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«Was kümmert Sie’s?«fragte Sheridan sie barsch.»Sie haben sie doch gestern morgen erst kennengelernt, und vor dem Abendessen war sie tot.«

Donna sah ihn unsicher an. Er hatte sich angehört, als ob er Angelica wirklich für tot hielte.

«Ehm…«sagte sie,»manche Menschen kennt man vom ersten Moment an. «Sie ging sanft weiter und verschwand bald darauf mit traurig hängenden Schultern in dem Gang neben der Küche. Sheridan murmelte irgend etwas vor sich hin, was die

Leute, bei denen er saß, peinlich berührte.

Emil und sein Team, mich eingeschlossen, begannen sofort die Tische um die Passagiere herum fürs Abendessen zu decken und trugen alsbald warmen Ziegenkäse und Radieschensalat auf, danach kurzgebratenes Chateaubriand mit jungen Erbsen und Stiftkarotten und schließlich nahrhafte Orangensorbets, reich garniert mit flockiger Schlagsahne und Nüssen. Die meisten Fahrgäste hielten bis zum Ende durch und sahen nicht so aus, als wäre es eine Tortur.

Meine Andeutung beim Geschirrspülen nach der Schlacht, man könne irgendwie vielleicht etwas ins Essen gespritzt haben, was sich für alle jetzt gesundheitsschädlich auswirke, nahm Angus mit frostiger Belustigung auf. Absolut unmöglich, versicherte er mir. Ich hätte doch gewiß bemerkt, daß so gut wie alle Zutaten frisch in den Zug gekommen seien? Er koche sein Essen, er wärme kein vorgefertigtes Zeug auf.

Ich versicherte ihm wahrheitsgemäß, daß ich von seinem Können und von seiner Schnelligkeit beeindruckt war und seine Menüs fabelhaft fand.

«Euch Schauspielern«, sagte er, schon nachsichtiger,»fallen auch die unmöglichsten Sachen für eine Handlung ein.«

In Winnipeg, eintausendvierhundertunddreizehn Meilen Schienenstraße von Toronto, stieg alles aus.

Zwei große Pferdetransporter warteten auf die Pferde, die über Rampen aus- und eingeladen wurden. Die Pfleger und Leslie Brown führten die Tiere vom Zug zu den Lkws, brachten sie unter und strömten dann, mit Reisetaschen bewaffnet, in einen Bus, der den Transportern hinaus zur Rennbahn folgte.

Eine Reihe von Bussen wartete auf dem Bahnhofsvorplatz, um die Rennbahnbesucher zu verschiedenen außerhalb liegenden Motels zu bringen, und ein langer neuer Reisebus mit dunkel getönten Fenstern war für die Besitzer reserviert. Einige Besitzer wie die Lorrimores und Daffodil und Filmer hatten eigene

Transportmittel in Form von chauffeurgesteuerten Limousinen angefordert, und ihre Fahrer kamen zum Zug herüber, um ihnen das Gepäck abzunehmen.

Das Zugpersonal räumte, nachdem alle anderen fort waren, sämtliche beweglichen Sachen in sichere Schränke und stieg dann zu den Schauspielern in den letzten wartenden Bus. Der Mountie, sah ich mit Interesse, war unter uns, groß und imposant auch ohne die rote Uniform mit den Messingknöpfen, die in seiner Reisetasche steckte.

George kam zuletzt, einen Aktenkoffer mit Papieren in der Hand, und blickte über seine Schulter auf den Zug, als frage er sich, ob er etwas vergessen habe. Er nahm den Sitz neben mir, auf der anderen Seite des Gangs und sagte, die Wagen kämen für zwei Tage auf ein Nebengleis, die Lokomotive werde abgehängt und woanders eingesetzt und ein Wachmann werde Posten stehen. Auf dem Abstellgleis würden die Wagen unbeheizt und unbeleuchtet sein und erst übermorgen, eine Stunde vor unserer Abreise, wieder zum Leben erwachen. Daß von Küste zu Küste die gleiche Mannschaft im Einsatz bleiben könne, sagte er, verdankten wir nur den beiden Ruhepausen unterwegs.

Die Besitzer und ein Teil der Schauspieler stiegen im Westin Hotel ab, das, so hatte Nell beim Dinner allen mitgeteilt, über einen Tanzsaal, jeglichen Komfort und ein Hallenbad auf dem Dach verfügte. Für die Reisegruppe war ein Frühstücksraum reserviert, wo jeden Morgen der Krimi ein Stück weitergehen würde. Davon abgesehen, sagte sie, sei jeder sich selbst überlassen; es gebe gute Läden, gute Restaurants und guten Rennsport. Für den Transport zur Rennbahn und zurück sei gesorgt. Am Mittwoch, nach dem Jockey Club RennexpreßSonderrennen, würden wir alle wieder an Bord des Zuges gehen, und Cocktails und Dinner würden serviert, sobald wir aus dem Bahnhof hinausgerollt seien. Die Gesellschaft applaudierte gutgelaunt.

Ich hatte beschlossen, nicht in eines der von Besitzern, Schauspielern, Personal oder Rennbahnbesuchern belegten Hotels zu gehen, und fragte Nell, ob sie noch andere Möglichkeiten wisse. Ein bißchen viel verlangt, schien es.

«Wir haben fast überall Leute untergebracht«, meinte sie zweifelnd,»aber im Holiday Inn sind bloß ein paar Schauspieler… warum versuchen Sie’s nicht dort? Obwohl… genaugenommen gibt es ein Hotel, wo wir niemand angemeldet haben, und zwar das Sheraton. Aber das ist wie das Westin — teuer.«

«Macht nichts, ich finde schon was«, sagte ich, und als der Personalbus nach kurzer Fahrt anhielt und seine Passagiere ausspie, nahm ich meine Reisetasche, setzte mich ab, erfragte den Weg und ging schnurstracks dorthin, wo sonst niemand wohnte.

In meinem zugeknöpften grauen VIA-Regenmantel bot ich den Empfangsangestellten des Sheraton kein ungewohntes Bild; das einzige Problem, sagten sie, bestehe darin, daß sie belegt seien. Es sei schon spät. Die ganze Stadt sei ausgebucht.

«Ein Anbau?«schlug ich vor.

Zwei von ihnen schüttelten den Kopf und berieten sich leise. Sie hatten zwar kein Einzelzimmer mehr, sagten sie schließlich, aber noch eine soeben abbestellte Suite. An der sei ich wohl nicht interessiert?

«Doch«, sagte ich und gab ihnen bereitwillig meine American-Express-Karte. So hängte denn Tommy der Kellner sorgsam seine weiß gefütterte gelbe Weste auf, bestellte Wein beim Zimmerservice, schlief nach einer langen, wohltuenden Dusche geschlagene acht Stunden durch und träumte nicht von Filmer.

Am Morgen rief ich Mrs. Baudelaire an und lauschte erneut der beinah mädchenhaften Stimme in der Leitung.

«Nachrichten für den unsichtbaren Mann«, sagte sie vergnügt.

«Ehm. sind Sie noch unsichtbar?«

«Weitgehend schon, glaube ich.«

«Bill sagt, Val Catto wüßte gern, ob Sie für die Zielperson noch unsichtbar sind. Können Sie damit was anfangen?«

«Kann ich, und die Antwort ist ja.«

«Sie sind beide unruhig.«

«Und nicht sie allein«, sagte ich.»Richten Sie ihnen bitte aus, daß die Zielperson einen Verbündeten im Zug hat, der, glaube ich, mit den Rennbahnbesuchern reist. Ich habe ihn mal gesehen und will versuchen, ihn zu fotografieren.«

«Du meine Güte!«

«Fragen Sie sie bitte auch, ob bestimmte Zahlen, die ich Ihnen gleich durchgeben werde, im Leben der Zielperson irgendeine Bedeutung haben.«

«Wie spannend«, sagte sie.»Schießen Sie los.«

«Nun. drei Ziffern kenne ich nicht. Drei Fragezeichen also. Dann eins-fünf-eins.«

«Drei Fragezeichen, dann eins-fünf-eins. Richtig?«

«Richtig. Ich weiß, daß es nicht seine Autonummer ist, jedenfalls nicht die des Wagens, mit dem er meistens fährt, aber fragen Sie, ob es irgendwie auf seinen Geburtstag paßt oder zu seiner Telefonnummer oder was immer ihnen sonst einfällt. Ich möchte wissen, wie die ersten drei Stellen lauten.«

«Sofort im Anschluß an unser Gespräch rufe ich Bill an. Er hat mir ein paar Antworten auf Ihre Fragen von gestern abend gegeben.«

«Großartig.«

«Die Antworten sind, daß Mr. und Mrs. Young, denen Sparrowgrass gehört, häufige und gern gesehene Besucher in England sind und daß der Jockey Club sie zu vielen Rennveranstaltungen als Ehrengäste einlädt. Sie waren mit Ezra

Gideon befreundet. Val Catto weiß nicht, ob sie wissen, daß Ezra Gideon zwei Pferde an Mr. A. J. Filmer verkauft hat. Ergibt das einen Sinn?«

«Ja«, sagte ich.

«Freut mich, daß Sie wissen, wovon ich rede. Wie steht’s denn hiermit?«Sie machte eine Atempause.»Sheridan Lorrimore wurde letzten Mai von der Universität Cambridge verwiesen — relegiert —, und zwar wegen irgendeines vertuschten Skandals. Mercer Lorrimore war zu der Zeit drüben in England, blieb auch dort und ließ im Juli in Newmarket Pferde laufen, doch der Jockey Club fand ihn grimmiger als sonst und erfuhr, daß es mit seinem Sohn zu tun hatte, aber genauer äußerte er sich nicht dazu. Val Catto will sehen, was er aus Cambridge herausbekommt.«