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«Das ist prima«, sagte ich.

«Sheridan Lorrimore!«Sie klang bestürzt.»Ich hoffe, da ist nichts dran.«

«Wappnen Sie sich«, meinte ich trocken.

«Ach herrje.«

«Wie gut kennen Sie ihn?«fragte ich.

«Gar nicht weiter. Aber es ist nicht gut, wenn eine unserer ersten Familien durch die Mühlen der Sensationspresse gedreht wird.«

Die Wendung gefiel mir, und ich mußte daran denken, daß sie einmal eine Zeitschrift herausgegeben hatte.

«So etwas würdigt das ganze Land herab«, fuhr sie fort.»Was immer es war, ich kann nur hoffen, daß es vertuscht bleibt.«

«Was immer es war?«

«Ja«, sagte sie bestimmt.»Seiner Familie wegen. Seiner Mutter wegen. Ich kenne Bambi Lorrimore. Sie ist eine stolze Frau. Sie hat es nicht verdient, von ihrem Sohn blamiert zu werden.«

Da war ich mir nicht so sicher; ich wußte nicht, inwieweit sie für sein Verhalten verantwortlich war. Aber vielleicht konnte sie auch wenig dafür. Vielleicht hatte niemand einen Sohn wie Sheridan verdient. Vielleicht wurden Menschen wie Sheridan einfach so geboren, gleichsam ohne Arme.

«Sind Sie noch da?«fragte Mrs. Baudelaire.

«Aber sicher.«

«Bill sagt, der Privatwagen der Lorrimores wurde Sonntag abend vom Zug abgehängt. Ist das wirklich wahr? Große Aufregung deswegen, nicht? Es kam in den Fernsehnachrichten, und heute morgen steht’s in allen Zeitungen. Bill meint, da hätte offenbar aus unbekannten Gründen ein Irrer zugeschlagen, aber er möchte wissen, ob Sie irgendwelche Informationen darüber besitzen, die er nicht hat.«

Ich erzählte ihr, was geschehen war: Wie Xanthe nichtsahnend beinah ins Leere gestürzt wäre.

«Sagen Sie Bill, die Zielperson hat während des Vorfalls selbst und während der Untersuchung gestern morgen in Thunder Bay entspannt und unbeteiligt dagesessen, und ich bin sicher, daß er die Abkopplung nicht geplant hat. Irgend etwas scheint er aber mit seinem Verbündeten im Zug geplant zu haben, und ich glaube, Bill sollte zusehen, daß die Pferde aus dem Zug jetzt auf der Rennbahn sehr sorgfältig bewacht werden.«

«Ich richte es ihm aus.«

«Sagen Sie ihm, es besteht eine geringe Möglichkeit, daß etwas ins Trinkwasser der mitfahrenden Pferde gemischt wurde, aber wenn das geschehen wäre, hätten die Pferde wohl gestern abend schon darunter zu leiden gehabt, und danach sah es nicht aus. Heute morgen kann ich sie nicht kontrollieren. Ich nehme an, wenn etwas mit ihnen ist, wird Bill es ziemlich bald erfahren. Jedenfalls habe ich vier Proben von dem Trinkwasser entnommen, die ich heute abend mit zur Rennbahn bringe.«

«Gütiger Himmel.«

«Sagen Sie Bill, ich lasse sie ihm irgendwie zukommen. Sie werden in einem Päckchen sein, auf dem sein Name steht.«

«Jetzt muß ich mir das doch aufschreiben. Bleiben Sie dran.«

Stille trat ein, während sie den Hörer hinlegte und ihre Notizen machte. Dann kam sie wieder an den Apparat und wiederholte wortgetreu alles, was ich ihr mitgeteilt und alles, worum ich gebeten hatte.

«Stimmt das so?«fragte sie zum Schluß.

«Vollkommen«, sagte ich begeistert.»Um welche Zeit ist es im allgemeinen günstig, Sie anzurufen? Ich möchte Sie nicht unnötig stören.«

«Rufen Sie jederzeit an. Ich bin hier. Schönen Tag noch. Bleiben Sie unsichtbar.«

Ich lachte, und sie war aus der Leitung verschwunden, bevor ich fragen konnte, wie es ihr ging.

Man hatte mir ein Freiexemplar einer Winnipegger Zeitung vor die Zimmertür gelegt. Ich hob sie auf und sah nach, was sie über den Zug brachten. Die Story füllte nicht gerade die ganze Titelseite aus, begann aber dort mit Fotos von Mercer und Bambi und ging innen weiter mit einer bezaubernden, voll ausgeleuchteten Studioaufnahme von Xanthe, die sie viel älter als — wie angegeben — fünfzehn erscheinen ließ.

Ich hegte den ironischen Verdacht, daß die zusätzliche Publicity, die der Große Transkontinentale Erlebnis- und Rennexpreß erhalten hatte, dem Unternehmen keineswegs schadete. Außer einem unbekannten Spinner drüben in der Wildnis Ontarios wurde niemandem Schuld zugeschrieben. Winnipeg war voll von Rennbahnbesuchern, die einen hübschen Beitrag zur Kommunalwirtschaft leisteten. Winnipeg nahm sie mit offenen Armen auf. Ausdrücklich wies die Zeitung darauf hin, daß das erste der beiden Meetings zur Feier des kanadischen Rennsports an diesem Abend, Startzeit Punkt 19 Uhr, abgehalten wurde und das zweite, einschließlich des Jockey

Club Race Train Stakes, morgen nachmittag um 13 Uhr 30 begann. Der Nachmittag sei, wie allgemein bekannt, zum Lokalfeiertag erklärt worden und bilde einen passenden Abschluß für das diesjährige Galopprennprogramm in Assiniboia Downs. (Die Traber, hieß es in Klammern, hielten das erste Meeting ihrer Wintersaison am kommenden Sonntag ab.)

Ich streifte den größten Teil des Tages in Winnipeg umher, sah zwar einmal ein Besitzerehepaar in einem Geschäft, das Eskimo-Schnitzereien anbot, lief aber keinem, der mich hätte kennen können, direkt über den Weg. Ich vergeudete wenig Zeit damit, herauszufinden, was Filmer machte oder wo er hinging, da ich schon bald festgestellt hatte, daß sich das Westin Hotel über dem Eingang eines unterirdischen Einkaufszentrums befand, welches sich wie ein Kaninchenbau in sämtliche Richtungen verzweigte. Um das Klima zu besiegen, war Shopping in Kanada weitgehend unter die Erde verlagert. Filmer konnte im Westin ein und aus gehen, ohne an die frische Luft zu müssen, und wahrscheinlich hatte er das getan.

Es gab Rennbahn-Expreß-Busse, sah ich, die von der Stadt in die Downs fuhren, also ließ ich mich gegen sechs von einem hinbringen, schlenderte auf dem Gelände herum und sann auf eine Möglichkeit, wie ich Bill Baudelaire die Wasserproben übergeben könnte, die jetzt einzeln verpackt in der nichtssagenden Plastiktüte steckten.

Es wurde mir leichtgemacht. Ein Mädchen etwa in Xanthes Alter hüpfte an meine Seite, als ich langsam vor der Tribüne daherging, und sagte:»Hallo! Ich bin Nancy. Wenn das für Clarrie Baudelaire ist, kann ich’s gern mit raufnehmen.«

«Wo ist sie denn?«fragte ich.

«Sie und ihr Vater essen da oben hinter einem Fenster im Vereinshaus. «Sie wies auf einen Abschnitt der Tribüne.»Er sagte, Sie wollten ihr was zur Erfrischung bringen, und bat mich, runterzulaufen und es zu holen. Ist das richtig?«

«Haargenau«, sagte ich anerkennend.

Sie war hübsch, sommersprossig, in einem leuchtend blauen Trainingsanzug mit einem weißen, goldbeschlagenen Gürtel. Ich gab ihr die Tragetasche, sah zu, wie ihre beschwingte Rückansicht in der Menge verschwand, und war mir immer sicherer, daß das, was sie da überbrachte, harmlos war. Bill Baudelaire würde nicht ruhig mit seiner Tochter zu Abend essen, wenn drüben in den Rennbahnställen das große Pferdeelend ausgebrochen wäre.

Das Vereinshaus, in dem man speisen und gleichzeitig den Rennen zuschauen konnte, nahm eine ganze Etage der Haupttribüne ein und war vollverglast, um im Inneren den Sommer zu bewahren. Ich beschloß nicht hinaufzugehen, weil Tommy es nicht getan hätte, und Tommy frei vom Dienst in Tommys Freizeitkleidung war das, was ich in diesem Augenblick unbedingt sein wollte. Ich legte ein paar tommygemäße Wetten an, aß vorzüglich in der Kellerbar und wanderte ausgiebig herum, das Programmheft in der Hand, das Fernglas um den Hals, ganz wie gewohnt.

Das Tageslicht ging fast unmerklich in Dunkelheit über, und Elektrizität übernahm die Aufgabe der Sonne reibungslos. Um sieben lief das erste Rennen dann bei Flutlicht, die Farben der Jockeys strahlten vor dem Hintergrund der Nacht.