihm keinen«, sagte Xanthe.

Ich blieb unschlüssig stehen.

Sheridan stand auf, sein Jähzorn brach durch. Er hob die Hand und stieß mich heftig vor die Schulter.

«Na los«, sagte er.»Tun Sie verdammt noch mal, was ich sage. Bringen Sie mir mein Getränk.«

Er versetzte mir noch einen ziemlich festen Stoß, und als ich mich abwandte, hörte ich ihn kichernd sagen:»Die muß man treten, Mensch.«

Ich ging in den Aussichtswagen, stellte mich hinter die Theke zum Barmann und war wütend auf Sheridan, nicht wegen seines empörenden Verhaltens, sondern weil er Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Filmer hatte zwar mit dem Rücken zu mir gesessen, aber nahe genug, um alles mitanzuhören.

Mercer Lorrimore erschien zögernd am Eingang der Bar und kam herein, als er mich sah.

«Ich entschuldige mich für meinen Sohn«, sagte er müde, und ich hatte stark den Eindruck, daß er sich schon unzählige Male so entschuldigt hatte. Er zog seine Brieftasche heraus, entnahm ihr einen Zwanzigdollarschein und bot mir das Geld an.

«Bitte nicht«, sagte ich.»Das ist nicht nötig.«

«Doch, doch. Nehmen Sie.«

Ich sah, daß er sich besser fühlen würde, wenn ich es annahm, als ob Geld die Tat irgendwie ungeschehen machte. Ich fand, er sollte aufhören, Vergebung für seinen Sohn zu erkaufen, und statt dessen eine psychiatrische Behandlung bezahlen. Andererseits hatte er das vielleicht schon getan. Sheridan fehlte mehr als nur gute Laune, und darüber war sein Vater sich längst im klaren.

Ich billigte nicht, was er tat, da ich aber nur noch mehr aufgefallen wäre, wenn ich sein Geld abgelehnt hätte, nahm ich es an und gab es, als er erleichtert zurück zum Speisewagen gegangen war, dem Barmann.

«Was war denn eigentlich los?«fragte der neugierig und ließ den Schein ohne Zögern in seiner Tasche verschwinden. Als ich es erklärte, meinte er:»Sie hätten das Geld behalten sollen. Sie hätten ihm dreimal soviel abknöpfen sollen.«

«Dann wäre er sich dreimal so gut vorgekommen«, sagte ich, und der Barmann sah mich verständnislos an.

Ich ging nicht zurück in den Speisewagen, sondern nach hinten in den Gesellschaftsraum, wo der Anblick meiner gelben Weste wiederum einigen Durst wachrief, den ich nach Kräften stillte. Der Barmann war mittlerweile gefällig und hilfsbereit und sagte, mit dem Eis, das in Sudbury an Bord gekommen sei, würden wir nicht mehr lange auskommen.

Oben auf dem Aussichtsdeck war die Abkupplung des Privatwagens Spekulationen darüber gewichen, ob sich das Nordlicht zeigen würde; das Wetter stimmte offenbar. Ich brachte ein paar Drinks dort hinauf (auch für Zak und Donna, was sie belustigte), und auf dem Weg nach unten erkannte ich die Rücken von Mercer und Bambi, Filmer und Daffodil; sie gingen gerade durch den Gesellschaftsraum zum Privatwagen hinüber. Mercer trat zur Seite, damit Bambi die beiden anderen durch den kurzen, lärmenden Verbindungsgang geleiten konnte, und bevor er selbst weiterging, drehte er sich um, sah mich und winkte mich heran.

«Bringen Sie bitte eine Schüssel Eis, ja?«sagte er, als ich ihn erreichte.»In den Salon.«

«Gern, Sir«, sagte ich.

Er nickte und ging, und ich gab die Bitte an den Barmann weiter, der den Kopf schüttelte und sagte, er habe nur noch sechs Würfel. Ich wußte, daß noch Packen von Eiswürfeln im Küchenkühlschrank waren, und so ging ich mit dem Gefühl, als wäre ich ein Leben lang zugauf, zugab gewandert, durch den Speiseraum zurück, um welche zu holen.

Viele Leute waren hier zwar nicht mehr, doch Xanthe fand immer noch Trost und ein offenes Ohr bei Mrs. Young. Nell saß Sheridan gegenüber, der ihr gerade erzählte, daß er unlängst seinen Lamborghini um einen Baum gewickelt und einen neuen bestellt hatte.

«Neuen Baum?«sagte Nell lächelnd.

Er sah sie verständnislos an. Sheridan war für Scherze nicht sonderlich zu haben. Ich holte einen Beutel Eis und eine Schüssel aus der Küche, ging schwankend zur Bar zurück und brachte endlich die Schüssel mit dem Eis (auf einem Tablett) in den Salon.

Sie saßen dort zu viert, Bambi unterhielt sich mit Daffodil, Mercer mit Filmer.

Mercer sagte zu mir:»Sie finden Gläser und Cognac in dem Schrank im Eßzimmer. Und Benediktine. Würden Sie uns das bringen?«

«Ja, Sir.«

Filmer beachtete mich nicht. Die Schränke in dem gepflegten Eßzimmer hatten Glastüren mit hellgrünen Vorhängen. In einem fand ich, wie beschrieben, die Gläser und Flaschen und brachte sie nach hinten.

Filmer sagte gerade:»Nimmt Voting Right am Breeders’ Cup teil, wenn er in Winnipeg siegt?«

«Er läuft nicht in Winnipeg«, sagte Mercer.»Er läuft in Vancouver.«

«Ja, ich meinte Vancouver.«

Daffodil empfahl einer kühlen Bambi begeistert, eine bestimmte Gesichtscreme zu probieren, die gegen Falten half.

«Stellen Sie nur alles hin«, sagte Mercer zu mir.»Wir schenken selbst ein.«

«Ja, Sir«, sagte ich und zog mich zurück, während er den absoluten Frevel beging, Remy Martins Feinsten auf Eis zu schütten.

Mercer würde mich überall im Zug erkennen, dachte ich, aber die anderen drei nicht. Ich war Filmers Blick den ganzen Tag nicht begegnet; hatte es sorgsam vermieden; und mir schien, daß seine Aufmerksamkeit einzig auf das gerichtet war, was er jetzt erreicht hatte — eine Bekanntschaft mit Mercer Lorrimore, die Besuche einschloß.

Im Gesellschaftsraum war jetzt laute Musik, zwei Paare versuchten zu tanzen und stolperten durch die ständige Bewegung der Tanzfläche immer wieder lachend über ihre Füße. Vom Aussichtsdeck sah man Aurora borealis nach Kräften am Horizont flackern, und in der Bar war eine Gruppe in ernster, stummer Konzentration beim Pokern. Sie spielten um Tausende, sagte der Barmann.

Zwischen der Bar und dem Speiseraum lagen drei Schlafräume, und in einem davon, hinter der offenen Tür, stand ein Schlafwagensteward, genauso gekleidet wie ich.

«Hallo«, sagte er, als ich an der Tür innehielt.»Wollten Sie helfen?«»Klar«, sagte ich.»Was soll ich tun?«

«Sie sind der Schauspieler, nicht?«fragte er.

«Das ist streng geheim.«

Er nickte.»Ich kann schweigen.«

Er war ungefähr mein Jahrgang, etwas älter vielleicht, sympathisch und gut aufgelegt. Er zeigte mir, wie man den raffinierten Mechanismus der Sitze zusammenklappte und sie unter ein Bett schob, das sich aus der Wand ziehen ließ. Dann wurde ein oberes zweites Bett samt Leiter von der Decke heruntergeklappt. Er strich die Bezüge glatt und legte als Betthupferl auf jedes Kopfkissen eine verpackte Schokoladentrüffel.

«Hübsch«, meinte ich.

Er habe nur noch ein Abteil zu machen, sagte er, und müsse eigentlich längst fertig sein, sei aber in dem Wagen auf der anderen Seite des Speisewagens, den er ebenfalls betreue, aufgehalten worden.

Ich nickte — und mehrere Gedanken rannten gleichzeitig die Tür meines Bewußtseins ein. Es waren folgende: Filmers Abteil befand sich in diesem Wagen. Filmer war im Augenblick bei den Lorrimores. Die einzigen Schlösser an den Abteiltüren waren innen, in Form von Riegeln, falls man ungestört sein wollte. Nichts verwehrte einem den Zutritt, wenn ein Abteil verlassen war.